Start-Up des Monats »munevo«

Den Rollstuhl mit einem Nicken steuern

19. Januar 2023, 14:42 Uhr | Ute Häußler
Rolli-Fahrer können mit der Smart Glasses-Applikation munevo Drive ihren Elektro-Rollstuhl per Kopfbewegung steuern und andere Assistenzdienste nutzen.
© munevo

Junge Gründer, große Ideen – Start-Ups trauen sich was. Diesen Monat stellen wir »munevo« vor. Das Münchener Start-Up hat eine Kopfsteuerung für smarte Brillen entwickelt, damit können Rollstuhlfahrer ihr Gefährt freihändig steuern.

Was ist eure Mission?

Unser Ziel ist es, Menschen mit Mobilitätseinschränkungen ein möglichst selbstbestimmtes und unabhängiges Leben zu ermöglichen.

Wie lautet euer Elevator Pitch?

Viele Menschen mit degenerativen Erkrankungen wie ALS und MS oder Rückenmarksverletzungen benutzen elektrische Rollstühle, können jedoch oft ihre Hände nicht mehr benutzen, um diese per Joystick steuern. Mechanische Lösungen sind leider oft auch stigmatisierend oder eher unhygienisch.

munevo Drive ist die weltweite erste Kopfsteuerung für elektrische Rollstühle basierend auf Smart Glasses, also einer Datenbrille, als Wearable. Mit leichten Kopfbewegungen können Betroffene ihr Gefährt steuern. Unser System ist schlank, digital und ist per Plug & Play schnell an einen elektrischen Rollstuhl angeschlossen. Die Datenbrille wird getragen wie jede normale Brille, sogar mit Sehstärke. Sie nimmt die Kopfbewegungen auf, wandelt sie in Steuersignale um und die Adapterbox überträgt diese Signale an den elektrischen Rollstuhl. Damit sind sogar Smartphones und Tablets, am Rollstuhl montierte Roboterarme und ganze Smart-Home-Systeme steuerbar. Unsere Applikation für smarte Brillen bieten den Menschen ein deutliches Plus an Lebensqualität.

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Die munevo-Gründer Claudiu Hidas, Konstantin Madaus, Deepesh Pandey und Aashish Trivedi : »Die Gespräche mit den Patientinnen und Patienten haben uns geholfen, unser Produkt nach den Bedürfnissen der Betroffenen zu entwickeln.«
© munevo

Wie seid ihr auf die Idee gekommen?

Im Rahmen eines Studienprojektes an der TU München entstand die Idee: Claudiu, einer unserer Gründer, bekam während eines Innovationspraktikums die Gelegenheit Mobilität mit Hilfe von Smart Glasses neuzudenken. Ein Team-Kommilitone hatte seinen Zivildienst in einem Heim für Menschen mit Behinderungen geleistet und wusste also, dass die Menschen dort in ihrer Mobilität stark eingeschränkt sind und neue technische Lösungen dringend gebraucht würden. Während sich die anderen Gruppen also auf urbane Mobilität oder Autos konzentrierten, kamen wir auf die Idee, Smart Glasses zum Fahren und Einstellen eines Elektrischen Rollstuhls zu verwenden. Das war 2016. 2018 wurde munevo offiziell gegründet. Seither haben wir mit einem stetig wachsenden Team die Steuerung weiterentwickelt und um zusätzliche Komponenten ergänzt. Menschen mit wenig oder ohne Handfunktion, die einen elektrischen Rollstuhl benutzen, erhalten mit kleinen Kopfbewegungen, genauer gesagt Nicken und Neigen, ein riesiges Plus an Lebensqualität und persönlicher Freiheit.

Was war euer größter Erfolg?

Unser größter Erfolg bisher ist eindeutig die Zulassung als Medizinprodukt. Das war ein riesiger Schritt, der es uns erlaubt hat, unser Produkt am Markt zu verkaufen. Mittlerweile haben wir hier in Deutschland auch eine eigene Hilfsmittelnummer, was die Erstattung durch die Krankenkassen deutlich erleichtert. Europaweit führen wir das CE-Kennzeichen, und auch in den USA starten wir gerade erfolgreich durch. Darauf sind wir sehr stolz.

Und der größte Rückschlag?

Das war die Corona-Pandemie, und zwar hauptsächlich im Hinblick auf den direkten Kontakt mit den Patienten. Vor Ort, also zu Hause bei den potenziell Nutzenden, kann sich unser Team ein genaues Bild über die individuellen Gegebenheiten und Bedürfnisse machen, um die Menschen wirklich zielgerichtet zu unterstützen. Das kam während der Pandemie alles zu kurz. Zwar konnten wir einen Teil der Beratungsgespräche virtuell abfangen. Aber es ist sehr wichtig, dass die Betroffenen das Fahren ihrer Elektrorollstühle mit den Smart Glasses und auch die Steuerung der Assistenztechnik über Kopfgesten selbst ausprobieren. Das ging plötzlich alles nicht mehr und hat uns ordentlich Kopfzerbrechen bereitet.

Wo seht ihr euch in fünf Jahren?

In fünf Jahren sind wir DER globale Vorreiter im Bereich Assistenztechnik.

Wie sieht die Medizin der Zukunft aus?

Digitale Technologien, Big Data und Künstliche Intelligenz bestimmen die Medizin der Zukunft, vor allem im Hinblick auf die Diagnostik und Optimierung der Therapie. Medizintechnik ist ganz klar ein Wachstumsmarkt – die Telemedizin personalisiert die Beratung und Patientendaten sind aufgrund von Zentralisierung direkt dort verfügbar, wo sie gebraucht werden. E-Government steigert die Effizienz, verbessert die Transparenz und stärkt die Rechenschaftspflicht. Auch Value-Based Healthcare wird die derzeitige medizinische Versorgung deutlich verbessern. (uh)

 

Fakten zum Start-Up »munevo«
Anzahl an Nutzenden: bereits über 200
Gründung: 2018
Anzahl Mitarbeitende: 24
Finanzierung: BayBG, Bayern Kapital,
ROCA X, be-exponential
Webseite: www.munevo.com

 


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