Pille statt Spritze

Gleiche Wirkung, ganz ohne Stich

10. Februar 2022, 13:52 Uhr | NovoArc
Medizinische Spritze gefüllt mit bunten Perlen (Symbolbild)
© AdobeStock.com/Alexander

Ein Start-up will mithilfe von Lipiden Spritzen durch Tabletten ersetzen

Im Herbst 2021 gründeten die Forscher Dr. David Wurm, Dr. Julian Quehenberger und Prof. Oliver Spadiut (alle TU Wien) ihr Unternehmen NovoArc. Die Idee: Eine Technologie entwickeln, mit der sich Spritzen durch Tabletten ersetzen lassen. Dazu produziert und vertreibt das Start-up stabilisierende Lipide, in denen Wirkstoffe den Magen unbeschädigt passieren und so besser vom Körper aufgenommen werden können. Kurz nach seiner Ausgründung aus der TU Wien konnte das Unternehmen bereits zwei finanzstarke und bestens vernetzte Wiener Family Offices als Partner für sich gewinnen. Somit ist der Weg geebnet, um die Produktion aufzubauen und weitere Darreichungsformen zu erforschen.

Archaeen als wahren Überlebenskünstler

v.l.n.r.: Julian Quehenberger (CTO), David Wurm (CEO) und Oliver Spadiut (Scientific Advisor).
v.l.n.r.: Julian Quehenberger (CTO), David Wurm (CEO) und Oliver Spadiut (Scientific Advisor).
© NovoArc

Wurm, Quehenberger und Spadiut arbeiteten mehrere Jahre an der TU Wien mit einem speziellen Mikroorganismus, der sich unter extremen Bedingungen besonders wohl fühlt. Die Rede ist von thermoacidophilen Archaeen, die einen pH-Wert von 2 und Temperaturen von 80 °C bevorzugen.

Weltweit gibt es nur eine Handvoll Arbeitsgruppen, die diesen Mikroorganismus erforschen. Bislang wurde er hauptsächlich als Modellorganismus für die Grundlagenforschung verwendet, da er sich nur schwer kontrolliert und skalierbar kultivieren lässt.

»Uns ist es gelungen, einen effizienten Bioprozess für diesen Mikroorganismus zu entwickeln. Der Prozess liefert hohe Ausbeuten und das entsprechende Patent ist bereits eingereicht«, berichtet Julian Quehenberger stolz, der sich schon in seiner Dissertation grundlagenwissenschaftlich mit diesem Mikroorganismus beschäftigt hat.

Wirkstofffreisetzung erst im Darm

Viele pharmazeutische Wirkstoffe werden nur schlecht oder gar nicht vom Körper aufgenommen, weshalb sie injiziert werden müssen. Pandemien wie Covid-19 gehen zusätzlich mit einem erhöhten Bedarf an Impfungen einher – zum Leid von Patient_innen mit Angst vor Spritzen.

Das Problem der Verabreichung sowie der Aufnahme lösen die Gründer mit ihrer Idee, Bestandteile des Mikroorganismus – sogenannte Lipide – für Anwendungen in der pharmazeutischen Industrie zu nutzen. Der von NovoArc verwendete Mikroorganismus besitzt spezielle Lipide zur Stabilisierung seiner Zellmembran, was ihn zum wahren Überlebenskünstler macht.

Die Lipide eignen sich hervorragend, um Wirkstoffe vor ungewolltem Abbau zu schützen. Denn viele Substanzen werden bei oraler Einnahme durch Säure und Enzyme im Magen zersetzt und wandern durch den Darm ohne effizient aufgenommen zu werden. Durch Einschließen der Wirkstoffe in NovoArcs Lipidhülle, sogenannte Liposomen, können diese sicher den Magen passieren und im Darm aufgenommen werden. Diese Anwendung wurde bereits erfolgreich in vivo getestet.

Durch die hohe Stabilität der schützenden Liposome wird auch die Lagerstabilität der Wirkstoffe erhöht. »Wir kennen das Problem, dass gewisse Medikamente und Impfstoffe bei bis zu minus 70 °C gelagert werden müssen. Durch unsere Technologie wird es möglich sein, solche Pharmazeutika bei Raumtemperatur zu lagern, wodurch teure Kühlketten nicht mehr notwendig sind und auch Patient_innen in abgelegenen Gebieten medizinisch versorgt werden können«, erklärt Oliver Spadiut einen zusätzlichen Vorteil der Technologie. (me)


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