Gastkommentar

»Jetzt Impulse für Europas weltweite Position setzen«

11. August 2020, 12:11 Uhr | Hans-Peter Bursig
Hans-Peter Bursig: Deutschland hat die Chance, wichtige Impulse für das gesamte EU-Gesundheitssystem zu setzen.
© ZVEI

Hans-Peter Bursig (ZVEI) über die Chancen der Deutschen EU-Ratspräsidentschaft im Bereich Gesundheit

Seit dem 1. Juli 2020 hat Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft inne. Im Mittelpunkt steht dabei nach wie vor die Bekämpfung der Corona-Pandemie. Aber auch andere Themen, die für Hersteller von Medizinprodukten wichtig sind, befinden sich auf der Tagesordnung.

Die Covid-19-Krise hat gezeigt, wie schnell Gesundheitssysteme an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit kommen können und wie stark die Bedeutung der Verfügbarkeit von Medizinprodukten für die Gesundheitsversorgung unterschätzt wurde. Dass im Moment nicht alle relevanten Produkte in Europa produziert werden, hat zu Recht zu der Diskussion über Standortbedingungen für die Herstellung von Medizintechnik und Arzneimitteln in Europa geführt. Dass sich Deutschland bei solch langfristigen Fragen eng mit Portugal und Slowenien abstimmt, die im Jahr 2021 die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen werden, ist sehr klug. Dadurch ist es möglich, auch über Maßnahmen zu diskutieren, die über sechs Monate hinausgehen.

Versorgungssicherung: Verschiebung der MDR sinnvoll

Um zu verhindern, dass dringend benötigte Medizinprodukte plötzlich vom Markt genommen werden müssen, haben Mitgliedstaaten und Europäisches Parlament kurzfristig beschlossen, den Geltungsbeginn der Medical Device Regulation (MDR) um ein Jahr bis Mai 2021 zu verschieben. Diese Entscheidung war richtig. Aber sie allein reicht nicht aus, um dauerhaft eine wettbewerbsfähige Medizinprodukteindustrie in Europa sicherzustellen. Hier muss Deutschland während seiner Ratspräsidentschaft weitere Impulse setzen. 

Innovationskraft stärken, Wettbewerbsfähigkeit sichern

Es geht dabei in erster Linie um die Innovationsfähigkeit der Hersteller von Medizinprodukten, die Fähigkeit, in Europa zu produzieren, und die Produktion im Fall einer Krise schnell zu erhöhen. Es hat in Europa, anders als zunächst befürchtet, keinen Engpass bei Beatmungsgeräten für Covid-19-Patienten gegeben. Und auch bei der Entwicklung von Labortests für die Feststellung einer SARS-Cov2-Infektion waren europäische Hersteller in der Lage, schnell neue Produkte zu entwickeln und an den Markt zu bringen. Umso wichtiger ist es, dafür zu sorgen, dass die Umsetzung der MDR und der IVDR (In Vitro Diagnostic Regulation) an dieser Fähigkeit nichts ändert.

Dabei werden auch die Rahmenbedingungen des geplante European Health Data Space (EHDS) eine wichtige Größe darstellen. Besonders für die Forschung und Entwicklung neuer Medizinprodukte ist der Zugang zu großen Mengen qualitativ hochwertiger Daten inzwischen eine wichtige Voraussetzung. Hierbei spielt unter anderem auch die MDR mit der Forderung nach aktuellen klinischen Daten für die Konformitätsbewertung von Medizinprodukten eine Rolle. Während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft soll es Fortschritte geben, wie diese Daten in Zukunft für Forschung und Entwicklung genutzt werden können.

Chance für Vorbild im Bereich Gesundheit nutzen

Zu beiden Themen kann Deutschland nicht nur die Diskussion moderieren, sondern selbst auch Vorbild werden. Während des Lockdowns hat Deutschland Patienten aus anderen Mitgliedstaaten zur Behandlung aufgenommen und unter anderem Beatmungsgeräte zur Verfügung gestellt. Zusammen mit der Einführung der elektronischen Patientenakte wird in Deutschland auch die Möglichkeit geschaffen, Gesundheitsdaten für die Forschung zur Verfügung zu stellen. Außerdem sollen über drei Milliarden Euro in deutsche Krankenhäuser investiert werden, um Versorgungsstrukturen zu verändern und die Digitalisierung der Gesundheitsversorgung voranzutreiben. 

Es ist zu wünschen, dass Deutschland diese Maßnahmen in einen europaweiten Maßnahmenplan einbindet und den europäischen Binnenmarkt für Medizinprodukte auf eine neue Stufe hebt. Das wäre nicht nur gut für Deutschland und Europa, sondern würde auch Deutschlands und Europas weltweite Rolle im Bereich Gesundheit stärken.

Autor: Hans-Peter Bursig ist ZVEI-Fachverbandsgeschäftsführer Elektromedizinische Technik sowie im Mitglied im Programmkomitee der eMEC 2020.

Links:


Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu ZVEI Zentralverband Elektrotechnik und Elektronikindustrie e.V.