EU-MDR

Über das Ziel hinausgeschossen

7. September 2021, 14:00 Uhr | Actega
Konformitätsbewertung für Medizinprodukte stößt bereits heute an Grenzen.
© Pixabay

Warum die EU-MDR zur regulatorischen Großbaustelle verkommt

Die EU-Medizinprodukte-Verordnung (Medical Device Regulation – MDR) gilt seit 26. Mai 2021. Die rechtlichen Vorgaben für die Medizintechnik-Branche werden damit deutlich umfangreicher als bisher. Die EU-Verordnung umfasst 123 Artikel und 17 Anhänge mit insgesamt 175 Seiten. Das deutsche Anpassungsgesetz besteht aus 99 Paragraphen. Das bisherige deutsche Medizinproduktegesetz (MPG) kam mit 44 Paragraphen aus.

Die MDR bedeutet für die Medizinprodukte-Unternehmen einen enormen Mehraufwand, beispielsweise durch erforderliche Personalaufstockungen und größeren bürokratischen Aufwand. Bei rund der Hälfte der Unternehmen, die sich an einer Umfrage des Bundesverbandes der Medizintechnologie (BVMed) beteiligt haben, lagen die finanziellen Mehrkosten durch die MDR-Implementierung bei über einer Million Euro. Nicht nur Mediziner warnen daher, dass die Patientenversorgung massiv gefährdet werde.

Rund 93 Prozent der Medizintechnik-Unternehmen sind Klein- und mittelständische Betriebe mit weniger als 250 Mitarbeitern. »Wenn aber insbesondere kleine und mittelständische Firmen gezwungen sind, alle ihre Entwicklungsressourcen in die Regulatorik zu verlagern, und zwar auf Kosten der Innovationstätigkeit, dann zeigt das, dass man mit der MDR augenscheinlich über das Ziel hinausgeschossen ist«, so Dr. Meinrad Lugan, BVMed Vorstandsvorsitzender. Denn das bedeute auch, dass Entwicklungsprojekte und Innovationen verschoben oder gleich auf den US-Markt verlegt werden. Die Prosperität werde Schaden nehmen.

Regulatorische Großbaustelle

Dabei ist die Medizintechnik-Branche eine wichtige Säule der industriellen Gesundheitswirtschaft (iGW) in Deutschland: Sie stabilisiert die Wirtschaft, sichert Arbeitsplätze und fördert Innovationen. Mehr als ein Fünftel der Bruttowertschöpfung (BWS) der Gesundheitswirtschaft entfällt auf die iGW. Die Medizintechnik-Branche im engeren Sinn steht direkt für 15,5 Milliarden Euro Bruttowertschöpfung und 235.000 Arbeitsplätze. Nimmt man indirekte und induzierte Effekte hinzu, steht die MedTech-Branche für 450.000 Erwerbstätige und 34,0 Milliarden Euro Bruttowertschöpfung.

Die Branche ist ein wichtiger Treiber des medizinischen Fortschritts. Dafür werden sehr intensive Forschungsanstrengungen unternommen. Im Durchschnitt investieren die MedTech-Unternehmen rund neun Prozent ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Deutsche Medizintechnik ist auf dem Weltmarkt sehr erfolgreich. Die Exportquote lag im Jahr 2020 bei rund 66 Prozent.

Die seit 26. Mai 2021 geltende MDR hat sich – da sind sich MedTech-Unternehmen, Mediziner und Verbände einig – als regulatorische Großbaustelle entpuppt. Das Regelwerk ist (noch) nicht praxistauglich: Die Anzahl und die Kapazitäten der Benannten Stellen sind immer noch zu gering. Für Bestandsprodukte sind klinische Daten zum Teil nur schwer zu erheben. Innovationen stecken in der Warteschleife und drohen auszuwandern.

