Digital Health

Der ökonomische Wert von Data & Analytics

26. Februar 2021, 8:25 Uhr | Otto Beisheim School of Management
Big Data & Analytics (Symbolbild)
© Pixabay

Forscher identifizieren die wichtigsten Technologien und deren wirtschaftlichen Wert für Gesundheitsversorger

Es ist kein Geheimnis, dass die Digitalisierung viele, wenn nicht sogar alle Bereiche unseres Lebens verändert hat. Die meisten Industrien schwenkten um auf ein digital erweitertes oder komplett digitales Angebot, um eine verbesserte Kundenerfahrung zu ermöglichen und somit die Nachfrage anzutreiben. Im Gesundheitswesen werden diese marktbasierten Prozesse jedoch häufig aufgrund der umfassenden Regulierung der Branche abgeschwächt. Entsprechend nahmen Anbieter im Gesundheitswesen scheinbar keinen besonderen Druck zur Ausweitung der Digitalisierungsbudgets wahr.

Europäische Gesundheitsversorger müssen aufholen

So hatte fast 50 Prozent der Krankenhäuser in Deutschland und Österreich 2017 immer noch keine krankenhausinterne elektronische Patientenakte (ePA) für ihre Patientinnen und Patienten, sondern dokumentierten die Befunde weiterhin auf Papier. An sich stellt sich die Frage, ob Data- & Analytics-Technologien tatsächlich die Qualität unserer Gesundheitsversorgung verbessern.

Forscher haben dazu eine eindeutige Antwort: Ja! Die Forschung zeige, dass die Einführung einer ePA in Krankenhäusern zu weniger Medikationsfehlern, weniger unerwünschten Wechselwirkungen und häufigerer Einhaltung von Richtlinien führen kann. Durch Auswertung der Daten kann Advanced Analytics basierend auf Künstlicher Intelligenz (KI) bereits die Eintrittswahrscheinlichkeit verschiedenster Krankheiten bestimmen und andere versorgungsrelevante Vorhersagen treffen. Ein hochaktuelles Thema ist hier die Möglichkeit, eine Erkrankung am neuartigen Coronavirus über KI-basierte Auswertung von Bilddaten zu diagnostizieren.

Ironischerweise bedeuten in einem System, bei dem Qualität noch nicht ausreichend im Vergütungssystem berücksichtigt wird, Qualitätsverbesserungen durch die Anwendung von Data & Analytics nicht unbedingt auch ökonomische Vorteile für die Versorger. Daher sehen sie Anschaffungs- und langfristige Servicekosten als kritisches Hindernis an und stellen häufig die Kosteneffektivität dieser Technologien in Frage.

In den USA haben politische Entscheidungsträger auf diese Tatsache bereits 2009 mit einer umfangreichen finanziellen Förderung reagiert, wodurch eine Abdeckung der Krankenhäuser mit EPAs von heute fast 100 Prozent erreicht werden konnte. In Deutschland stellen Bund und Länder über das kürzlich eingeführte Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) bis zu 4,3 Milliarden Euro für Projekte zur Förderung digitaler Infrastrukturen zur Verfügung, um lange überfällige Investitionen anzustoßen.

Fünf Schlüsseltechnologien für künftige Investitionsentscheidungen

 

Wirtschaftliche Effekte von Data & Analytics
Wirtschaftliche Effekte von Data & Analytics
© WHU

Wissenschaftler von der Otto Beisheim School of Management (WHU) haben fünf wichtige technologische Kategorien für Investitionsentscheidungen im Bereich Data & Analytics identifiziert:

  • die elektronische Patientenakte
  • computerisierte Entscheidungsunterstützung
  • Advanced Analytics
  • Business Analytics
  • Telemedizin.

Der wirtschaftliche Einfluss von Data & Analytics auf Gesundheitsversorger ist  abhängig von der jeweiligen Kategorie, jedoch zeigen grob 60 Prozent der berücksichtigten Studien, dass die Technologien insgesamt positive Effekte haben.

Abkehr von papierbasierten Strukturen

Die elektronische Patientenakte repräsentiert die am umfänglichsten untersuchte technologische Kategorie für Gesundheitsversorger. Allerdings zeigten nur 12 der 30 betrachteten Artikel positive wirtschaftliche Effekte bezogen auf die Einführung einer ePA. Leider ist dieses Ergebnis isoliert betrachtet nicht unbedingt hilfreich, wenn schnelle Investitionsentscheidungen getroffen werden sollen – zumindest aus rein wirtschaftlicher Sicht. Doch spiegelt es deutlich die Realität wider, denn häufig kommt es erst aufgrund gesetzlicher Zuschüsse zur Investition. Einige Faktoren konnten dennoch ausgemacht werden, die einen zeitnahen Break-even wahrscheinlicher machen.

Eine konsequente Abkehr von allen alten Strukturen wie papierbasierter Dokumentation und Schreibservice, die Umnutzung von Aktenlagern in klinische Räume und eine schrittweise Einführung der ePA anstatt eines »Big Bangs« sind alles wichtige Faktoren.

Glücklicherweise zeigt sich für die restlichen vier Kategorien ein positiveres Bild. Computerisierte Entscheidungsunterstützung etwa kann Material- und Personalkosten durch die Vermeidung von überflüssiger Laborarbeit und Bildgebung reduzieren. Business Analytics Lösungen, die Daten zu operativen Workflows und Abrechnungsdaten analysiert, können die Effizienz optimieren und durch die Identifikation versäumter Forderungen ebenfalls Umsätze fördern. An dritter Stelle können Advanced Analytics Lösungen Effizienzen heben und Kosten einsparen, indem sie auf Basis von ePA-Daten Analysen, Diagnostik, Entscheidungsfindung und Prozesse unterstützen. Häufig greifen diese Systeme auf KI-basierte Big Data Analyse zurück. Zuletzt können auch telemedizinische Anwendungen wie die Fernüberwachung in manchen Fällen Kosteneinsparungen ermöglichen. Alle untersuchten Ergebnisse für die letzten vier Kategorien weisen ausschließlich positive wirtschaftliche Effekte für Gesundheitsversorger auf.

Über die Elektronische Patientenakte hinausdenken

Es ist nach Ansicht der Forscher jedoch wichtig, die fünf genannten Data & Analytics Kategorien nicht getrennt voneinander, sondern im Zusammenspiel zu betrachten. Beispielsweise bauen Entscheidungsunterstützungssysteme und KI-basierte Advanced Analytics Lösungen in den meisten Fällen auf ePA Daten auf. Die  Einführung der elektronischen Patientenakte kann somit zum Flaschenhals für die positiven wirtschaftlichen Effekte der sich ihr anschließenden Technologien werden.

Auf eine ePA-Installation auf Basis unsicherer Kosteneffektivität zu verzichten heiße auch die Tür zu damit einhergehenden ökonomischen Vorteilen der anderen Technologien zu verschließen. Die ePA Einführung fungiert hier also als wichtiger Türöffner.

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Originalpublikation

(me)


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