Editorial M+e 2/2019

Jetzt werden auch Tabletten smart

29. März 2019, 8:30 Uhr | Melanie Ehrhardt
Melanie Ehrhardt, Redakteurin Medizin+elektronik
© Weka

Mund auf, Tablette rein, schlucken. So einfach ist es nicht immer. Insulin beispielsweise ist zu instabil, um den Weg zu den Schleimhäuten von Magen und Darm zu überstehen. Magensäure greift das Molekül an und eine dicke Schleimschicht bildet eine weitere Barriere, bevor es die Blutgefäße ...

Mund auf, Tablette rein, schlucken. So einfach ist es nicht immer. Insulin beispielsweise ist zu instabil, um den Weg zu den Schleimhäuten von Magen und Darm zu überstehen. Magensäure greift das Molekül an und eine dicke Schleimschicht bildet eine weitere Barriere, bevor es die Blutgefäße erreichen kann. Aus diesem Grund müssen sich zum Beispiel Diabetiker ihr Insulin jeden Tag spritzen – entweder händisch oder mithilfe einer Insulinpumpe (S. 12).

Forscher vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben eine Alternative entwickelt: eine Tablette, die den Wirkstoff direkt in die Magenwand injiziert. Im Inneren der Kapsel befindet sich eine aus getrocknetem Insulin bestehende Mikronadel auf einer durch einen zuckerähnlichen Stoff komprimierten Feder. Wird die Kapsel geschluckt, löst die Magenflüssigkeit den Zucker auf und die Feder katapultiert die Insulinnadel in die Magenwand. Da es dort keine Schmerzrezeptoren gibt, spürt der Patient davon nichts. Erste Tierversuche hätten laut Forscher bereits gezeigt, dass mithilfe der Kapsel die gleiche Menge Insulin aufgenommen werden kann wie bei der Zufuhr mit einer Spritze. Der Clou: Aufgrund ihres Aufbaus bringt sich die schluckbare Spritze immer in die richtige Position. Sie ist dem Vorbild der Pantherschildkröte nachempfunden und besitzt dank ihrer flachen Unterseite und ihrer hohen Kuppel einen sehr tiefen Schwerpunkt. Dadurch rollt sie sich, genau wie die Schildkröte, immer auf die Unterseite.

Noch besser – oder auch bequemer – für Diabetespatienten wäre, wenn sie ganz auf künstliches Insulin verzichten könnten und ihren Blutzuckerspiegel ganz ohne Hilfe der Pharmaindustrie in den Griff kriegen. Was sich zunächst nach einer obskuren Idee aus dem Bereich der alternativen Heilkunde anhört, ist Hightech auf kleinstem Raum. Sogenannte Elektrozeutika (elektronische Pillen) erzielen statt einer pharmazeutischen eine elektronische Wechselwirkung mit dem Körper. Obwohl sich die meisten Entwicklungen noch im experimentellen Stadium befinden, hat sich daraus ein sehr lukrativer Markt entwickelt. Und der ruft längst Spieler abseits der klassischen Medizintechnik auf den Plan (S. 30).

Wie schon die schluckbare Spritze sind auch elektronische Pillen noch weit von einer Anwendung in der Praxis entfernt. Kommen wir also wieder zurück in die Realität und die ist nicht weniger spektakulär. Davon können Sie sich im Mai direkt auf zwei Messepremieren überzeugen. Denn sowohl die Medtec Live in Nürnberg (S.23) als auch die T4M in Stuttgart (S. 28) gehen dieses Jahr zum ersten Mal an den Start und liefern sich ein spannendes Duell um die Gunst der Besucher. Wer am Ende das Rennen macht, ist noch völlig offen. Fakt ist nur: Einer wird aufgeben müssen, denn zwei Medizinmessen kurz nacheinander braucht niemand. 

Melanie Ehrhardt

 


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