Medtech-Fertigung

Keime und Partikel unerwünscht

25. Oktober 2021, 12:08 Uhr | Iris Dörffeldt (Schilling Engineering)
Reinräume verhindern Kontaminationen durch Fremdpartikel und sorgen für eine höhere Qualität und Sicherheit in Produktion, Verarbeitung und Forschung.
© Schilling

Grundlagen der Reinraumtechnik für die Medizin

Wann ist ein reiner Raum ein Reinraum?

  • Einfach gesprochen ist ein Reinraum ein geschlossener Raum, in den über ein Filtersystem nahezu staub- und keimfreie Luft eingelassen wird. Die Anzahl der Partikel pro Kubikmeter Luft bestimmt die Qualität des Reinraums.
  • Unterschieden werden Reinräume nach der Art ihrer Klassifizierung. Bei ISO- Reinräumen liegt das Hauptaugenmerk in der Entfernung von luftgetragenen Partikeln, die sich nicht auf empfindlichen Produkten ablagern dürfen. Bei GMP- Reinräumen muss zusätzlich eine mikrobiologische Verunreinigung über Keime und Sporen verhindert werden.
  • Die Reinraumklassifizierungen nach der ISO-Norm 14644-1 oder nach dem GMP- Leitfaden Annex 1 bestimmen das Gesamtdesign des Reinraums. Je sensibler die Prozesse sind, desto strenger sind die Anforderungen an die Sauberkeit der Reinräume. Die Reinraumklassen reichen von ISO 1- ISO 9, wobei die niedrigeren Zahlen höhere Standards bei der Partikelentfernung anzeigen.
  • Je nach Reinraumklasse muss die Luft des Reinraums unterschiedlich oft vollständig ausgetauscht werden. Dies geschieht über laminare Luftströmungen, die reine Luft in den Reinraum führen und luftgetragene Partikel aus dem Reinraum drängen.

Grundlagenwissen Reinraumtechnik

Fotos

Reinräume verhindern Kontaminationen durch Fremdpartikel und sorgen für eine höhere Qualität und Sicherheit in Produktion, Verarbeitung und Forschung.
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Die Einschleppung ungewünschter Partikel in den Reinraum wird durch Einschleusungskonzepte und Mitarbeiterschulungen verhindert.
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Partikelmessung für die Klassifizierung eines Reinraums
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In Reinräumen wird die Partikelkonzentration der Umgebungsluft auf ein niedriges, für den durchgeführten Prozess unkritisches Niveau gesenkt. Der Zweck des Einsatzes von Reinraumtechnik liegt darin, den schädigenden Einfluss von Partikeln und Mikroorganismen zu verhindern und damit für eine höhere Qualität und Sicherheit in Produktion, Verarbeitung und Forschung zu sorgen.

Ohne kontrollierte Produktionsabläufe unter Reinraumbedingungen können eine Vielzahl von sensiblen Produkten, die schon durch kleinste Partikelablagerungen in ihrer Funktion und Qualität beeinträchtigt werden, nicht produziert werden. Dies betrifft beispielsweise winzige Komponenten in der Elektronik, der Halbleiterindustrie, der Mikrotechnologie oder der Medizintechnik.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Reinraumtechnologie liegt in der Reduzierung von Keimen und Mikroorganismen, die bei der Herstellung von Medikamenten und pharmazeutischen Erzeugnissen zwingend vorgeschrieben ist und auch zu deutlichen Qualitätsverbesserung in der Lebensmittel- oder Kosmetikindustrie führt.

Der Begriff Reinraumtechnik bezeichnet dabei nicht nur den eigentlichen Reinraum, sondern alle technischen und organisatorischen Maßnahmen, die die Anzahl der in den Reinraum eingeschleppten beziehungsweise dort entstehenden Partikel kontrollieren. Zu den technischen Elementen gehören Bauelemente wie Decken, Wände und Türen, Filter- und Lüftungsanlagen und Steuerungssysteme für Kontrolle und Monitoring.

Die organisatorischen Maßnahmen der Reinraumtechnik sind für einen funktionierenden Betrieb ebenso wichtig. Hierzu gehören regelmäßige Reinigung und Instandhaltungen und vor allem strukturierte Arbeitsabläufe. Da in der Regel der Mensch die größte Quelle für Partikel ist, werden Reinräume meist über Schleusen betreten, in denen die Mitarbeiter spezielle fusselfreie Reinraumkleidung anlegen. Auch Mobiliar, Geräte und Maschinen bestehen aus reinraumgerechten Materialien und müssen auf genau festgelegte Art in den Arbeitsablauf integriert werden. Schulungen für das Personal, das im Reinraum beschäftigt ist oder den Reinraum reinigt, sind ein grundlegender Bestandteil für den Betrieb eines Reinraums.

