Analysetechnik

Automatisierte Pathologie

30. Juni 2016, 10:42 Uhr | Von Marcel Consée
© Fraunhofer IIS

In einem Krankenhaus fallen zahlreiche Proben zur weiteren Untersuchung im Labor an oder in der pathologischen Abteilung: Blutproben, Proben von Knochenmark oder Gewebe müssen mikroskopisch untersucht werden. In kleineren Laboren geschieht dies oft noch per Hand, doch Automatisierung ist möglich.

Es gibt sie bereits, automatisierte Mikroskopiesysteme, allerdings sind diese auf spezielle Untersuchungen ausgelegt und somit nicht für alle Fragestellungen universell anwendbar. Oder aber sie sind für hohen Durchsatz bemessen und mit ihren hohen Anschaffungskosten für kleinere und mittlere Labore unerschwinglich.

Die Mikroskopieplattform SCube ist eine modulare Lösung für die digitale Pathologie
Die Mikroskopieplattform SCube ist eine modulare Lösung für die digitale Pathologie
© Fraunhofer IIS/Kurt Fuchs

Das mikroskopische Scanning-System »SCube« füllt diese Lücke. Entwickelt wurde es am Fraunhofer IIS im Rahmen des BMBF-Projekts »LoCAMSSA«, das nun am Projektabschluss angekommen ist. Das Besondere: Das System ist ein Allrounder, der sowohl die hochauflösende Durchlicht-Mikroskopie mit Immersionsöl als auch die Fluoreszenz-Mikroskopie in sich vereint. »Mit unserem Scanning-System können Nutzer beispielsweise Blut, Knochenmark oder Gewebe automatisch scannen und untersuchen«, sagt Dr. Christian Münzenmayer, Gruppenleiter am Fraunhofer IIS. Zudem ist das System preisgünstig und mit einer Seitenlänge von etwa 40 Zentimetern auch noch sehr kompakt. Da es modular aufgebaut ist, lässt es sich passgenau auf die Bedürfnisse einzelner Labore zuschneiden.

Proben am rechten Fleck

Ein weißes Gehäuse verbirgt die komplexe Technik vor dem Nutzer. Durch eine Öffnung lassen sich Kassetten in das System einbringen, die jeweils bis zu zehn Objektträger mit Proben enthalten. Ein Greifarm im Inneren des Systems entnimmt jeweils einen Objektträger und befördert diesen in den Strahlengang zwischen Kondensor und Objektiv. Nun startet das System die mikroskopische Untersuchung, nimmt die einzelnen Bilder über eine integrierte Kamera auf, schiebt den Objektträger anschließend wieder in die Kassette und startet den Vorgang erneut mit dem nächsten Objektträger. Welche Untersuchungen das System für welche Probe durchführen soll, kann der Nutzer über eine entsprechende Software vorgeben. Mit einem Kassettenladesystem, das die Wissenschaftler momentan entwickeln, können bis zu 20 Kassetten automatisch in das System eingebracht werden – so kann der Scanner z. B. über Nacht durchlaufen.

Module machen flexibel

Da das System modular aufgebaut ist, können Anwender und Laborgerätehersteller es an ihre Anwendungen anpassen. »Ein Beispiel für ein solches Modul ist neben dem Kassettenladesystem ein Modul, das verschiedene Objektive beinhaltet und diese automatisch je nach Bedarf wechselt«, erläutert Dr. Malte Avenhaus, Projektleiter am Fraunhofer IIS. Ein anderes Modul hat zu Folge, dass auch die Fluoreszenz zu messen ist.

Dabei regt man die Probe von oben durch das Objektiv an und beobachtet das Fluoreszenzlicht, das von der Probe abgestrahlt wird. Eine weitere Besonderheit ist die automatische Zuführung von Immersionsöl. Tropft man dieses Öl auf den Objektträger mit der Probe, steigt die Auflösung – es lassen sich noch feinere Details erkennen. Bislang gibt es nur wenige Geräte, die dies automatisiert können. Diese sind jedoch nur für ganz spezielle Anwendungen geeignet. Eine webbasierte Plattform mit einem »Viewer« erlaubt es dem Anwender, sich die Bildergebnisse der einzelnen Proben zunächst als grobe Aufsicht anzusehen. Hat man etwas Auffälliges gefunden, kann man hineinzoomen und sich die Blut- oder Gewebezellen genauer anschauen.

