HMI & Hygiene

Der richtige Touch

28. März 2019, 16:00 Uhr | Klaus Wammes (Wammes & Partner)
Arzt mit Tablet (Symbolbild)
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Touch-Displays für medizinische Anwendungen müssen strenge Regeln respektive Auflagen befolgen. Denn wo viele Finger das Display berühren, sind die Chancen auf Keimübertragung um ein Vielfaches höher. Das zu verhindern, ist ein durchaus erstrebenswertes Ziel nicht nur für Krankenhäuser.

Touch-Displays sind in den unterschiedlichen Branchen ganz eigenen Einflüssen ausgesetzt: Staub, Wasser und Dreck, der bei herstellenden Prozessen entsteht, kann unter anderem das Display zerkratzen beziehungsweise völlig unbrauchbar machen. Gelangt zum Beispiel Feuchtigkeit in ein Display oder Touchscreen, kann sie sich durch den Kapillareffekt ausbreiten – auch bei unbeweglichen, fest installierten Anzeigen wie der eines Fahrkartenautomaten. Typischerweise bilden sich dann am Rand der Display-Komponenten und -Bauteile kleine Tröpfchen. »Sterbenden« Touchscreens, die unter anderem an einem Golden-Layer-­Effekt erkennbar sind, gibt der Kapillareffekt bei kondensierender Feuchte den Rest. In jedem Fall aber kann unbemerkte Nässe Kurzschlüsse verursachen oder alkalisch beziehungsweise sauer werden, wodurch es zu Korrosionen und Veränderungen der Leitfähigkeit kommen kann. Entstehen Korrosionen an Halbleitern oder der Platinen, kann das Display meist nicht mehr gerettet beziehungsweise dekontaminiert werden. 

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Feuchtigkeit ist zudem der ideale Nährboden für Pilze. Schimmel entsteht dann, wenn Sporen aus der Umgebungsluft in undichte Displays eindringen und auf Mini-Feuchtbiotope oder temperaturbedingter Kondensation treffen. Das entstandene Problem ist zeitkritisch: Je länger der Schimmel unentdeckt bleibt, desto mehr kann er sich ausbreiten und desto größer ist die Kontamination der Anzeige durch die ätzenden Ausscheidungen der Pilze.

In der Regel ist eine Kontamination nicht sortenrein: Feuchtigkeit kommt oft mit Schimmel, Schädlinge oft mit Dreck. Gleichzeitig muss die Art der Verunreinigung gründlich untersucht werden. Nur so kann ermittelt werden, ob und wie das Display beziehungsweise das gesamte Gerät dekontaminiert werden kann. Die Maßnahmen reichen dabei vom einfachen Staubwegwischen über Austrocknung der Feuchtigkeit bis zum Ersatz des Displays beziehungsweise einzelner Komponenten.

Bakterienschleuder Smartphone

Durchschnittlich tippen wir über 2500 Mal pro Tag auf unser Smartphone. Und jedes Mal übertragen wir Keime, Bakterien und andere Erreger auf die Oberfläche. Neben dem sichtbaren Schleier sammelt sich ein dichter Bakterienfilm auf dem Display an. Meist handelt es sich um Bakterien von Haut und Mund. Denn während wir telefonieren, können Bakterien aus der Lunge oder Keime aus Lebens­mittel- oder Kosmetikresten auf das Gerät gelangen. Aber auch unsere Hände können Erreger übertragen. Eine regelmäßige Pflege ist daher extrem wichtig. 

Etwa 100 Bakterienarten auf dem Screen

Laut TÜV reinigt nur jeder vierte Deutsche die Oberfläche seines Smartphones bewusst und intensiv. Dabei tummeln sich durchschnittlich etwa 100 verschiedene Bakterienarten auf einem Smartphone. Aber kein Grund zur Panik. Meistens handelt es sich um Bakterien, die beim Menschen in Mund, Haut und Darm ganz natürlich sind. Wenn das Immunsystem intakt ist, ist die Gefahr, krank zu werden, auch eher gering.

Etwas größer ist sie in der Erkältungszeit. Gerade dann ist es wichtig, das Handy-Display regelmäßig zu säubern. Wer erst die Nase putzt und dann die nächste Nachricht verschickt, muss sich über Erkältungsviren auf dem Display nicht wundern. Da sich in der Erkältungszeit Erreger auch über Türklinken, Haltegriffe in der Straßenbahn und ähnliche Herde verbreiten, landen sie unweigerlich auf dem Touchscreen.

