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Vertrauen ist Kopfsache

21. Oktober 2019, 10:00 Uhr | Universität Wien
Bei dem Experiment hat das Team um Lisa Rosenberger mit dem Vertrauensspiel gearbeitet. Die Ergebnisse geben einen Einblick in die Funktionsweise der besolateralen Amygdala.
© Pixabay

Psychologie | Das Bauchgefühl kann täuschen, das gilt vor allem in Bezug auf andere Menschen. Dabei hat der Bauch relativ wenig damit zu, ob wir anderen vertrauen oder nicht. Das zeigt eine aktuelle Studie der Universität Wien.

Vertrauen ist ein Grundbaustein für unsere Beziehungen mit anderen. Ein naives Vertrauen führt zu Ausbeutungen; extremes Misstrauen manifestiert sich in psychischen Erkrankungen wie der Paranoiden- und der Borderline-Persönlichkeitsstörung. Eine genaue Identifizierung der Bausteine des Gehirnnetzwerks, das die Vertrauensbildung reguliert, ist notwendig, um neue medizinische Behandlungen entwickeln zu können.

Neue Erkenntnisse über Funktion der Amygdala geben Einblick in die Vertrauensbildung

Um vertrauen zu schenken, ist eine intakte basolaterale Amygdala (Mandelkernkomplex im vorderen Teil des Temporallappens) notwendig. Zu diesem Ergebnis ist ein Team um Lisa Rosenberger und Jack van Honk gekommen. In einer neuen Studie haben sie die Vertrauensbildung von Patientinnen mit dem seltenen Urbach-Wiethe-Syndrom erforscht, das sich durch Verkalkungen von Teilen des Gehirns kennzeichnet.

Dieses ist eine genetisch bedingte, äußerst seltene Krankheit mit weltweit nur ungefähr 100 bekannten Fällen, von denen ein Großteil in Südafrika vorkommt. Für das Forschungsprojekt hat das Team dort bei fünf Patientinnen Daten erhoben. Die Gehirnschädigungen der Patientinnen sind ausschließlich auf eine Teilregion der Amygdala, der sogenannten basolateralen Amygdala, beschränkt – eine solche spezifische Gehirnschädigung ist einzigartig in der menschlichen Hirnforschung.

Vertrauen ist nicht immer lernbar

In der Studie wurde ein Verhaltensexperiment durchgeführt – das sogenannte Vertrauensspiel, bei dem die Teilnehmerinnen bei ökonomischen Interaktionen lernen, dass einer großzügigen Mitspielerin zu vertrauen ist und einer selbstsüchtigen Mitspielerin nicht. Die Urbach-Wiethe-Patientinnen mit der basolateralen Amygdala-Schädigung konnten das nicht lernen und haben sowohl die großzügige als auch die selbstsüchtige Mitspielerin gleichbehandelt.

»Wir haben mit Hilfe von Kontrollmessungen gezeigt, dass die Schädigung der basolateralen Amygdala – und nicht etwa allgemeine Lernprobleme oder der sozioökonomische Status – für die Defizite bei der Vertrauensbildung der Probandinnen verantwortlich ist«, sagt Rosenberger. Durch die defekte basolaterale Amygdala wurden Informationen über die Vertrauenswürdigkeit der Mitspieler nicht an die notwendigen Regionen des involvierten Gehirnnetzwerks weitergeleitet, wodurch die Patientinnen ihr Vertrauen gegenüber den Mitspielerinnen nicht verändern konnten. (me)

Schlagworte: Psychologie, Gehirn, Vertrauen

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