Hygienegerechte Computernutzung

Elektronische Keimherde im Krankenhaus

30. August 2018, 17:00 Uhr | Carsten Schmid (Kauko)
Praktisch, aber auch ein guter Nährboden für Keime: Mit der zunehmenden Digitalisierung muss auch die Hygiene im Krankenhaus neu gedacht werden.
© zeremskimilan/fotolia

Multiresistente Keime stellen eine zunehmende Bedrohung von Krankenhauspatienten und -personal dar. Mangelnde Hygiene sowie der vermehrte Einsatz von Computern führen zur massenhaften Ausbreitung. Maßnahmen sind nicht nur aus medizinscher Sicht nötig, sondern auch unter wirtschaftlichen Aspekten.

Ein weltweites Problem sind im Krankenhaus erworbene Infektionen (nosokomialen Infektionen) geworden. In Europa erkranken laut einer Studie des Europäischen Zentrums für Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) jährlich 2,6 Mio Patienten und 91.000 sterben in der Folge – Tendenz steigend. Besorgniserregend ist die Ausbreitung multiresistenter Keime. Die häufigsten nosokomialen Erkrankungen sind Harnwegs-, Atemwegs-, postoperative Wundinfektionen, Blutvergiftungen (Sepsis) und Infektionen des Magen-Darm-Trakts. Patienten infizieren sich häufig bei Operationen mit großen Wunden. Denn dort haben die Erreger besonders leichtes Spiel – aber bereits bei der Aufnahme ins Krankenhaus infizieren sich vermutlich schon fünf Prozent.

Einen speziellen Faktor in der Übertragung von Krankenhausinfektionen stellen Computer dar. Insbesondere die Tastaturen herkömmlicher Computer weisen viele vertikale und horizontale Flächen sowie nicht erreichbare Schlitze auf. Aus hygienischer Sicht gilt die Forderung, dass in Risikobereichen patientennahe Flächen und Flächen mit häufigem Handkontakt desinfizierbar sein müssen, besonders für IT-Komponenten und -Systeme. Dabei reicht es nicht aus, nur die Vorschriften der Händehygiene einzuhalten: Die Kontaktflächen müssen ebenfalls desinfiziert werden. Aber nicht nur Computertastaturen und Eingabegeräte wie PC-Mäuse stellen ein Hygienerisiko dar. Auch die Systeme und Monitore sind hygienisch relevant. Herkömmliche Computer weisen neben Spalten, Ritzen und offenen Verschraubungen Lüftersysteme auf. Hier werden neben Staub auch Mikroorganismen angesaugt und akkumuliert. Durch ihre Fähigkeit, lange Zeit auf trockenen Oberflächen keimfähig zu überleben, können so Infektionerreger angereichert und in großer Zahl in die Umgebung freigesetzt werden. Handelt es sich bei dieser Umgebung um sensible Bereiche wie einen Operationssaal, eine Intensivstation, eine onkologische Station oder eine Sterilisa­tionsabteilung, muss dies als höchst riskant angesehen werden.

Neue Risiken durch Digitalisierung 

Im Zuge der Digitalisierung in den Krankenhäusern verschärft sich die Situation zusätzlich durch massenhafte mobile Endgeräte. Krankenhausärzte versprechen sich von der zunehmenden Digitalisierung ihres Arbeitsplatzes viel: einen Zuwachs an Qualität in den Arbeitsprozessen, schnellere Abläufe und weniger Aufwand. Dies geht aus einer bundesweiten Umfrage unter rund 1800 Ärztinnen und Ärzten hervor, die der Marburger Bund im Herbst 2017 durchgeführt hat. Demzufolge sind schon heute 46 Prozent der Befragten überzeugt, dass die Digitalisierung die medizinische Qualität ihrer Arbeit verbessert, und 40 Prozent glauben, dass die Digitalisierung die eigene Arbeit vereinfacht.

