Medical-PCs für OP und Intensivstation

Computer für höchste Hygieneanforderungen

15. November 2016, 11:21 Uhr | von Stefan Nebel
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Medical-PCs sind das Benutzerinterface und zunehmend auch das IoT-Gateway für viele Medizingeräte – vom bildgebenden System über den Anästhesie-Arbeitsplatz bis hin zur Vitaldatenüberwachung auf der Intensivstation. Moderne, lüfterlose Modelle erleichtern zudem das Einhalten hoher Hygienestandards.

Nosokomiale Infektionen zählen zu den häufigsten Komplikationen von Klinikaufenthalten. Dabei stecken sich Patienten im Krankenhaus zum Beispiel mit multiresistenten Keimen an. Risikofaktoren wie hohes Alter oder schwere Grundleiden begünstigen die Gefahr. Jährlich stecken sich 500 000 bis 800 000 Patienten in deutschen Krankenhäusern neu an – nicht selten mit schwerwiegenden Konsequenzen: Häufig verschlimmert sich der Krankheitsverlauf, auch die Mortalität steigt.

Diese Infektionen belasten das Gesundheitssystem durch enorme Mehrkosten. Zum Beispiel müssen betroffene Patienten länger und aufwändiger stationär behandelt werden. Daraus resultieren Zusatzkosten von 4000 bis 20 000 Euro je Patient – und somit mehreren Milliarden Euro für das Gesundheitssystem.

Viele Infektionen sind vermeidbar

Gefährliche Krankenhauskeime sind jedoch kein unabwendbares Übel. Im Gegenteil: Wie die NIDEP-Studie II zeigt, ist mindestens ein Viertel aller nosokomialen Infektionen vermeidbar – durch konsequentes Umsetzen umfassender Hygienerichtlinien. Regelmäßiges und effektives Desinfizieren der Hände des medizinischen Personals ist immer noch eine der wirkungsvollsten Maßnahmen, ebenso das sterile Aufbereiten medizinischer Instrumente. Doch ein umfassendes Hygienekonzept muss auch das Reinigen und Desinfizieren von patientennahen und -fernen Flächen beinhalten. Aufgrund häufigen Hand- und Hautkontakts sind diese oft kontaminiert. Untersuchungen haben gezeigt, dass Krankheitserreger wie E. coli, Salmonellen, Klebsiellen sowie Staphylococcus aureus von unbelebten Flächen auf die Hände der Patienten oder des Personals gelangen und sich von hier weiter verbreiten.

Beispiele für solche unbelebten Flächen in Patientennähe sind Regalsysteme, Nachttische, Lampen oder auch medizinisch-technische Systeme wie Medical-PCs. Letztere verdienen unter Hygiene-Gesichtspunkten besondere Aufmerksamkeit. Denn sie werden überwiegend dort verwendet, wo das Risiko durch Infektionen für die Patienten am größten ist: im OP und auf der Intensivstation.

Hier dienen die Geräte beispielsweise der Visualisierung bei bildgebenden Verfahren oder invasiven Eingriffen sowie dem Vitaldaten-Monitoring. Wie Hochrechnungen zeigen, ist alleine auf deutschen Intensivstationen von knapp 58 000 Neu-Infektionen jährlich auszugehen. Patienten auf diesen Stationen haben ein rund dreimal so hohes Risiko, an einer nosokomialen Infektion zu versterben.

Hygienisches Systemdesign für Medical-PCs

Dieser Umstand wirft die Frage auf: Wie müssen Medical-PCs konstruiert sein, damit sie einen Beitrag zu bestmöglicher Hygiene leisten können? Ein wichtiger Gesichtspunkt ist das Systemdesign, also die Beschaffenheit des PC-Gehäuses und seiner Oberflächen. Diese sollten sich mühelos und komplett reinigen und desinfizieren lassen, um das Ansiedeln und Übertragen von Erregern zu verhindern.

Bild 1: Nahtlos: Ein rundherum geschlossenes Gehäuse ermöglicht das problemlose Reinigen und Desinfizieren.
Bild 1: Nahtlos: Ein rundherum geschlossenes Gehäuse ermöglicht das problemlose Reinigen und Desinfizieren.
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Bild 2: Herkömmliches PC-Gehäuse: Schmutz und Keime können sich leicht an Lüftungsschlitzen ansammeln.
Bild 2: Herkömmliches PC-Gehäuse: Schmutz und Keime können sich leicht an Lüftungsschlitzen ansammeln.
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Grundanforderung ist ein passives, lüfterloses Kühlkonzept, das ein komplett geschlossenen und fugenlosen Gehäuses ermöglicht (Bild 1). Als Material bietet sich satinierter Edelstahl mit Rautiefen unter 0,8 µm an. Alternativ eignen sich einfache Stähle oder Aluminium, die mit einer hygienischen Schutzlackierung überzogen sind. Darüber hinaus sollten die Gehäuse der PC-Systeme über den Schutzgrad IP65 verfügen. Dadurch wird das Eindringen von Flüssigkeiten verhindert und ausgeschlossen, dass die Technik beim Reinigungsprozess Schaden nimmt.
Bei konventioneller Computertechnik verhindern eine oft ungeeignete Oberflächengestaltung und die verwendete Kühltechnik mit Lüftern und Lüftungsschlitzen das gründliche Reinigen und Desinfizieren der Systeme. Ein weiteres Problem von aktiven Lüftern: An den Lüftungsschlitzen der PCs sammelt sich Staub – ein guter Nährboden für Krankheitserreger (Bild 2). Die aktive Lüftung wiederum verteilt den Staub – etwa beim Hochfahren des PCs – dann weitflächig im Raum.