Handy-Hygiene in Krankenhäusern oft vernachlässigt

Ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht generell auch in Krankenhäusern, weil einerseits das Immunsystem der Patienten angegriffen ist, und andererseits wesentlich mehr Erreger auf engem Raum vorkommen als in einer normalen häuslichen Umgebung. Darum ist es wichtig, während eines Krankenhaus-Aufenthalts nicht nur seine Hände zu waschen, sondern auch regelmäßig sein Smartphone zu säubern.

Techniker Krankenkasse 
www.tk.de

 

Viele Finger – vermehrte Keime 

Angepasste funktionale Beschichtungen haben daher unbestritten ihre Daseinsberechtigung. Sie machen Displays nicht nur robuster und weniger Anfällig gegen äußere Einflüsse und Vandalismus. Unter Umständen schützen sie auch gegen Krankheiten. Zum Beispiel in der Medizin, wenn viele Finger auf demselben Gerät herumdoktern. Die größte Herausforderung für Displays im medizinischen Bereich ist jedoch chemischer Natur: Alles, was in diesem Umfeld eingesetzt wird, muss zwangsläufig regelmäßig desinfiziert werden. Im Wesentlichen geht es dabei zwar um die Interaktion mit Geräten, jedoch nicht speziell um den Kontakt mit Fingern, sondern jenem mit Reinigungschemikalien. Medizinisch genutzte Geräte im Allgemeinen und Displays im Speziellen müssen mehrfach am Tag gereinigt und desinfiziert werden, um beim Umgang mit Patienten so steril wie möglich zu sein. Auf sie wirkt folglich ein deutlich höherer chemischer Einfluss, im Gegensatz zu Commodity-Geräten wie Tablets oder Handys zum Beispiel. Da sie dabei nicht wie Skalpelle oder andere Utensilien in einer großen Box thermisch steril gemacht werden können, werden besondere Reinigungsmittel verwendet.

Diese enthalten in irgendeiner Form Aromate oder Lösungsmittel, die Bakterien und Viren beseitigen sollen. Sie wirken jedoch nicht nur auf diese Bakterien und Viren, sondern auch auf das ganze Gerät inklusive dessen Dichtungen, Oberflächenbeschichtungen, dem Lack und vielem mehr. Hersteller von Displays in medizinischer Anwendung versuchen dann diese Angriffe durch Design, Material oder Konstruktion abzufangen.

Viele Schwachstellen 

Das Design ist daher so ausgelegt, dass von vornherein Ecken und Kanten oder überflüssige Öffnungen vermieden werden, damit sich in ihnen kein Schmutz sammeln beziehungsweise nicht irgendwelche Mittelchen eindringen können. Aber: Auch eine möglichst groß designte Glasfläche, die sich über das gesamte Gerät erstreckt, hilft nur oberflächlich, das Eindringen des Putzmittels zu verhindern. Irgendwo muss das Glas auf dem Rest des Gehäuses befestigt sein – und dieser Bereich ist kritisch. Analoges gilt für etwaige Anschlüsse respektive Ausgänge des Gerätes. Die Öffnungen von Lautsprecher, Mikro oder USB-Anschlüssen sind prädes­tinierte Schwachstellen. Oft genug kommen zudem antiseptische, Antireflektions- oder eine Anti-Fingerprint-Beschichtungen zu der allgemeinen Beschichtung an der Oberfläche des Touch-Glases hinzu. Diese sind dann allerdings auch die erste Angriffsfläche für Reinigungsmittel, die auf das Glas geschmiert werden. 

Die Qual der Wahl

Damit entsteht auf der einen Seite die Notwendigkeit, Displays häufig zu Reinigen. Auf der anderen Seite muss die Oberflächenbeschaffenheit inklusive Dichtungen und Öffnungen geschont werden, damit sie nicht durch Reinigungsmittel zerstört wird. Seien also schmutzige Finger, seien es Viren oder Bakterien: Die Reagenzien, mit denen die Oberfläche wieder sauber gemacht beziehungsweise desinfiziert werden soll, müssen mit den im Display verwendeten Material soweit verträglich sein, dass sich dessen Oberflächenbeschaffenheit nicht verändert. Auch Beschichtungen, Aufbau und Design müssen so robust sein, dass sie sich nicht angreifen lassen.

