Medizingeräte

Erfolgreicher Technologietransfer

19. Oktober 2021, 10:30 Uhr | DLR/Medtronic
Das RAS-System Hugo kommt unter anderem in der Gynäkologie zum Einsatz
© Medtronic

Medtronic baut DLR-Technologie in seinen Chir­ur­giero­bo­ter ein

Medtronic hat kürzlich die CE-Zulassung für das robotergestützte Chirurgiesystem Hugo erhalten. Das System basiert auf einer Technologie, die ursprünglich vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) für den Einsatz im Weltraum entwickelt wurde, um Roboter von der Erde oder der Internationalen Raumstation aus fernzusteuern.

Roboter im OP immer häufiger dabei

Operationen mit robotischen Assistenzsystemen sind keine Seltenheit mehr. Der Operateur sitzt an der Konsole, die Roboterarme führen seine Kommandos präzise, sicher und schonend für den Patienten aus. Die Vorteile für Patienten und Chirurginnen überwiegen und liegen auf der Hand: physische und kognitive Entlastung für das chirurgische Team, innovative Behandlung mit geringerem Trauma für die Patienten und Patientinnen.

Das neue RAS-System (robotic-assisted surgery) Hugo von Medtronic basiert auf den technologischen Grundlagen des vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelten Telechirurgiesystems MiroSurge. Das System besteht – je nach Anforderung – aus zwei oder mehreren Miro-Roboterarmen. Dabei handelt es sich um ein auf medizinische Anwendungen optimierter Leichtbauroboterarm, kinematisch redundant und vollständig drehmomentgeregelt. In Aufbau, Größe und Beweglichkeit ist er dem menschlichen Arm nachempfunden, so dass er intuitiv, feinfühlig und sicher bedient werden kann. Während eines Eingriffs steuert der Chirurg beziehungsweise die Chirurgin von einer offenen Chirurgiekonsole aus einen oder mehrere Roboter als sog. MiroSurge-System. Die Roboterarme können dabei mit unterschiedlichen Spezialinstrumenten ausgestattet und somit flexibel und modular eingesetzt werden.

Aus MiroSurge wird Hugo

Diese Eigenschaften vom DLR-System wurden von Medtronic weiterentwickelt und finden sich im neuen Hugo wieder: Das mechatronische Design mit den drehmomentgeregelten Leichtbauroboterarmen und zahlreichen Sensoren sorgt dafür, dass die Bewegungen hochpräzise ausgeführt werden. Die Instrumente der Roboter steuert der Chirurg mithilfe von Eingabegeräten. Sie führt die Operation von einer offenen Konsole aus, die jederzeit den Sichtkontakt mit dem Patienten oder der Patientin und dem OP-Team erlaubt und sieht währenddessen über einen Bildschirm die Endoskopaufnahmen in 3D.

Dank seiner Modularität kann das RAS-System flexibel und somit womöglich kostengünstig eingesetzt werden. »Das RAS-System Hugo verkörpert die praktische Anwendung von Forschungsergebnissen, die das DLR mit Miro erarbeitet hat. In Kooperation mit Partnern aus der Wirtschaft gelingt hier die Gestaltung von Innovationen bis zum Technologietransfer«, sagt Prof. Karsten Lemmer, DLR-Vorstand Innovation, Transfer und wissenschaftliche Infrastrukturen.

Weltraumtechnologie für Patienten und Chirurginnen

Die Grundlagen der Technologie stammen dabei aus der Raumfahrt. »Unser Team der Medizinrobotik arbeitet mit ausgereifter robotischer Hochtechnologie, die ursprünglich für den Einsatz von Astronauten im Weltall entwickelt und verifiziert wurde«, bestätigt Prof. Alin Albu-Schäffer, Leiter des DLR-Instituts für Robotik und Mechatronik. Ingenieure und Ingenieurinnen des DLR forschen erfolgreich daran, Roboter ferngesteuert von der Erde oder von der Internationalen Raumstation ISS aus zu betreiben und geben dem Bediener das Gefühl, vor Ort – also telepräsent – zu sein.

Bei Operationen ist zwar auch eine Distanz zwischen Chirurgen und Patientin, hierbei geht es aber nicht um eine große Entfernung. Der Operateur muss die Barrieren des menschlichen Körpers überwinden und an schwer erreichbaren Operationsstellen Bewegungen präzise, sicher und ohne Ungenauigkeiten der menschlichen Handbewegung ausführen.

Rahmenbedingungen am Entwicklungsstandort Deutschland verbessern

Der Technologietransfer zwischen DLR und Medtronic zeigt, wie starke Partnerschaften in der medizintechnologischen Forschung und Entwicklung Innovationen zum Wohle von Patienten voranbringen können. Um das Potenzial von Forschungskooperationen künftig noch besser nutzen zu können, sind nach Ansicht von Dorothee Stamm, Geschäftsführerin der Medtronic GmbH und Director Governmental Affairs DACH, Veränderungen der Rahmenbedingungen sinnvoll: »Die Bedürfnisse der Medizintechnologie werden insbesondere von der Wirtschafts- und Forschungspolitik bislang nur ausschnittsweise wahrgenommen. Konkret sollten Forschungskooperationen zwischen privatwirtschaftlichen und staatlichen Institutionen erleichtert und anwendungsorientierte Forschung stärker gefördert werden.«

Um neue Produkte sinnvoll im hochkomplexen deutschen Gesundheitssystem entwickeln zu können, bedarf es laut Stamm zudem der Möglichkeit, bestehende Strukturen zu validieren sowie den Einfluss neuer Innovationen auf diese einschätzen zu können. »Es ist ein direkter, barrierefreier Zugang zu anonymisierten Real-World-Daten für unsere Industrie notwendig«, so Stamm. Der Mehrwert liege dabei unter anderem im Erkenntnisgewinn, wie Therapieverfahren in der Praxis angewendet werden. »Mit einer gezielteren Forschung können bestehende Medizintechnologien weiter verbessert sowie neue Technologien entwickelt werden«. (me)


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