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»Das neue Deutschland-Tempo für die Medizintechnik«

16. Mai 2023, 12:23 Uhr | Ute Häußler
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Die Medizintechnik muss sichtbarer werden - für den Nachwuchs, Innovationen und politisch zum Wohle des MedTech-Standorts Deutschland. Der BVMed hat einen neuen Markenauftritt, eine Branchen-Kampagne und einen 5-Punkte-Katalog mit Vorschlägen für politische Ansätze vorgestellt.

Zwar ist die Medizintechnik-Branche in Deutschland immer noch ein Aushängeschild mit hunderten Hidden Champions – dennoch sei der hiesige MedTech-Standort und insbesondere dessen Innovationskraft stark gefährdet. Dr. Meinrad Lugan fand direkt zu Beginn des BVMed-Pressegespräches deutliche Worte.

Der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands Medizintechnologie sorgt sich um die zumeist kleinen und mittelständischen Unternehmen (83 %), die, oft noch familiengeführt, auch ihre Forschung und Entwicklung im Land betreiben. Es geht immerhin um rund 250.000 Mitarbeiter, 13.000 Ausbildungsplätze und rund 15.000 eingereichte Patente – die jedes Jahr sprichwörtlich Leben retten.

Zwei Drittel aller in Deutschland hergestellten Medizinprodukte gehen in den Export, allein 38 Prozent des EU-Medtech-Marktes basieren auf »Made in Germany«. Deutschland ist Stand 2023 der zweitgrößte Medizintechnik-Standort der Welt – nach den USA, aber vor Japan und China. »Das muss verteidigt werden,« statuierte Lugan.   

Dr. Meinrad Lugan bei der BVMed-Jahrespressekonferenz
Dr. Meinrad Lugan
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Die Herausforderungen der MedTech Branche 

Zu den aktuellen Herausforderungen zählt der B.Braun-Vorstand das »handwerklich schlecht gemachte regulatorische System«, welches Innovation komplett ausbremse. Zudem würde die dringend notwendige Digitalisierung verschleppt, Start-Ups hätten zumeist keine MDR-Zulassung in der Pipeline. »Fortschritt wird in hohem Tempo abgewürgt«, laut Lugan drohe eine Abwanderung von Top-Talenten. »Die Entwicklungskraft wird durch die MDR in Regulatorik gezwungen.«  Laut einer Umfrage priorisieren mittlerweile 89 Prozent der Unternehmen eine FDA-Zulassung, auch die Schweiz will FDA-Zertifizierungen  zukünftig anerkennen. Nur 22 Prozent der befragten Firmen attestieren der MDR eine Planungssicherheit.

Daher fordert der BVMed im Namen seiner Mitglieder, dass die Medizintechnik durch »strategische Resilienz« gestärkt werden muss. In erster Linie sei es essenziell – durch geringeren bürokratischen Aufwand und einer verstärkten Nutzung vorhandener Gesundheitsdaten – die Innovationskraft zu erhalten. Zusätzlich solle für ein klimagerechtes Gesundheitswesen mehr Fokus auf Nachhaltigkeit gelegt werden. Dr. Meinrad Lugan schloss seine Betrachtungen zum Status Quo: »Deutschland braucht eine forschungsstarke, leistungsstarke und wirtschaftlich gesunde MedTech-Wirtschaft, um international wettbewerbsfähig zu bleiben«.

Gesundheit hat Zukunft

Der Verband unterstützt diese Forderungen mit einer neuen Medizintechnik Kampagne. Mit dem Slogan »Gesundheit hat Zukunft. Die Medizintechnik.« soll diese die Bedeutung der Branche in den Vordergrund rücken und vor allem bei Nachwuchskräften Faszination und Perspektiven wecken. Unter www.medtech-germany.de gibt es Einblicke in die Branche, in die Forschung und Entwicklung sowie Portraits und Videos.

Sehen Sie den neuen BVMed-Branchenfilm für die Medizintechnik.

BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll stellte zudem einen politisch adressierten Fünf-Punkte-Plan vor. Er sieht den Koalitionsvertrag als eine gute Grundlage und vernehme positive Signale, »diese sind aber noch nicht in der Praxis angekommen. Die Roundtables mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, in Persona Robert Habeck, seien zwar sehr lösungsorientiert und würden innerhalb der Legislaturperiode machbare Schritte suchen (wie etwa einen einheitlichen Mehrwertsteuersatz für weniger Bürokratie und mehr Rechtssicherheit), der BVMED fordert aber mehr Schnelligkeit und ein »konkretes, zwischen den Ressorts abgestimmtes Maßnahmenpaket«.

Der BVMed 5-Punkte-Plan

Zugunsten der Medizintechnik-Branche fordert der BVMed die Umsetzung der folgenden Punkte:

  • Eine dezidierte Beauftragte für die industrielle Gesundheitswirtschaft, welche ein koordiniertes Verfahren zwischen allen Akteuren der Gesundheitswirtschaft umsetzt.
  • Den Aufbau von Produktionsketten in Deutschland sowie einer digitalen Bestandsplattform versorgungskritischer Medizinprodukte, um die Resilienz der Lieferketten zu stärken.
  • Ein Belastungsmoratorium bzw. eine Entbürokratisierung mit Lieferketten-Verantwortung nur für unmittelbare Zulieferer, einen einheitlichen ermäßigte MwSt.-Satz auf Medizinprodukte sowie schnellere klinische Studien zur Sicherung der ambulanten Hilfsmittelversorgung.
  • MedTech-Fast-Track: Schnellere Bewertungen, besseren Datenzugang für forschende Unternehmen inklusive einem Fast-Track DiGA für alle Medizinprodukteklassen. Denn Daten sind die Währung zukünftiger medizintechnischer Innovationen und die MDR müsse einschätzbarer und schneller werden. Der Fast-Track muss daher für Medizinprodukte analog zu FDA-Programmen angeboten werden.
  • Einfache Anerkennungsverfahren für internationale Fachkräfte, die Bedingungen in der Pflege müssen zudem durch Technologie verbessert werden. Dazu gehöre auch die Attraktivität der MINT-Fächer wieder zu erhöhen.

»Wir brauchen das neue Deutschland-Tempo auch für die Medizintechnik-Branche«, sagte Dr. Marc-Pierre Möll in Hinblick auf die umfassenden Forderungen und die aktuellen Risiken und Herausforderungen der Branche. Dazu gehöre auch der Umgang mit Künstlicher Intelligenz. »KI beschäftigt uns als Verband, sowie jedes Unternehmen und alle Akteure am Markt,« so Möll. Der BVMed stelle sich intern gerade darauf ein, u.a. mit sich bildenden Arbeitsgruppen. Das sei insbesondere von herausragender Bedeutung, da der BVMed generative KI-Tools wie ChatGPT als »die höchste Welle der vergangenen Dekaden« ansieht. (uh)


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