Elektromechanische Bedienelemente

Blindes Vertrauen

20. April 2018, 9:30 Uhr | Melanie Ehrhardt
© Pixabay

Dank Smartphones und Tablets ist die Eingabe via Touchscreens für die meisten von uns selbstverständlich. Das gilt nicht nur für private Geräte, sondern zunehmend auch im beruflichen Umfeld – auch in der Medizintechnik. Haben klassische Schalter, Tasten und Hebel also ausgedient?

Berühren, wischen, zoomen – diese Bewegungen kennen wir aus unserem Alltag nur zu gut. Was anfänglich noch etwas ungelenk aussieht, wirkt schon bald wie ein natürliches Bewegungsmuster. Aber eigentlich beherrschen wir dieses schon von klein auf. Denn wenn Kinder zwischen acht und 13 Monaten beginnen, mit ihrem Zeigefinger den Brei auf der Tischplatte zu verschmieren, dann startet damit eine neue wichtige Erkundungsphase. Die Bedienung eines Touchscreens knüpft offenbar an diese frühsten motorisch-kognitiven Vorgänge an. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler von der Goethe Universität Frankfurt am Main. »Der sensomotorisch unmittelbare Zugang der Handhabung macht den großen Erfolg dieser Eingabeform plausibel«, erklärt Prof. Dr. Georg Peez vom Institut für Kunstpädagogik.

Ein Zufall ist diese Ähnlichkeit laut Peez nicht. Dennoch glaubt er nicht daran, dass sich Entwickler bewusst das Verhalten von Kleinkindern zum Vorbild genommen haben. Dem Erfolg tut das keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil: Touch-Displays sind heute aus keiner Branche mehr wegzudenken, was nicht nur an der intuitiven Bedienung liegt. »Durch das hinterlegte Display kann sehr einfach eine neue Bedienaufgabe in einem völlig neuen Kontext dargestellt und abgefragt werden«, sagt Clemens Bock, Teamleiter Entwicklung Elektromedizin bei Rafi. Hinzu kommt, dass sich Fehlbedienungen reduzieren und zusätzliche Hilfestellungen bereitstellen lassen. »Ein weiterer Vorteil ist die Umschaltung auf verschiedene Sprachen und Tastatur-Layouts, sodass die Geräte auf die Sprache des Bedieners angepasst werden können.«

Fehlbedienung vermeiden

Obwohl Touch-Bedienung – mit oder ohne Multitouch – auch in der Medizin mittlerweile zum guten Ton gehören, werden sie elektromechanische Bedienelemente nicht vollständig ersetzen. Denn in der Medizintechnik sollte nach Meinung von Bock nicht die Technik die Hauptrolle spielen, sondern im Idealfall der Patient. »Insofern wird der Arzt sich auf die Anzeigevorrichtungen und den Patienten konzentrieren müssen und nicht auf die Bedieneinrichtung.« Diese sollte er blind bedienen können, ohne dabei die Orientierung zu verlieren.

Konturen und haptische Feedbacks zeigen ihm, wo er mit seinen Händen an den Bedienelementen ist und was er gerade betätigt (z.B. die Encoder eines Ultra­schallgerätes). Für Bock ist das einer der zentralen Vorteile, die elektromechanische Bedienelemente Touchscreens voraus­haben. Doch wie lange noch? Denn Techniken wie zum Beispiel »Haptic Touch« von Next System ermöglichen eine fühlbare Rückmeldung auch auf Touchoberflächen. Das System beruht auf einem elektrostatischen Prinzip, bei dem sich zwei unterschiedlich aufgeladene Platten anziehen und so eine Bewegung an der Oberfläche ermöglichen. Hierbei wird auch der Druck, der bei der Bedienung einer Touch-Oberfläche entsteht, gemessen und ausgewertet. Auf Basis einer definierten Druckkraft kann eine Aktion ausgeführt werden, und der Anwender bekommt eine haptische Rückmeldung.

Auch Data Modul forscht an der Entwicklung von Touch-Panels mit haptischer Rückmeldung. Hier wird – mittels direkter Kraftrückübertragung – jede Touch-Interaktion zur Bestätigung an den User auf dem Touchsensor abgebildet. Ein fühlbares Feedback in Form von Vibration spiegelt dann die Position des Fingers auf dem Sensor wider. Um ein solches Feedback zu gewährleisten, wurde die Bedienoberfläche schwimmend ins Gehäuse integriert. Der Anwender (Arzt, Pfleger etc.) kann sich komplett auf den Patienten fokussieren, denn der Blickkontakt zum Monitor entfällt. Doch nicht nur im Krankenhaus könnte die Technik den Patienten von Nutzen sein. Im öffentlichen Nahverkehr oder bei der Eingabe sensibler Daten (Bank­automat) könnte das haptische Feedback beispielsweise sehbehinderte Menschen in im Alltag unterstützen. Bisher sind diese auf akustische Signale angewiesen.


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