Es ist nicht von Nutzen, wenn das Display zwar desinfiziert, dafür aber schlierig, weißlich oder gelblich ist oder Teile des Lichts an verschiedenen Stellen fleckig oder als Regenbogen erscheinen. Letzteres kann sogar zu Fehlinterpretationen führen: Gegebenenfalls ist der weiße Fleck auf einem Röntgenbild tatsächlich nur ein weißer Fleck auf dem Display – und nichts Schlimmeres.

Desinfektion von Tastaturen 

Die Ausstattung mit Computern, insbesondere mit PCs und Notebooks, hat in den vergangenen Jahren in Krankenhäusern, anderen stationären Einrichtungen, aber auch in der ambulanten Versorgung rasant zugenommen. Ob die Geräte unter das Medizinproduktegesetz und andere Vorschriften des Medizinprodukterechts fallen, hängt davon ab, ob sie als Medizinprodukte in den Verkehr gebracht wurden. Das heißt, der Hersteller legt mit der Zweckbestimmung des PC oder Notebooks fest, ob es sich bei diesem Computer um ein Medizinprodukt handelt.

Computertastaturen stellen im weitesten Sinne einen Sonderfall unter den schwierig zu reinigenden/desinfizierenden Handkontaktflächen dar. Gerade in Risikobereichen müssen patientennahe Flächen und Flächen mit häufigem Handkontakt desinfiziert werden können; dies muss auch im Hygieneplan berücksichtigt werden. Die Möglichkeit der Kontamination der unbelebten Umgebung durch die Hände des Pflegepersonals ist gegeben und wird organisatorisch beziehungsweise durch konsequente Einhaltung der Händedesinfektion/Händehygiene bei der Pflege am Patienten berücksichtigt.

In Anlehnung an diese Empfehlung ist es sinnvoll, zunächst eine Risikobewertung vorzunehmen, inwieweit Computertastaturen (Keyboards) ein Vektor für die Weiterverbreitung von nosokomialen Erregern sein können. Danach das geeignete Des­infektionsmittel in Absprache mit dem Hersteller des Gerätes zu definieren und im Hygieneplan den notwendigen Umfang von Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen festzulegen.

Die sachgerechte Umsetzung dieser allgemeinen Maßnahmen der Krankenhaus­hygiene obliegt den Leitern der jeweiligen Einrichtungen beziehungsweise des von diesen damit beauftragten Hygienefachpersonals sowie dem Personal. Herkömmliche Tastaturen sind ob ihres komplizierten Aufbaus in der Regel nicht zu desinfizieren. Es muss rasch mit Defekten gerechnet werden. Um dort glatte, flüssigkeitsdichte Flächen mit der Möglichkeit der Desinfektion anzubieten, sind Hersteller bereits tätig geworden. Es kann also hier nur empfohlen werden, Geräte mit einer entsprechenden Konstruktion anzuschaffen.

Robert Koch-Institut 
www.rki.de

 

Typischerweise ist genau dies das Problem. Häufige Schwachstellen sind die Dichtungsbereiche und die Dichtungsmaterialien. Hier dringen die Reinigungsmittel am leichtesten ein oder werden sogar in eigentlich guter Absicht mit einem Bürstchen extra einmassiert – und verändern die Materialien chemisch. Diese werden bröselig, klebrig, hart oder fangen an zu schmieren, die Oberflächenbeschichtung wird stumpf oder bildet bunte Schlieren.

Zu viel des Guten?

Gerade aber die Idee hinter einer Touch-Oberfläche bewirkt, dass Displays häufig berührt werden (müssen). Damit steigen natürlich die Frequenz der Reinigung der Flächen und gleichzeitig das Risiko negativer Auswirkungen auf die Materialien. Denn wenn Reinigungsmittel in den Innenbereich der Geräte gelangen, entstehen Schäden durch Feuchtigkeit und Kondensat. Bakterien können dann noch leichter in den Innenbereich eindringen und sich von dort aus wieder zurück auf der Oberfläche verbreiten. Besonders für den medizinischen Einsatz ist das häufig kritisch.

*Aufmacherbild: Designed by Creativeart/Freepik

Zuerst gesehen
Dieser Beitrag stammt aus der Medizin+elektronik Nr. 1 vom 04.02.2019. Hier geht’s zur vollständigen Ausgabe.

 


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