Rückschlag für das E-Rezept

Pilotregion stoppt elektronische Verschreibung

3. November 2022, 9:03 Uhr | Ute Häußler, mit Material von dpa
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Same proceedure ... schon wieder stockt das E-Rezept. Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) setzt die Einführung in der bisher einzigen deutschen Testregion aus.

Was haben wir schon über das E-Rezept und seine kleinen Forschritte, politischen Anschübe, die technischen Probleme und die immer wieder auftretenden Verzögerungen geschrieben - die digitale Verschreibung will einfach nicht in die Gänge kommen. Nach dem Stopp in Schleswg-Holstein wird das große Digital Health-Vorhaben nun auch in der bundesweit einzigenverbleibenden Testregion Westfalen-Lippe gestoppt. Die Vollbremsung wirkt wie ein vorläufiger Todesstoß.

Hierzu sehe man sich wegen der Haltung des Bundesdatenschutzbeauftragten gezwungen, teilte die Ärztevereinigung am Donnerstag in Dortmund mit. Der Datenschutzbeauftragte Ulrich Kelber (SPD) hatte im September sein  Veto gegen den Plan zur Nutzung von Versichertenkarten eingelegt. »Die Entscheidung des Datenschützers ist eine Bankrotterklärung für die Digitalisierung im Gesundheitswesen generell und speziell in der ambulanten Versorgung«, sagte KVWL-Vorstand Thomas Müller. Das angestrebte Ziel, dass 25 Prozent aller Verschreibungen von gesetzlich Versicherten elektronisch erfolgen, könne nicht erreicht werden.

Wenig Nachfrage und große Skepsis

Das digitale Rezept ist auf freiwiliiger Basis bundesweit erhältlich, in der Testregion sollte aber mit einem flächendeckenden Einsatz Gas gegeben werden. Anfang September stiegen zunächst 250 Praxen ein, diese Zahl sollte eigentlich schrittweise erhöht werden. Doch den meisten Versicherten war das Prozedere zu kompliziert. Ähnlich wie beim PostIdent-Verfahren bei einer Online-Kontoeröffnung müssen willige E-Rezept-Nutzer die PIN für die Nutzung der Smartphone-App persönlich verifizieren. Was datenschutzrechtlich sinnvoll ist, aber halt mühsam; insbesondere wenn noch gar nicht klar ist, wie es nach der Testphse weitergeht. Anträge für die PIN gab es folglich nur sehr wenige.

Bei der schleppenden Einführung kam erschwerend hinzu, dass die Skepsis in der Ärzteschaft groß ist. In diesem Jahr wurden bisher nur rund 525 000 Digitalverschreibungen eingelöst. Zum Vergleich: Pro Jahr werden in Deutschland circa 500 Millionen Verschreibungen als rosa Zettelchen ausgestellt - der Anteil der Digitalverschreibung ist mit rund 0,01 Prozent also verschwindend gering.

Gründe liegen im Datenschutz

Der Bundesdatenschutzbeauftragte hatte im Falle von Westfalen-Lippe befürchtet, dass es in der geplanten Form Datenmissbrauch in Apotheken geben könnte. Notwendige technische Nachrüstungen mit Updates für Konnektoren - also Routern - und die Apotheken-Software dauern wohl bis Mitte 2023. So lange wollte die KVWL nicht warten und zog nun die Reißleine.

Enttäuscht zeigte sich die für die Digitalisierung des Gesundheitswesens zuständige Berliner Firma Gematik. Man bedauere die Entscheidung der KVWL, die Einführung des E-Rezepts vorläufig nicht weiter zu forcieren. Das E-Rezept werde aber bundesweit weiterhin genutzt, stellte sie heraus. Die Nutzung durch die Artzpraxen und die Anzahl der verifzierten PIN sei zwar noch niedrig, aber Berichte von Patienten bestätigten die Vorteile des komplett papierlosen Wegs. Auch KVWL-Vorstand Müller will dranbleiben: »Wir fordern erneut eine rein digitale Lösung – nur dann kann eine Fortsetzung des Rollouts durch die KVWL erfolgen«.

Totgesagte leben hoffentlich länger

Aufgeben ist in der dringend notwendigen Digitalisierung des Gesundheitswesen keine Option. Die nächsten Schritte für die bundesweite Einführung des E-Rezepts werden die Gesellschafter der Gematik - neben dem Mehrheitseigner Bundesgesundheitsministerium auch Interessenorganisationen aus der Gesundheitsbranche - bei einer ihrer nächsten Versammlungen abstimmen. Das Ziel einer flächendeckenden Einführung des E-Rezepts im Jahr 2023 bleibe bestehen, so die Gematik. Wenn es so weiter geht wie bisher, ist Hoffnung wohl die einzige verbleibende Kraft.

Die Umstellung von Papierrezept auf Digitalverschreibung hatte bereits von Beginn an erhebliche Startprobleme. Ein Pilotprojekt in Berlin-Brandenburg verlief im vergangenen Jahr weitgehend im Sande, eine bundesweite Testphase begann später als geplant. Die eigentlich für Januar 2022 vorgesehene Pflichteinführung wurde abgebrochen. Die freiwillige Einführung mit Pilotregionen, wo die Motivation in der Ärzteschaft relativ hoch ist, entwickelt sich nun ebenfalls zum Rohrkrepierer. (uh)

 


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