DigiSep

Digitaler Schub für die Sepsis-Behandlung

16. September 2021, 11:00 Uhr | UK Essen
Rote Blutkörperchen
© Pixabay

Forschungsprojekt »DigiSep« am UK Essen gestartet

Eine Sepsis ist eine lebensbedrohliche Erkrankung, die jährlich mehr als 75.000 Todesfälle in Deutschland verursacht. Entscheidend für eine erfolgreiche Therapie ist es, den Erreger frühzeitig und zuverlässig zu identifizieren – dies wird mit dem Anlegen einer Blutkultur, dem aktuellen Goldstandard, häufig nicht erreicht. Abhilfe könnten neue, digitale Methoden zur Erregerbestimmung schaffen, die Genomik und Bioinformatik kombinieren. Wird die Diagnostik durch sie präziser und zuverlässiger? Verbessert sich die Therapie und lässt sich sogar die Sterblichkeit senken?

Diese Fragen untersucht das neue Forschungsprojekt »DigiSep«, das Anfang September 2021 gestartet ist und zum Welt-Sepsis-Tag am 13. September 2021 in den Fokus gerückt wurde. Durchgeführt wird das Projekt von der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum Essen als Konsortialführer in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Gesundheitsökonomie & Gesundheitsmanagement der Universität Bielefeld, dem Koordinierungszentrum für Klinische Studien (KKS) und dem Institut für Medizinische Biometrie (IMBI) am Universitätsklinikum Heidelberg sowie mit den Krankenkassen AOK Rheinland/Hamburg, Barmer und der Techniker Krankenkasse. Das Diagnostikunternehmen Noscendo steuert als technischer Partner seinen digitalen Präzisionstest DISQVER bei, der eine CE-Kennzeichnung für In-vitro-Diagnostika (IVD) besitzt. DigiSep wird vom Innovationsausschuss des Gemeinsamen Bundesausschusses für drei Jahre mit insgesamt ca. 3,1 Millionen Euro gefördert.

Schnelle DNA-Analyse

Um die Wirksamkeit neuer digitaler Diagnostikmethoden zu untersuchen, plant die DigiSep-Forschungsgruppe eine Studie mit 410 zufällig ausgewählten, schwer erkrankten Sepsis-Patientinnen und -Patienten in rund 20 deutschen Kliniken. Bei 205 der Erkrankten wird das Blut sowohl mit Standard- als auch mit digitaler Präzisionsdiagnostik untersucht, die innerhalb von 24 Stunden mehr als 1.500 Keime (Bakterien, DNA-Viren, Pilze und Parasiten) erkennen kann.

Dafür wird die zellfreie DNA, also Teile des spezifischen Erbguts des Erregers, in der Blutprobe der Patientin oder des Patienten mittels Next-Generation Sequencing untersucht, einer neuen, besonders schnellen Methode zur DNA-Analyse. Bioinformatische Algorithmen gleichen diese Informationen mit einer großen klinischen Genom-Datenbank ab. Innerhalb weniger Stunden liegt so ein Bericht über alle im Blut nachweisbaren Keime vor, was eine gezieltere Therapie ermöglichen soll. Zusätzlich werden die behandelnden Ärztinnen und Ärzte von einem Expertengremium unterstützt, mit dem Befunde und Therapieentscheidungen besprochen werden können. Bei den übrigen 205 Personen der Vergleichsgruppe kommt die derzeitige Standarddiagnostik, also die zeitaufwendige Anzüchtung der Erreger in einer Blutkultur, zum Einsatz. 

Digitaler Vorsprung im Kampf gegen die Sepsis

Der Rekrutierungsbeginn ist für Januar 2022 geplant und der Beobachtungszeitraum beträgt insgesamt 180 Tage. Im Anschluss werden unter anderem die Verweildauer auf der Intensivstation, die Dauer einer Antibiotika-Therapie und die Sterblichkeit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ausgewertet. »Wir untersuchen, ob die Kombination aus Standarddiagnostik, digitaler Präzisionsdiagnostik und Expertenaustausch eine schnellere, zielgerichtete und damit bessere Therapie ermöglicht als die reine Standarddiagnostik allein«, erklärt Prof. Dr. Thorsten Brenner, Leiter des Forschungsprojekts und Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum Essen. Im Erfolgsfall trage das DigiSep-Projekt dazu bei, die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Sepsis und septischem Schock zu verbessern. Für sie könnte dies einen kürzeren Aufenthalt auf der Intensivstation beziehungsweise im Krankenhaus, weniger Spätfolgen und mehr Lebensqualität bedeuten.

Die Krankenkassen sehen große Chancen in der digitalen Diagnostik. »Häufigkeit und Schwere einer Sepsis-Erkrankung sind in der Gesellschaft zu wenig bekannt, ebenso wenig die relativ hohe Todesquote von rund einem Drittel der Betroffenen. Wir wollen mit unserem Engagement bei DigiSep einen wichtigen Beitrag dazu leisten, den Blick verstärkt auf diese schwerwiegende Erkrankung zu lenken und Fortschritte bei der Versorgung zu erzielen«, erklärt Prof. Dr. med. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer. Bei Sepsis kommt es ganz wesentlich auf schnelle Analysen und schnelles Handeln an. Die digitale Technik des DigiSep-Projekts verschaffe dem Behandlungsteam den entscheidenden Vorsprung im Wettlauf gegen die Zeit. »Dieser Zeitvorsprung kann Leben retten«, ergänzt der TK-Vorstandsvorsitzende Dr. Jens Baas. 

Gefördert wird das Projekt vom Innovationsausschuss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Der G-BA ist das höchste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen. Er entscheidet darüber, welche Leistungen gesetzlich Krankenversicherte in Anspruch nehmen können. (me)


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