Keimarmes Bedienkonzept gefordert

Bild 3: Keimoase: Tastaturen sind Ausgangspunkte von Kreuzkontaminationen.
Bild 3: Keimoase: Tastaturen sind Ausgangspunkte von Kreuzkontaminationen.
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Aber nicht nur das Gehäuse von Medical-PC spielt unter Hygiene-Gesichtspunkten eine wichtige Rolle. Auch das Bedienkonzept der Systeme sollte hohen Hygieneansprüchen genügen. Schließlich sind die Eingabemedien die Oberflächen des Geräts, die am häufigsten berührt werden. Und der direkte Kontakt ist der häufigste Übertragungsweg von Keimen. Medizinisches Personal hat auf einer normalen Krankenstation pro Schicht etwa 40 Kontakte mit verschiedenen Patienten, auf der Intensivstation sind es sogar bis zu 100 Kontakte. Ohne Zweifel bergen häufig berührte Flächen wie Computer-Tastaturen ein großes Potenzial, Ausgangspunkt für Kreuzkontaminationen zu sein (Bild 3).

Untersuchungen haben gezeigt, dass sich Computer-Tastaturen in Krankenhäusern schnell in wahre Keimoasen verwandeln. Appelle zur routinemäßigen Händedesinfektion reichen alleine offenbar nicht aus, dies zu verhindern. Laut einer Studie von 2006 waren alle untersuchten PC-Tastaturen aus patientennahen Bereichen von Keimen befallen – einige sogar mit pathogenen Erregern wie Staphylococcus aureus.

Das regelmäßige und vor allem gründliche Reinigen und Desinfizieren der Tastaturen ist also besonders wichtig. Zumal manche Keime monatelang auf eigentlich unwirtlichen Oberflächen wie Stoff, Plastik oder Metallen überleben und infektiös bleiben können. Allerdings erschwert die zerfurchte Oberflächenstruktur gewöhnlicher Tastaturen die Reinigung erheblich. Am besten wäre in hygienesensiblen Bereichen ein Verzicht auf diese Eingabemedien – und stattdessen eine Bedienung per Touchscreen zu ermöglichen. Die glatten Oberflächen dieser berührungsempfindlichen Eingabemedien sind problemlos zu säubern. Außerdem ermöglichen Touchscreens eine intuitive und vielseitige Bedienung der Systeme.

Berührungsempfindliche Bildschirme basieren heute nahezu ausschließlich auf kapazitiver oder resistiver Technik. Bei resistiven Bildschirmen besteht die oberste Schicht des Displays aus einer Folie, bei kapazitiven aus Glas. Dadurch sind diese Touchscreens deutlich robuster gegenüber mechanischer Beanspruchung und auch widerstandsfähiger gegenüber aggressiven Chemikalien wie Desinfektions- und Reinigungsmitteln. Ein weiterer wichtiger Aspekt für die Tauglichkeit von Touchscreens im Gesundheitsbereich: Nicht alle lassen sich mit Schutzhandschuhen bedienen. Darauf sollte bei der Auswahl eines Medical-PCs geachtet werden.

Adlink Technology verfügt über umfassende Expertise auf dem Gebiet der Medical-PCs und liefert OEM-Partnern Produkte mit kundenspezifischen Konfigurationen sowie mit passenden Touchscreens. Auch Varianten mit Framegrabber sind erhältlich. Damit lassen sich beispielsweise während einer Operation Videos über Endoskope, Mikroskope oder OP-Kameras mitschneiden. Ideal, um diese für die Ferndiagnostik, die Patientenakte oder spätere Schulungen, Ausbildungen und Konsultationen bereitzustellen.

Die Produkte sind weitreichend individualisierbar, zum Beispiel über den Prozessor, Gehäusefarbe, Logo, frontseitige Keypads und weitere individuelle Bedienelemente. Auch das aus Aluminium gegossene, IP65-geschützte Systemgehäuse kann bei Bedarf an Kundenwünsche angepasst werden, zum Beispiel über das Design der Frontscheibe.

Anbindung an Medical-IoT-Applikationen

Für Medial-IoT-Applikationen können die Systeme an OEM- und Betreiber-Clouds angebunden werden. Hierzu arbeitet Adlink aktuell an der Integration der Systeme in die SEMA Cloud Technology. Adlink wird dafür den integrierten Boardmanagement-Controller seiner Medical-PCs nutzen. OEMs haben so optional schon alle Funktionen für die Cloud-Anbindung Off-the-Shelf integriert. Nutzen OEMs diese Funktionen, wird keine zusätzliche Hardware in Form von dedizierten Gateways erforderlich sein.

