DMEA 2023

Ohne Daten kein Digital Health

2. Mai 2023, 17:08 Uhr | Ute Häußler
Karl Lauterbach hielt auch 2023 wieder die Eröffnungsansprache der DMEA.
© Messe Berlin

Die Digitalisierung des Gesundheitswesen klappt ohne Daten nicht. Dr. Karl Lauterbach betont in seiner DMEA-Keynote die Wichtigkeit der Gesundheitsdaten und KI für den Medizin-Standort Deutschland. Die Technologien stehen bereit, es fehlen ein rechtssicherer Raum und Honorarmodelle.

»Wir leben in einer Zeit großer Veränderung,« sagte Dr. Karl Lauterbach und spielte damit gleich zu Beginn seiner Eröffnungsansprache auf der DMEA 2023 in Berlin auf die Künstliche Intelligenz an, die sich in Gestalt von ChatGPT gerade anschickt, unter anderem Digital Health und die Gesundheitsversorgung grundlegend zu transformieren

Die Digitalisierungsstrategie für das Gesundheitswesen der Bundesregierung ist seit März öffentlich. Und während alle, inklusive des zahlreich in Berlin erschienenen DMEA-Publikums auf erste konkrete Umsetzungen warten, entschuldigt Lauterbach mit der generativen KI ganz unverblümt weitere Verzögerungen. »Large Language Modelle müssen berücksichtigt werden, auch für die Gesetzgebung«. Der Minister spricht von einer »faszinierende Zeit der Transformation«, und betont, dass dies »keine Standard-Verzögerung« sei, sondern die »Aufnahme der aktuellen Entwicklung«.

MedTech »made in Germany« wettbewerbsfähig halten

»Bevor Monate für die Diskussion um den künftigen Umgang mit ChatGPT ins Land gehen, sollten die Regelungen aus der Digitalstrategie rasch umgesetzt werden, die unumstritten sind“, erklärte im Nachgang BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll. Er antwortet damit auf die alarmierenden Signale, die Lauterbach selbst in seiner Rede benennt: Nämlich, dass der Gesundheitssektor, der mit 12% des Bruttoinlandsproduktes größer als der Bundeshaushalt und größer als das Rentensystem ist, und die exportorientierte Medizintechnik nach Jahren des stetigen Wachstums im internationalen Vergleich an Relevanz verliert.

Das liegt nach Lauterbach nicht nur an der weiter fordernden MDR und auch an der aktuellen Abwanderung von Unternehmen wie BioNTech nach Großbritannien. Sondern auch daran, dass nur 1,5% der weltweiten jährlichen KI-Investitionen nach Deutschland wandern. Damit Deutschland als Forschungsstandort und für Medizintechnik-Hersteller nicht weiter zurückfällt, soll nach Lauterbachs Willen die Digitalisierungsstrategie den Anschluss (wieder) richten.

EPa und die Datennutzung

Neben Apps auf Rezept und dem Medical-Messenger zum sicheren Austausch von Befunden und Daten unter Ärzten nennt der Minister die elektronische Patientakte als wichtigsten Part der Initiative. Nach vielen Startschwierigkeiten und Akzeptanzproblemen soll die ePa ab Ende 2024 mit dem Opt-Out-Verfahren zum Digitalstandard in der deutschen Gesundheitsversorgung avancieren. Damit einhergehend kommt dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz eine treibende Rolle zu. Das Gesetz erlaubt die Nutzung von anonymisierten oder pseudonymisierten Gesundheitsdaten ohne explizite Zustimmung der Patienten. Die Datennutzung für Forschung und Innovation soll den Fortschritt in der Medizin und die Entwicklung neuer Therapien fördern.

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v.l. Prof. Rainer Würslin, Prof. Andreas Nüssler, Christoph Pflock, Frank Trautwein
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Wie sehr es bei der Datennutzung nicht nur um Recht oder Interoperabilität, sondern auch um Geld geht, zeigte sich bei der kurz vor Karl Lauterbachs Keynote auf der DMEA abgehaltenen Pressekonferenz des digitalen Ökosystems Aiqnet. Das zum 30. Juni auslaufende Förderkonsortium – bestehend aus 50 Medizintechnikunternehmen, Kliniken und Verbänden – sollte eine digitale Plattform als Grundlage für eine sektorübergreifende und datenschutzkonforme Nutzung medizinischer Daten schaffen. Während laut Aiqnet-Konsortialführer Frank Trautwein innerhalb der Projektlaufzeit erfolgreiche »ready-to-use« Produkte und interoperable Anwendungen auf Basis offenen Standards geschaffen wurden, sprach Prof. Dr. Andreas Nüssler vom Universitätsklinikum Tübingen den wunden, springenden Punkt der Datenplattform an: »Einen einheitlichen, MDR-konformen Minimaldatensatz aufzubauen, der für ein Medizingerät über alle Kliniken als Standard dient: Das ist uns nicht gelungen.« Er bedauert, dass die übergeordnete Zusammenarbeit als Auftragsforschung ab Juli beendet sein wird. »Die Fortführung wäre wichtig gewesen, denn uns fehlt ein rechtssicherer Raum. Die Kliniken haben die Daten, aber sie müssen diese nicht rausgeben«. Aiqnet hätte zwar einen technischen Rahmen aufgebaut, aber es fehle ein Datenkonsens für die Umsetzung. Dabei mangele es laut Nüsser gar nicht am klinischen Willen, sondern – mit Seitenblick auf den anwesenden Digitalreferenten Christoph Pflock vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz – an Abrechnungsmodellen.

Wer bezahlt die Datennutzung?

»Die Kliniken brauchen Geld, um die Daten über ihren eigentlichen Auftrag hinaus als Extra-Service herauszugeben; das kostet Leute, Zeit und Ressourcen,« so Nüssler. Aiqnet hätte sehr viel erreicht, »aber der letzte kleine Schritt fehlt«, um das Ansinnen zum Laufen zu bringen. Denn »ohne Patientendaten, keine Health IT«.

Offensichtlich kennt der Dr. Lauterbach die Abrechnungsproblematik. Neben der datenschutzkonformen Erfassung neuer Daten gehöre für ihn auch die Altdateneingabe für die ePa in den digitalen Maßnahmenkatalog. In seiner Keynote zur DMEA 2023 sagte der Minister zu, sich für eine bessere Honorierung der Datenerfassung einsetzen. Hoffentlich sehr bald: Denn ohne Daten hilft die beste Digitalstrategie gar nichts.


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