Mikroelektromechanische Systeme

Ultraschall erleichtert die Diagnose von Mittelohrentzündungen

19. September 2019, 17:00 Uhr | Fraunhofer IPMS
Die Diagnose von Mittelohrentzündungen bei Kleinkindern wird durch Ultraschall revolutioniert.
© Fraunhofer IPMS

Forschung| Mittelohrentzündungen lassen sich künftig schnell und zuverlässig erkennen – ein neuartiger Ultraschallwandler macht es möglich. Ein US-amerikanisches Unternehmen und das Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme arbeiten an der Entwicklung und Anwendung dieser Technologie.

Mittelohrentzündungen werden oftmals mit Antibiotika behandelt, insbesondere wenn Babys und Kleinkinder betroffen sind. Gegenwärtige Medizingeräte zur Diagnose der Krankheit sind Jahrzehnte alt, daher sind die Befunde subjektiv und ineffektiv. Die diagnostischen Fehlerraten betragen im Durchschnitt 50 Prozent, insbesondere bei der Unterscheidung zwischen bakteriellen und viralen Infektionen. Viele Kinder bekommen daher unnötigerweise Antibiotika verschrieben, was langfristig zu dem weltweit wachsenden Problem der Antibiotikaresistenz beiträgt.

Ein Ultraschallwandler des Fraunhofer-Instituts für Photonische Mikrosysteme IPMS könnte dieses Dilemma beheben: Die luftgekoppelte Ultraschalltechnologie ermöglicht eine präzise Diagnose von Mittelohrinfektionen, auch Otitis media genannt. Das amerikanische Unternehmen OtoNexus Medical Technologies nutzt die Technologie bereits in klinischen Studien, Kinderärzte und weitere praktizierende Mediziner werden diese zur Untersuchung des äußeren Gehörgangs verwenden können. Mit dem von OtoNexus entwickelten Otoskop lässt sich der Bereich hinter dem Trommelfell in Sekunden analysieren. So lässt sich feststellen, ob das Mittelohr Luft oder Flüssigkeit enthält. Diese kann charakterisiert werden – Kinderärzte sind infolgedessen in der Lage, zwischen verschiedenen Erkrankungsstadien zu unterscheiden, wodurch eine zielgerichtete Behandlung ermöglicht wird.

Echosignal informiert über Entzündungsgrade

»Das klassische Otoskop ist ein optisches System, das seit Jahrzehnten nicht weiterentwickelt wurde. Mit unserem integrierten Ultraschallwandler, der zugleich Sender und Empfänger ist, erhält das Gerät eine erweiterte Funktionalität«, sagt Dr. Sandro Koch, Wissenschaftler am Fraunhofer IPMS in Dresden. Der Wandler sendet Ultraschallimpulse aus und erfasst das Echo, das vom Trommelfell reflektiert wird. Der Arzt bekommt daraufhin ein Messergebnis, das ihm Informationen über den Entzündungsgrad liefert.

Das Wandlerdesign ist für den Betrieb an Luft optimiert: Zwei übereinander angeordnete Elektroden bilden einen elektrischen Kondensator, der Zwischenraum ist luftgefüllt. Eine der beiden Elektroden ist flexibel. »Diese nutzen wir als schwingendes Element, um die Ultraschallwellen zu senden. Das Echo trifft wiederum auf die flexible Membran, deren angeregte Vibration in detektierbare elektrische Signale umgewandelt wird«, so Koch. Eine eigens entwickelte Software des Industriepartners wertet das Echosignal aus. Erste klinische Studien stützen die Auswertung. Der Arzt kann auf Basis der Datenlage entscheiden, ob eine Mittelohrentzündung vorliegt.

Großserientauglich und miniaturisiert

Der Ultraschallwandler, ein sogenannter CMUT (capacitive micromachined ultrasonic transducer), basiert auf speziellen MEMS-Technologien, die auf Siliziumwafern gefertigt werden. Er zeichnet sich durch einen geringen Stromverbrauch aus und lässt sich kostengünstig in Großserie produzieren. »Im Gegensatz zu herkömmlichen Piezo-Ultraschallwandlern kann unser MEMS-Wandler sehr klein gebaut werden. Die Miniaturisierung ist ein großer Vorteil gegenüber den Piezokeramiken«, sagt Koch..

Die Anwendungsmöglichkeiten des MEMS-Wandlers beschränken sich nicht auf die Medizintechnik. Beispielsweise lässt sich der Ultraschallwandler zur Gestensteuerung in Smartphones oder Tablets verbauen oder zur Steuerung von Infotainmentsystemen im Fahrzeuginnenraum nutzen. In der Robotik kann er etwa zur Abstandsmessung eingesetzt werden. (me)

Der  CMUT-Chip nutzt Ultraschall für das Otoskop.
Der CMUT-Chip nutzt Ultraschall für das Otoskop.
© Fraunhofer IPMS

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