Zufall bleibt Zufall

Die Affenpocken, ein Planspiel

13. Juni 2022, 7:30 Uhr | Ute Häußler
Der Bildschirm des Mikroskops zeigt das Variola-Virus, das die Pocken verursacht.
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Warum sind die Affenpocken keine Verschwörungstheorie? Das Editorial der medical design 3/22.

Digitalisierung Medizintechnik medizin 4.0 Ute Häußler
© WFM

Die Affenpocken breiten sich seit Mitte Mai in der Welt aus – und in den sozialen Medien überschlagen sich die Verschwörungstheorien. Ausgangspunkt ist ein 2021 auf der Münchner Sicherheitskonferenz durchgeführtes Planspiel: In der Katastrophensimulation sollte überprüft werden, wie die Weltbevölkerung nach Corona auf mögliche weitere Pan­demien vorbereitet sei. »Es ging darum, zu prüfen, ob wir aus der Covid-Pandemie etwas gelernt haben«, sagte der CEO der Sicherheitskonferenz in der Tageschau. Das Übungsszenario bildete eine tödliche Pandemie mit einem resistenten, durch einen Terroranschlag freigesetzten Affenpockenvirusstamm, fiktiver Start des Ausbruchs sollte Mitte Mai 2022 sein.

Diese Überschneidung mit der Reali­­tät erscheint gruselig, ist aber schlicht
Zufall. Das Planspiel wurde im März 2021 von der »Non-Profit-Organisation Nuclear Threat Initiative« (NTI) entworfen, die Ergebnisse sind seit über einem halben Jahr öffentlich einsehbar. »Wir wollten einen Erreger auswählen, der sich plausibel in unser fiktives Szenario einfügt«, sagt NTI-Vizepräsidentin Jaime Yassif. Was nachvollziehbar ist, immerhin sind Simulationen dieser Art eine gängige wissenschaftliche Praxis und helfen dabei, Vorsorge für den Ernstfall zu treffen. Die WHO plant derzeit eine Pocken-Pandemie durchzuspielen. Die Übungsszenarien sind also harmlos – die Ergebnisse leider nicht. So sei die internationale Pandemieprävention, -erkennung, -analyse, -warnung und -reaktion trotz der Corona-Lehren völlig unzureichend und weise riesige Lücken auf. Laut NTI könnte die Weltgemeinschaft nicht wirksam auf eine neue Pandemie reagieren.

Einen kleinen Trost inmitten dieser düsteren Aussichten gibt es trotzdem: Gegen die Affenpocken schützt die in Deutschland bis 1976 (BRD) bzw. 1982 (DDR) obligatorische Impfung. Jüngere Menschen können sich jederzeit impfen lassen, trotz einer geringen Gefahr hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zu den 100 Millionen gelagerten
Dosen weitere 40 Millionen Dosen Pockenimpfstoff geordert; die Krankheit »soll sich nicht festsetzen«. Dazu kommt: Wenn COVID-19 uns eines gezeigt hat, dann dass die Pharma- und Medizintechnikbranche schnell reagieren kann.

Ich bin mir sehr sicher, dass für kommende Infektionskrankheiten zügig Massentests, Schutzzubehör, Impfungen und Behandlungen zur Verfügung stehen. Umso mehr freue ich mich, Ihnen in dieser für mich ersten Ausgabe der »medical-design« viele technische Neuerungen, neuartige Verfahren und digitale Innovationen aus allen Bereichen der Medizintechnik vorzustellen. Klassisch analoge Wälzlager, elektronische Pflaster, automatisierte Roboter oder additiv gefertigte Funktionsbauteile sind nur einige Highlights dieser Ausgabe. Meine persönliche Leseempfehlung ist der kuratierte Messeführer »Medizintechnik auf der embedded world«. Dank Tests, Schutzmasken und Impfungen können wir uns dort endlich wieder persönlich treffen.

Ihre Ute Häußler

Redakteurin der medical design
uhaeussler@weka-fachmedien.de


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