Die Grundlagen für innovative Betreibermodelle wie Pay-per-Use und funktionsbasierte Lizenzierung sind also bereits vorhanden. Mit wenigen Klicks lassen sich zudem auch Vitaldaten der Systeme auslesen, um bedarfsgerechte Wartungs-Services zu installieren, die vom System selbst angestoßen werden. Hierzu zählen zum Beispiel die Anzahl der Betriebsstunden und Boot-Vorgänge sowie Prozessor- und Board-Temperaturen. Da Krankenhaus- und Reha-Zentren sowie Arztpraxen auch Standardausführung dieser Systeme beziehen können, kann Adlink auch 24/7-Services für Kundeninstallationen bereitstellen.

High-Performance Medical PCs

Adlink neuster medizintechnischer All-in-One-Panel-Computer ist der »MLC 5« auf Basis des Intel Core-i7-Prozessors der 5. Generation. Er bietet eine Bildschirmdiagonale von 21,5 oder 23,8 Zoll (546 mm oder 605 mm) mit optisch gebondetem Multi-Touch-Touchscreen aus entspiegeltem Sicherheitsglas für hochauflösende Darstellungen bis Ultra-HD/4K beim 23,8-Zoll-System. Die Funktionstasten in der Frontblende für Komfortfunktionen sind beleuchtet, was die Bedienung in abgedunkelten Räumen erleichtert.

Das läuferlose System ist komplett IP65-versiegelt und in Aluminium gefertigt. Es lässt sich leicht reinigen und desinfizieren und erleichtert das Einhalten der Hygienestandards. Vielseitige Ein- und Ausgänge einschließlich optional galvanisch-isolierter Schnittstellen ermöglichen vielfältigste Applikationen. Mit optionaler Framegrabber-Erweiterung eignet sich der MLC 5 für das Aufzeichnen von Daten aus Videoquellen und bildgebenden Verfahren. Der MLC 5 kann zwei dieser Monitore ansteuern.

Durch den Gebrauch derartiger, auf die Anforderungen in medizinischen Einrichtungen abgestimmten Medical-PCs anstelle von herkömmlicher PC-Technik lassen sich anspruchsvolle Hygienevorschriften leichter durchsetzen. Für Patienten sinkt damit ganz konkret die Bedrohung, sich mit gefährlichen multiresistenten Keimen anzustecken.

Über den Autor: 

Stefan Nebel ist Product Manager Medical bei Adlink Technology.

PCs in der Medizin

Moderne Computertechnik revolutioniert seit Jahren die Medizin. PCs und Medizinprodukte verschmelzen technisch und funktionell immer weiter. Daher finden sich PCs oder PC-gestützte Systeme heute in praktisch allen medizinischen Bereichen, etwa in der Diagnostik, Behandlung und Therapie.

Damit Computer im medizinischen, patientennahen Umfeld eingesetzt werden dürfen, müssen sie wichtige Rahmenbedingungen erfüllen. Als Medical-PCs gelten Computer, die nach den Vorgaben der DIN EN 60601-1 für elektrische Sicherheit entwickelt und gefertigt wurden. Sie müssen definierte Kriterien erfüllen, zum Beispiel in Bezug auf Ableitströme, Luft- und Kriechstrecken, Isolation zwischen Ein- und Ausgang, Erdung, Potenzialausgleich und mehr. Darüber hinaus müssen auch Medical-PCs die an herkömmliche PCs gestellten Anforderungen erfüllen, wie sie in der DIN EN 60950 für netz- oder batteriebetriebene Einrichtungen der Informationstechnik bis 600 V Betriebsspannung definiert sind.

Ist der PC Teil eines Medizinproduktes, sind die an ihn gestellten Kriterien noch viel strenger. Denn dann gilt er nach § 10 Medizinproduktegesetz (MPG) Abs. 2 als Teil eines Systems, das aus Medizinprodukten und Nichtmedizinprodukten zusammengesetzt ist. Der Hersteller muss zum Beispiel in der Produkt- oder Schnittstellenbeschreibung auf die Kombination mit dem PC hinweisen. Darüber hinaus muss er dem Rechner eine medizinische Zweckbestimmung nach § 3 Abs. 10 MPG zuweisen und ihn in eine der vier Risikoklassen nach Anhang IX (Klassifizierungskriterien) der Richtlinie MDD eingruppieren beziehungsweise klassifizieren. Das Gerät muss die im Anhang I der Richtlinie 93/42/EWG definierten grundlegenden Anforderungen erfüllen und mit dem CE-Zeichen versehen sein. Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Rückwirkungsfreiheit: Der Computer darf auf keinen Fall die Funktion des angeschlossenen Medizinproduktes beeinflussen, etwa bei einem Stromausfall, Defekt und/oder einem System- oder Programmabsturz.

 


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