Mit Blick auf den Pflegenotstand ist vor allem die Entlastung der Ärzte und Pflegekräfte von administrativen Prozessen und sich wiederholenden Abläufen ein wichtiges Ziel der Digitalisierung. Am Universitätsklinikum in Essen wird künstliche Intelligenz vor allem in der Radiologie und der Pathologie genutzt, etwa um Krankheitssymptome abzuklären. Die kognitiven Computersysteme ermöglichen es zudem, auf internationale Datenbanken zuzugreifen, Chancen und Risiken von Behandlungen zu vergleichen und Therapiekonzepte auf den jeweiligen Patienten bezogen umzusetzen. Die Möglichkeit, Abläufe zu beschleunigen könnte in Zukunft zu einer spürbaren Verkürzung der Wartezeiten führen. Dementsprechend hat in den letzten Jahren die Ausstattung mit Computern, insbesondere mit PC und Notebook sowie Tablet-PCs und medizinischen Applikationen (Apps), in Krankenhäusern und anderen medizinischen Umgebungen rasant zugenommen. Beispiele für Apps sind die mobile Visite mit Datenerfassung am Krankenbett, der Zugriff auf Daten aus dem Krankenhausinformationssystem, das Diktieren von Arztbriefen mit digitaler Spracherkennung, Auftragserteilung, Dokumentation, automatisierte Auswertung von Vitalparametern oder Patienteninformationen.

Doch die effektive hygienische Reinigung der Geräte kann nur mit flüssigen Desinfektionsmitteln wie Alkoholen erfolgen. Und diese sind laut Garantie­bedingungen der Hersteller bei herkömmlichen Computern ausgeschlossen. Der mechanische Schutz von Tablets und PCs durch Gerätefolien, zum Beispiel aus Polyurethan und anderen Kunststoffen als Schalen oder Taschen, ist meist ungenügend, da in den seltensten Fällen das Gerät vollständig wasserdicht umschlossen wird. Ferner bilden solche Teilkombina­tionen zusätzliche Nischen, an denen sich Schmutz sammeln und feuchte Kammern entwickeln können, die Brutstätten für Erreger bilden. Alternative Desinfektionsmethoden, etwa mit Plasma-Desinfektion und UV-Licht sind theoretisch denkbar. Bei ersterer ist jedoch eine Affektion der Elektronik auch nicht sicher auszuschließen und bei letzterer die Effizienz als fraglich zu bewerten. Für Mitarbeiter im Krankenhaus scheiden beide Maßnahmen aus Gründen der Praktikabilität ohnehin aus. Das Robert-Koch-Institut (RKI) empfiehlt daher neben anderen Hygienemaßnahmen die Verwendung spezieller medizinischer Computer ohne Gebläse und mit speziellen leicht und effektiv zu reinigenden Oberflächen und Tastaturen.

Übertragung durch den Menschen 

Der wichtigste Überträger der Keime ist der Mensch und dort wesentlich seine Hand. Durch Berührung findet eine Übertragung auf den Patienten oder auch einen anderen Krankenhausmitarbeiter statt, der dann ebenfalls Personen infizieren kann. So wird eine Kaskade in Gang gebracht, die nach kurzer Zeit zur massenhaften Verbreitung der Erreger führt. Aber auch die unbelebte Umwelt ist nicht frei von Mikroorganismen. Oberflächen in Krankenhäusern dienen vielen Bakterien als Depot, von dem aus sie auf andere Areale übertragen werden. Auf diesen Oberflächen können Bakterien lange Zeit überleben. Grampositive Erreger (z.B. auch MRSA) können mehrere Wochen persistieren, selbst gramnegative Stäbchen überleben längere Zeit (z. B. Adnetobacter spp.) und Sporen sind fast unbegrenzt persistent.

