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Wie entsteht Schmerz?

14. Dezember 2018, 15:00 Uhr | Technische Universität München
Laura Tiemann bereitet zusammen mit Markus Ploner, Heisenberg-Professor für Human Pain Research an der TUM, eine Person für die EEG-Messung vor.
© TU München/K. Bauer

Schmerz ist ein negatives Gefühl, das wir schnell loswerden wollen. Um den Körper zu schützen, handeln wir, indem wir beispielsweise die Hand zurückziehen. Ein Team der TU München hat nun gezeigt, dass Wahrnehmung, Handlungsimpuls und Energiebereitstellung gleichzeitig im Gehirn entstehen.

Unter der Leitung von Markus Ploner, Heisenberg-Professor für Human Pain Research, haben sich Forscherinnen und Forscher der Klinik für Neurologie des TUM-Universitätsklinikums rechts der Isar angesehen, wie genau im Gehirn ein schmerzhaftes Ereignis verarbeitet wird. Sie konnten erstmals zeigen, dass das Gehirn auf einen Schmerzreiz mit mindestens drei unterschiedlichen Antworten reagiert – und dass diese gleichzeitig und nicht abhängig voneinander ablaufen. Die Ergebnisse könnten grundlegende Auswirkungen auf das Verständnis und die Behandlung von Schmerzpatientinnen und -patienten haben.

Schmerz besteht aus mindestens drei Faktoren: der Wahrnehmung, der Handlung – zum Beispiel dem Zurückziehen der Hand von einer heißen Herdplatte – und der Reaktion des autonomen Nervensystems, das die notwendige Energie für das Handeln bereitstellt. Über das autonome Nervensystem werden die lebenswichtigen Funktionen wie Herzschlag, Atmung, Verdauung und Stoffwechsel gesteuert.

Zusammenspiel aus Verhaltens- und EEG-Messungen

In ihren Versuchen setzten die Forscherinnen und Forscher Freiwillige kurzen, unterschiedlich starken Schmerzreizen auf dem Handrücken aus. Um die Schmerzwahrnehmung zu bestimmen, sollten die Personen die wahrgenommene Stärke des Reizes auf einer Skala bewerten. Die Handlungskomponente untersuchte das Team um Markus Ploner anhand der Reaktionszeit, die die Patienten benötigten, um ihre Finger als Antwort auf die Reize zurückzuziehen. Um auch die dritte Schmerzkomponente, die Reaktion des autonomen Nervensystems, zu bestimmen, maßen sie die Schweißproduktion in den Handinnenflächen.

Gleichzeitig wurde während des Versuchs die Hirnaktivität mit Hilfe der Elektroenzephalographie (EEG) registriert. Mit dieser Methode lässt sich sehr genau sichtbar machen, wann und wie Nervenzellen auf einen Schmerzreiz reagieren.

Schmerzkomponenten entstehen unabhängig voneinander

Für die Auswertung verwendeten Ploner und sein Team ein statistisches Verfahren, die sogenannte Mediationsanalyse. Dieses Verfahren ist in den Sozialwissenschaften inzwischen gut etabliert und wurde von ihnen erstmals auf EEG-Daten angewendet. So konnten sie herausfinden, welche Hirnantworten an der Umsetzung der drei Schmerzkomponenten beteiligt sind, und wann genau diese stattfinden.

Originalpublikation: Laura Tiemann, Vanessa D. Hohn, Son Ta Dinh, Elisabeth S. May, Moritz M. Nickel, Joachim Gross and Markus Ploner: Distinct patterns of brain activity mediate perceptual and motor and autonomic responses to noxious stimuli, Nature Communications, October 2018, DOI: 10.1038/s41467-018-06875-x (Open Access).
https://www.nature.com/articles/s41467-018-06875-x

 

(me)


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