Reinraumklassen im Überblick

Für den Betrieb eines Reinraums müssen bei der Abnahme und während des Betriebs Partikelmessungen durchgeführt werden. Aufgrund dieser Messungen wird die Klassifizierung der Reinheit des Raumes vollzogen. Die Einstufung in Reinraumklassen beschreibt die Belastung der Raum-Atmosphäre durch Partikel verschiedener Größen je Raumvolumen.

Als einheitlicher Standard hat sich die Norm DIN EN ISO 141644-1 weltweit etabliert. Sie teilt die Luftreinheit nach Reinraumklassen von 1-9 ein. An festgelegten Messpunkten werden Partikelanzahl und Partikelgröße je Kubikmeter Raumluft ermittelt. Für ISO 1 gelten die strengsten Vorgaben, ISO 9 die am wenigsten strengen Bestimmungen.

Für jeden Prozess muss dabei individuell bestimmt werden, welche Reinraumklasse benötigt wird. Da niedrigere Reinraumklassen höhere Kosten verursachen, sollte nur eine Klassifizierung angestrebt werden, die auch wirklich benötigt wird. Dies wird je nach Branche, Fertigung und Endprodukt individuell und unterschiedlich bewertet. In der medizintechnischen Produktion werden meist Reinräume der ISO-Klassen 6 und 7 eingesetzt, für die saubere Fertigung in der Automobilindustrie wird zum Teil eine ISO- Klasse 8 benötigt, die Herstellung von Halbleitern erfordert dagegen meist schon eine Reinraumklasse von mindestens ISO 5.

In der pharmazeutischen Industrie werden eigene GMP-Klassen A, B, C und D definiert, die sich in der Höhe der Partikelkonzentration an die ISO-Normen anlehnen, jedoch zusätzlich Grenzwerte für schädliche Mikroorganismen ausweisen.

Funktion eines Reinraums

Um Verunreinigungen aus der Luft zu entfernen, wird gefilterte, partikelarme Luft in den Reinraum eingeströmt, die die partikelbelastete Luft verdrängt und durch Abströmöffnungen aus dem Reinraum leitet. Mit Abströmung der Reinluft beziehungsweise mit der Erzeugung eines leichten Überdrucks in den Reinraumbereichen werden die Partikel beim Betreten des Reinraumes beziehungsweise des Schleusenbereiches am Eindringen gehindert.

Meist werden dafür in der Reinraumdecke eine größere Anzahl von Filter Fan Units (FFU) mit integrierten Hochleistungs-Schwebstofffiltern installiert, die die Luft ansaugen, filtern und mit gewünschtem Druck in den Reinraum blasen. Auf der Austrittsseite wird der Luftstrom wahlweise turbulent und laminar geführt. Bei der effizienteren turbulenzarmen laminaren Verdrängungsströmung, die auch »laminar flow« genannt wird, strömt die Reinluft vertikal in den Reinraum und trägt die luftgetragenen Partikel zu Boden und aus dem Raum.

Die Luftgeschwindigkeit der einströmenden Luft und die Luftwechselrate pro Stunde variieren je nach Reinraumklasse. Moderne Reinräume, wie das System Cleancell von Schilling Engineering, führen die Luft energieeffizient in einem Umluftverfahren innerhalb doppelter Reinraumwände wieder zu den FFUs, wo die bereits gefilterte und oft klimatisierte Luft erneut eingeströmt wird.

Reinräume und Reinraumbereiche, zum Beispiel Reinraumzelte, können aber prinzipiell auch ohne Umluftsystem betrieben werden. In diesen Fällen wird 100% der Reinluft über Abströmgitter, Prozessöffnungen oder den Bodenspalt abgeleitet.

Über Schilling Engineering

Die Schilling Engineering GmbH, Wutöschingen, entwickelt und produziert bereits seit über 25 Jahren qualitativ hochwertige Reinraum-Systemlösungen inklusive Klimatechnik. Branchenspezifische Kundenanforderungen werden hierbei von der Planung bis zur Qualifizierung maßgeschneidert und individuell umgesetzt. Die Reinraumsysteme werden unter anderem in der Pharmaindustrie, der Medizintechnik, der optischen Industrie, der Halbleiterfertigung, der Mikrotechnik, der Lebensmittelindustrie, sowie in Kliniken und Laboren eingesetzt.

  • Mehr Informationen zum Cleancell-System finden Sie auf der Homepage des Unternehmens
  • Einen Fachartikel zum Thema »Reinraumfertigung von Titanimplantaten« finden Sie in der Printausgabe 1/2021 der medical design. Hier geht's zum kostenfreien ePaper. 
     

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