Die Überführung von 20.000 Zertifikaten bis zum Ende der »Grace Period« (Übergangsfrist) 2024 ist zeitkritisch. Für Remote Audits ist keine rechtliche Basis vorhanden und die Regelungen sind EU-weit nicht harmonisiert. Für Orphan Devices (Nischenprodukte) fehlen Ausnahmeverfahren. Die Leitlinien der Medical Device Coordination Group (MDCG) sind uneinheitlich und ohne Übergangsfristen. Die EUDAMED-Datenbank (die europäische Datenbank für Medizinprodukte, in die Daten einzupflegen Wirtschaftsakteure und Behörden verpflichtet sind) ist noch nicht funktionstüchtig.

Es braucht pragmatische Lösungen

Auch das ARD-Magazin Plusminus brachte Anfang August einen Beitrag mit kritischen Mediziner-Stimmen darüber, dass die neue MDR die medizinische Versorgung verschlechtere. Die Verbände der Medizinprodukteindustrie in Deutschland, Österreich und der Schweiz legten daher ein gemeinsames Zehn-Punkte-Papier vor, welches die aktuellen Problemfelder bei der Umsetzung der MDR beschreibt und zugleich Vorschläge aufzeigt, wie diese gelöst werden können, damit die Versorgung der Patientinnen und Patienten sowohl mit innovativen als auch mit seit langen Jahren bewährten Medizinprodukten sichergestellt werden kann. 

Insbesondere für bewährte Bestandsprodukte braucht es pragmatische Lösungen, beispielsweise über das Instrument der »Anerkennung klinischer Praxis«, finden. Für Orphan Devices sollte die Europäische Kommission Ausnahmeregelungen nach dem US-Vorbild der Humanitarian Device Exemption sowie der Orphan Drug-Regelungen in Europa schaffen.

Für KMU sollten spezielle Förderprogramme beispielsweise zur Unterstützung von klinischen Studien aufgelegt werden, die sich nicht nur auf Neuentwicklungen und Innovationen beschränken, sondern Bestandsprodukte einschließen. Nicht erst seit der neuen Medizinprodukte-EU-Verordnung stehen Medizintechnikhersteller vor der schwierigen Aufgabe, ihre Produkte vor der Markteinführung umfangreichen regulatorischen Qualifizierungen zu unterziehen und vollständige Dokumentationen einreichen zu müssen.

Jede Komponente muss komplexe Anforderungen erfüllen

Das braucht Zeit und erhebliches Know-how und  Partner, der über eben jenes Wissen verfügt. Bei Actega beispielsweise gibt es für jedes Projekt einen festen Ansprechpartner mit entsprechender Service- und Fachkompetenz im Bereich TPE-Werkstoffe, der die Hersteller und Projekte von der Entwicklung bis zur Markteinführung begleitet. Für die ProvaMed-TPE liegen zudem umfangreiche und vollständige Dokumentationen vor, die die Einhaltung der Medical Device Regulation garantieren und auch schnellere und bessere Projekterfolge ermöglichen.

Ein umfassender Support ist auch daher wichtig, da nicht nur die Produkte an sich, sondern oft auch jede einzelne Komponente komplexe Anforderungen erfüllen müssen, zum Beispiel. den Nachweis der Biokompatibilität nach USP Class VI oder ISO 10993-5. Biokompatibilität bedeutet, dass die Eigenschaften des verwendeten Materials biologisch verträglich sein müssen und keine unerwünschten Wechselwirkungen mit anderen Materialien oder lebendem Gewebe zeigen sollten.

Neben der generellen Forderung bezüglich der Verwendung von Ausgangsmaterialien, bestehend aus nicht toxischen Substanzen, wird diese Anforderung noch zusätzlich für karzinogene, reproduktionstoxische und endokrin wirkende Substanzen spezifiziert. Wer hier auf bereits erfolgreich geprüfte, nicht zytotoxische TPE-Kunststoffgranulate zurückgreift, erleichtert sich als Medizintechnikhersteller erheblich die Konformitätsarbeit. 
 


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