Eine wichtige und einfache Maßnahme zur Vermeidung von Krankenhausinfek­tionen stellt die ausreichende Desinfektion der Hände dar. Doch es genügt nicht, Desinfektionsmittelspender aufzustellen und die Reinigungskräfte zu überwachen. Krankenhaushygiene ist komplexer. In fortwährenden Schulungen der Mitarbeiter muss das Problembewusstsein gefördert werden. Infektionsdaten müssen gesammelt und ausgewertet werden. Auch die Überprüfung von technischem Equipment wie Reinigungs- und Desinfektionsgeräte und Klimaanlagen sowie die Begleitung von Baumaßnahmen gehört zu den Aufgaben der Hygieniker. Doch weder die Zeit noch die finanziellen Ressourcen sind im Krankenhausalltag in ausreichendem Maß vorhanden.

Ein Hauptrisikofaktor für Probleme in der Krankenhaushygiene ist die Personalknappheit. Wo Stationen unterbesetzt und Pflegekräfte im Stress sind, kommt es signifikant häufiger zu Hygienemängeln und Krankenhausinfektionen. Weiterhin fehlen sowohl Fachärzte für Hygiene und Umweltmedizin als auch Krankenhaushygieniker. Der hohe Kostendruck hat zudem dazu geführt, dass Reinigungsleistungen ausgelagert wurden. Nicht mehr eigens dazu angestellte Putzkräfte, sondern externe Dienstleister führen die Reinigung durch. In vielen Krankenhäusern wird nicht mehr täglich geputzt. Auch wird moniert, dass das Thema Hygiene in der Lehre und Weiterbildung zu wenig Raum einnimmt.

Einnahmeverluste durch Hygienemängel 

Neben dem unnötigen Leid der betroffenen Patienten stellen die Krankenhausinfektionen auch einen erheblichen wirtschaftlichen Faktor dar. Für deutsche Intensivpatienten wurde laut RKI berechnet, dass sich die Verweildauer auf der Intensivstation bei Auftreten von nosokomialen Infektionen um circa fünf Tage verlängert. Bei postoperativen Wundinfektionen wurden teilweise noch wesentlich längere zusätzliche Verweildauern von bis zu 14 Tagen ermittelt. Durchschnittlich geht man von einer Verlängerung der Verweildauer von circa vier Tagen aus. Dementsprechend resultieren aus Krankenhausinfektionen circa 2 Millionen zusätzliche Krankenhausverweiltage pro Jahr und hohe zusätzliche Kosten durch die dadurch entstehenden Einnahmeverluste.

Hygienemängel stellen zudem ein Haftungsrisiko dar. Wenn ein Hygienemangel in einem hygienisch beherrschbaren Bereich vorliegt, der die tatsächlich eingetretene Infektion verursachen konnte, und hierdurch ein Schaden entsteht, kann dies einen Anspruch des Patienten auf Schadensersatz begründen. Die Investition in eine verbesserte Hygiene ist daher auch unter wirtschaftlichen Aspekten äußerst sinnvoll. Darüber hinaus ist die Patientensicherheit auch ein erheblicher Imagefaktor. Das Thema wird von den Medien ausgiebig behandelt, einige Patienten fürchten sich bereits mehr vor den multiresistenten Keimen als vor einer notwendigen Operation. Krankenhäuser werben in ihren Quartalsberichten mit niedrigen Infektionsraten. Viele Infektionen sind meldepflichtig und werden statistisch erfasst und veröffentlicht.

Es existiert bereits eine Vielzahl von Maßnahmen zur Verbesserung der Hygienesituation in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen. Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) enthält eine Reihe von Bestimmungen, damit die Gesundheitsämter und die übrigen zuständigen Landesgesundheitsbehörden Maßnahmen treffen können, die die Bekämpfung nosokomialer Erreger unterstützen. Die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention vom Robert-Koch-Institut (KRINKO) erstellt Empfehlungen zur Prävention nosokomialer Infektionen sowie zu betrieblich-organisatorischen und baulich-funktionellen Maßnahmen der Hygiene in Krankenhäusern und anderen medizinischen Bereichen. Auch die deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie (DART 2020), die 2015 vom Bundeskabinett verabschiedet wurde, enthält Maßnahmen zur Infektionsprävention. Das Problem scheint eher darin zu liegen, dass die Empfehlungen nicht konsequent umgesetzt werden.


 

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