Trotz steigender Anzahl

Defibrillatoren werden kaum genutzt

26. April 2019, 9:01 Uhr | Max Hunger/Dörthe Hein
Defibrillatoren können Leben retten, wenn sie denn genutzt werden.
© Peter Kneffel/dpa

Trotz steigender Zahl der Geräte kommen öffentlich zugängliche Defibrillatoren relativ selten zum Einsatz. Das liege vor allem daran, dass Passanten nicht wüssten, wo die Geräte hängen und wie man sie benutzt, sagen Kardiologen.

Ob an Bahnhöfen, in Banken oder Einkaufszentren - es gibt immer mehr Defibrillatoren in Deutschland, einen kompletten Überblick hat aber niemand. Die größte Datenbank verzeichnet einen Zuwachs von mehreren Tausend Geräten pro Jahr. Doch sie sind deutlich zu unbekannt, werden nur selten genutzt. Hinzu kommt die Hemmschwelle bei Laien, die Geräte im Notfall auch einzusetzen.

Neustart für das Herz

Der Defibrillator, kurz Defi, kommt bei plötzlich eintretenden Herzrhythmusstörungen zum Einsatz. Hensel erklärt: Wenn der Kreislauf zusammenbricht, versucht das Herz dies mit einer hohen Schlagfrequenz auszugleichen. Der Defibrillator beendet dieses sogenannte Herzflimmern mit einem Stromstoß – das Herz wird auf Null gesetz.  Nun haben Herzdruckmassage und Beatmung eine wesentlich höhere Chance, den Patienten zu reanimieren.

So konnte etwa im Januar 2013 mithilfe eines Defis, der im Justizministerium in Magdeburg aushängt, dem Gast eines nahen Hotels das Leben gerettet werden. Dennoch habe das öffentliche Interesse an dem Thema in den letzten Jahren nachgelassen, sagt Hans-Joachim Trappe. Zu unrecht findet der Mediziner, denn die Chance auf eine erfolgreiche Wiederbelebung beim rechtzeitigen Einsatz eines Defis liege bei etwa 55 Prozent, ohne das Gerät seien es nur rund 8 Prozent.

Der Kardiologe an der Ruhr-Universität in Bochum hat die Nutzung öffentlicher Defibrillatoren in verschiedenen Studien untersucht. Zwischen 2003 und 2015 hat Trappe etwa ein Projekt am Frankfurter Flughafen betreut. Bei den über 500 Millionen Besuchern in diesem Zeitraum kamen die Schockgeber in gerade einmal 25 Fällen zum Einsatz. »Das Problem ist noch nicht gelöst. Trotz aller Bemühungen ist die Zahl der Tode durch Herzversagen relativ konstant«, sagt Trappe.

Kaum genutzte Lebensretter

Dass die Defis nicht so effektiv sind, wie erhofft, hat laut Trappe vor allem zwei Gründe: Zum einen kann man nicht vorhersagen, wo plötzliche Herztode auftreten. Der optimale Ort für einen Defibrillator ist folglich schwer zu bestimmen. Zum anderen wissen viele Menschen nicht, wo sie im Notfall einen Defi finden oder haben Angst, ihn einzusetzen. Dagegen helfe nur, zu informieren, so Trappe.

Tatsächlich gibt es bundesweit weder ein einheitliches Kataster noch eine Meldepflicht für Defis. Das Innenministerium in Magdeburg etwa konnte auf Anfrage keine Übersicht über Defibrillatoren im Land zur Verfügung stellen. Der gemeinnützige Verein Definetz versucht hier Abhilfe zu schaffen. Mit etwa 26 000 registrierten Geräten verfügt er über die nach eigenen Angaben umfangreichste Datenbank in Deutschland. Die Daten recherchieren die Mitarbeiter größtenteils selbst, sagt der Vorsitzende Friedrich Nölle. Die Zahl nicht erfasster Defibrillatoren sei daher immer noch sehr hoch. Grundsätzlich gebe es aber den starken Trend zu mehr öffentlichen Schockgeräten in Deutschland. Es lohne sich, die Augen im eigenen Lebensumfeld offen zu halten, empfiehlt Nölle.

Einen schnellen Überblick über Defis in der Nähe ermöglicht zum Beispiel die Notfall-App des DRK. Die greift auf eine eigens erstellte Datenbank zurück. Hier wird auf einer Karte der nächste erfasste Defi abhängig vom eigenen Standort angezeigt. (me)


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