Wer sich im öffentlichen Raum bewegt, sieht kaum noch Menschen ohne Knopf im Ohr. Neue Technologien und Patentanträge deuten an, dass In-Ear-Kopfhörer schon in den nächsten zwei Jahren die Funktion von Hörgeräten und weiterer Medizintechnik übernehmen könnten.
Früher wurden Träger von Hörgeräten stigmatisiert, heute läuft vor allem die jüngere Generation fast dauerhaft mit Bluetooth-Kopfhörer herum – für Sprachnachrichten, YouTube-Videos oder soziale Reels. Doch auch für Business-People oder Podcast-Fans sind die Tonüberträger schon quasi integrierter Ohrbestandteil. Und cool, oder zumindest breit akzeptiert.
Was liegt also näher, als die kleinen Hörknöpfe mit Zusatzfunktionen auszustatten. Aktive und selektive Geräuschunterdrückung war nur der Anfang. Sensoren und Magnete können beispielsweise die absolute Lage im Raum bestimmen und so das Hören durch gezielte Richtungsverstärkung verbessern. Spätestens an diesem Punkt wird klar, dass hier nicht über reines Entertainment gesprochen wird, sondern Qualität und Zweck der Features in die Richtung von Hörgeräten deuten. Smartwatches messen die Herzfrequenz und Sauerstoffsättigung des Blutes, tracken die Schlafqualität und die Körperbatterie und sollen bei Apple demnächst auch den Blutzucker checken: In Zeiten also, in denen technologische Mega-Sprünge Alltagsgegenstände mit Medizingeräten kreuzen, wären Bluetooth-Kopfhörer als Hörgeräte eine logische Konsequenz.
Laut dem Apple-Insider Marc Gurman arbeitet das kalifornische Tech-Unternehmen bereits mit Hochdruck daran, seine Airpods innerhalb der nächsten zwei Jahre zu einem Gesundheitstool aufzurüsten und Hördaten zu generieren. Zwar gibt es bereits Funktionen wie »Live listen« oder »Conversation Boost«, doch die Features sind bisher weder von der FDA zugelassen noch ein wirklicher Hörgeräte-Ersatz. Da Apple bereits mehrfach die strategische Wichtigkeit des Healthcare-Marktes betont hatte, rechnet der Bloomberg-Journalist damit, dass Airpods diese Funktionen bald »offizieller« übernimmt – also eventuell mit behördlicher Zertifizierung als Hörhilfe. Die Kopfhörer könnten dann die von ihnen selbst angerichteten Schäden beheben.
Doch damit nicht genug. Zusätzlich zum Einsatz als Hörgerät weisen mehrere Patentanträge von Apple darauf hin, dass die Kopfhörer zudem für ein weitreichenderes Fitness-Tracking genutzt werden sollen. Biometrische Sensoren könnten mit Hautkontakt und via Bewegungssensorik die Körpertemperatur, Herzfrequenz, Schweißmenge und viele weitere Messwerte erfassen. Gesundheitsdaten am Ohr sind laut Kevin Lynch, VP Technology bei Apple, wichtig für den Tech-Konzern, immerhin messen Anbieter wie Anker und Amazfit bereits die Herzfrequenz über ihre Kopfhörer. Doch für das Apple-Universum und sein integriertes Gesundheitsportal Health wären die neuen Funktionen im Zusammenspiel mit weiteren Datenquellen von umfassenderem Nutzen und könnten die Präzision der ausgegebenen Ergebnisse weiter erhöhen – und sich damit noch weiter in Richtung Medizingeräte bewegen.
Wer jetzt Angst hat, er müsse sich schon wieder neue, ziemlich teure Kopfhörer kaufen, sei beruhigt. Die neuen Gesundheitsfunktionen zum besseren Hören wären nicht unbedingt von der Veröffentlichung neuer Airpods abhängig, die aktuellen Modelle enthalten bereits Mikrofone und Lautsprecher für derartige Funktionen. Ein Firmware-Update könnte neue Features sehr einfach auch auf bereits verkaufte Geräte übertragen.