Das Spektrum möglicher Anwendungen virtueller Realität (VR) wächst rasant. Nicht immer im Sinne der Patienten, findet ein Forscher des Universitätsklinikums Freiburg. Er mahnt sensiblen Einsatz von Möglichkeiten virtueller Realitäten in der Medizin und der Pflege an.
Demenz, Angsterkrankungen, Schlaganfall: Das Spektrum möglicher Anwendungen virtueller Realität (VR) wächst rasant. So kann auf Demenzkranke im Pflegeheim eine Simulation ihrer ursprünglichen Umgebung beruhigend wirken. »Grundsätzlich lassen sich mittels Virtueller Realität positive Effekte erzielen«, sagt der Neurologe Dr. Philipp Kellmeyer, Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Freiburg und Freiburg Institute of Advanced Studies (FRIAS). Doch er warnt auch: »Oft werden die besonderen Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten unzureichend berücksichtigt. Wenn Demenzkranke beispielsweise nicht mehr zwischen Realität und Fiktion unterscheiden können, ist das ein gravierender Eingriff in ihre Autonomie«.
Die Grenze zwischen Realität und VR verschwimmt immer mehr
Auch in der Behandlung von Essstörungen, des Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitätssyndroms (ADHS) und in der forensischen Psychiatrie werden VR-Anwendungen erprobt. »Zwar kann man sich grundsätzlich vorstellen, dass VR-Anwendungen sehr positive Effekte haben«, so Kellmeyer. Wie Virtuelle Realität kognitiv und emotional auf die Betroffenen wirkt, sei aber noch kaum untersucht. Und die Grenze zwischen Realität und VR verschwimmt immer mehr.
Der Neurologe sieht drei zentrale Risiken bei der Anwendung:
Patienten frühzeitig in die Entwicklung einbeziehen
Diese Probleme lassen sich auf unterschiedliche Weise beheben. »Technologische Lösungen sollten nur da eingesetzt werden, wo die Probleme nicht politisch oder sozial gelöst werden können«, sagt Kellmeyer. Um neue Anwendungen stärker nutzerzentriert auszurichten, schlagen Kellmeyer und Kollegen vor, Patientinnen und Patienten frühzeitig in die Entwicklung einzubeziehen. »Wir sollten wegkommen von entwicklergetriebenen hin zu patientengetriebenen Innovationen.«