EU-MDR

EU-Medizinprodukte-Verordnung startet holprig

26. Mai 2021, 10:30 Uhr | Spectaris
Konformitätsbewertung für Medizinprodukte stößt bereits heute an Grenzen.
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Spectaris warnt vor Innovationshemmnissen und Angebotsausdünnung

Brennpunkt EU-MDR

Zum heutigen Geltungsbeginn der neuen EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) warnt der Deutsche Industrieverband Spectaris vor Innovationshemmnissen und fordert rasche Lösungen für die zahlreichen noch offenen Baustellen im Zusammenhang mit der Implementierung der MDR. Auch wenn der Geltungsbeginn aufgrund der Corona-Pandemie um ein Jahr verschoben wurde, sind die alten Probleme geblieben

Allen voran reichen die Kapazitäten der Benannten Stellen noch immer nicht. »Die Benannten Stellen warnen ihrerseits selbst davor, dass vermutlich nicht alle Medizinprodukte vor dem Auslaufen ihrer zugrundeliegenden Zertifikate rechtzeitig in die MDR überführt werden können«, betont Martin Leonhard, Vorsitzender der Medizintechnik bei Spectaris. Das treffe vor allem langjährig etablierte Medizinprodukte. Ein stark beschnittenes Produktsortiment wäre die Folge, und die Einführung von innovativen Produkten bleibt keine Zeit. Der Verband fordert daher pragmatische Lösungen für bewährte Bestands- und Nischenprodukte, um Versorgungsengpässen vorzubeugen.

Remote Audits endlich zulassen

Darüber hinaus sollten so genannte Remote Audits zugelassen werden, um Zertifizierungen unter der MDR voranzutreiben. Für solche digitalen Auditierungen gibt es allerdings immer noch keine ausreichende rechtliche Basis, das Vorgehen der Mitgliedsstaaten ist nicht harmonisiert und Neuentwicklungen drohen auf der Strecke zu bleiben. »Wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen, riskiert Deutschland seinen Spitzenplatz in Europa als Standort für innovative Medizintechnik zu verlieren«, befürchtet Leonhard und spitzt es weiter zu: »Firmen werden sich zukünftig den ersten Marktzugang mit Innovationen immer weniger in Europa leisten können, da bei uns die Marktzugangskosten zu hoch sind.« Dadurch werde Europa seine bisher starke Position im internationalen Wettbewerb weiter selbstverschuldet schwächen.

Ungelöst bleiben zudem die Probleme um die europäische Datenbank Eudamed. »Eudamed als Herzstück der MDR fehlt weiterhin und soll erst 2022 funktionsfähig sein. Jetzt drohen nationale Sonderlösungen und Doppelstrukturen, wenn notwendige Daten in verschiedenen nationalen Systemen erfasst werden müssen. Wir brauchen daher dringend ein einheitliches europäisches Vorgehen und pragmatische Lösungen«, betont Leonhard.

Bürokratische Hemmnisse müssen verschwinden

Der Industrieverband fordert darüber hinaus die Politik in Berlin und Brüssel auf, brachliegende Digitalisierungspotentiale zu nutzen. So ist die Möglichkeit zur Bereitstellung so genannter elektronischer Gebrauchsanweisungen aktuell sehr begrenzt.

»Die derzeitige enge Beschränkung des Geltungsbereichs auf eine Liste spezifischer Geräte erlaubt weder neue Entwicklungen und Innovationen ohne regelmäßige und ständige Aktualisierungen der Verordnung einzubeziehen, noch kommt sie den Bestrebungen der Europäischen Kommission im Sinne seiner Digitalisierungsstrategie und seines Green Deals nach«, kritisiert Leonhard. Die MDR müsse strategisch weiterentwickelt werden: Bürokratische Hemmnisse müssen verschwinden, die Branche braucht endlich Verlässlichkeit und innovationsfördernde Rahmenbedingungen. (me)


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