Mehr Fluoreszenz

Viele Untersuchungen in der Mikrobiologie, Virologie, Immunologie und den Biowissenschaften erfordern eine fluoreszenzbasierte Auswertung von Zellen unter dem Mikroskop. Dabei kommen neben einer Durchlichtmodalität (z. B. der Phasenkontrast) oftmals mehrere Fluoreszenzkanäle zum Einsatz, die verschiedenste Zellstrukturen (Plasma, Kerne etc.) abbilden.

Die Auswertung und Interpretation solcher meist sehr umfangreichen Datensätze ist nach wie vor ein zeit- und arbeitsaufwendiger manueller Prozess. Mangelnde Reproduzierbarkeit durch subjektive und tagesformabhängige Bewertung können die Interpretation erschweren und die Aussagekraft von Ergebnissen verringern. Verfügbare Softwarepakete für eine rechnergestützte Fluoreszenzbildauswertung erfordern vielfach eine umfangreiche manuelle Parametrierung, eine Anpassung an neue Bildinhalte sowie einen hohen Einarbeitungsaufwand.

Multimodale Zellbilder auswerten

Das Fraunhofer IIS erforscht neue Verfahren zur Segmentierung und Analyse multimodaler Zellbilder. Ziel ist es, dass sich die Technik automatisch an neue Problemstellungen anpasst. Hierzu kann der Benutzer das System mit intuitiv bedienbaren Eingabegeräten (z. B. Maus, Touchscreen, Graphiktablett) auf neue Zellen und Modalitäten einstellen. Ein mathematisches Optimierungsverfahren ermittelt die idealen Parametereinstellungen und Verfahren automatisch. Aufwendige manuelle Parametereinstellungen oder gar Expertenwissen für die Bildverarbeitung sind daher nicht mehr erforderlich.

Pathologie
Die Pathologie beschäftigt sich mit krankhaften und abnormen Vorgängen und Zuständen im Körper sowie mit deren Ursachen. Die pathologische Diagnostik beruht in erster Linie auf der Beurteilung von Geweben anhand ihrer makroskopischen (pathologische Anatomie) und lichtmikroskopischen Aspekte (Histopathologie, Zytologie). Zunehmend werden biochemische und molekularbiologische Methoden eingesetzt, in der Forschung die Elektronenmikroskopie. Pathologen führen auch klinische Obduktionen durch. Die Untersuchung des Gewebes lebender Patienten (Biopsie) ist jedoch üblich.

 

LoCAMSSA – Scanningsystem für Weißlicht- und Epifluoreszenz-Mikroskopie

Automatisierte Bildverarbeitung für die Mikroskopie ist eine Schlüsseltechnologie für die Grundlagen- und angewandte Forschung sowie für Hochdurchsatzanwendungen in der pharmazeutischen Forschung und der digitalen Pathologie.

Die dafür erforderlichen automatisierten Scanningsysteme (auch bekannt unter dem Begriff »Slide Scanner«) sind relativ teuer und zeitlich und räumlich nicht immer verfügbar oder außerhalb des finanziell machbaren Rahmens vieler Forschungsgruppen.

Eine weitere Limitation dieser heute auf dem Markt existierenden Scanningsysteme ist, dass diese im Grunde in sich geschlossen sind, meist proprietär für bestimmte Anwendungen entwickelt wurden und keine Möglichkeit für die Entwicklung eigener spezifischer Applikationen bieten.

Um diese Lücke zu schließen, ist das primäre Ziel des BMBF-geförderten Projekts »LoCAMSSA« die Entwicklung eines automatisierten und preisgünstigen Scanningsystems für Weißlicht- und Epifluoreszenz-Mikroskopie.

Basierend auf digitalen Mikroskopie-Aufnahmen, die mit diesem preisgünstigen Scanningsystem aufgenommen werden können, sollen prototypische Applikationen in den Feldern der digitalen Pathologie, Mikrobiologie und Krebsforschung entwickelt werden.

Das Projekt ist Teil der Kooperation des Fraunhofer IIS mit der Bilkent-Universität, Ankara.

 


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