Licht statt Strom

Wie künstliches Hören natürlicher werden könnte

7. Mai 2019, 8:30 Uhr | Universitätsmedizin Göttingen - Georg-August-Universität
Rekonstruktion des Innenohrs einer Mongolischen Wüsten-rennmaus mit der Hörschnecke und Gleichgewichtsorganen.
© Carlos Duque-Afonso, Institut für Auditorische Neurowissenschaften/umg

Musik genießen oder das Zuhören in einer Umgebung mit vielen Hintergrundgeräuschen – das ist immer noch schwierig für Menschen, die auf Cochlea-Implantate angewiesen sind. Hörforscher konnten jetzt nachweisen, dass sich die Qualität verbessern ließe, wenn die Hörbahn mittels Licht stimuliert wird.

Die Wissenschaftler um Prof. Dr. Tobias Moser, Direktor des Institutes für Auditorische Neurowissenschaften an der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) sowie Leiter der Forschungsgruppe Auditorische Neurowissenschaften und Optogenetik am Deutschen Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung (DPZ), haben in einer kürzlich veröffentlichten Studie das Auflösungsvermögen für Tonhöhen beim natürlichen sowie künstlichen Hören gemessen und bestimmt. Dabei verglichen sie die in Göttingen entwickelte Anregung des Hörnervs mittels Licht (optogenetische Anregung) mit natürlichem Hören und dem Hören mit Hilfe des etablierten elektrischen Cochlea-Implantats im Tiermodell. Über die Untersuchung der Nervenaktivität im Mittelhirn gewannen die Wissenschaftler vergleichbare Daten über das Auflösungsvermögen für Tonhöhen (Frequenz) bei akustischem, optischem und elektrischem Hören.

Die Wissenschaftler des Göttingen Campus kommen zu dem Ergebnis, dass die künstliche Anregung der Hörbahn mittels Licht eine wesentlich höhere Auflösung als die Anregung mittels Strom ermöglicht. Bei niedrigen Anregungsintensitäten war die Tonhöhenauflösung ihren Untersuchungen zufolge sogar so gut wie beim natürlichen Hören. Diese neuen Erkenntnisse lassen die Forscher hoffen, dass es mit künftigen optischen Cochlea-Implantaten gelingen könnte, das Hörvermögen von Schwerhörigen besser wiederherzustellen. Die vorklinische Forschung wurde durch das Projekt »OptoHear« des Europäischen Forschungsrats (ERC) gefördert. Die Forschungsergebnisse sind veröffentlicht in Nature Communications.

»Unsere Ergebnisse zeigen erstmals, dass die Frequenzauflösung optogenetischer Stimulation des Hörnervs in feineren Stufen erfolgen kann, als mit der bisher in der Klinik verwendeten elektrischen Stimulation in Cochlea-Implantaten erreicht wird«, sagt Alexander Dieter, Doktorand am Institut für Auditorische Neurowissenschaften, UMG, und Erstautor der Studie.

Hintergrund

Zur Wiederherstellung des Hörvermögens bei hochgradig schwerhörigen oder tauben Menschen werden heutzutage Hörprothesen, so genannte Cochlea-Implantate, verwendet. Diese werden in die Hörschnecke eingesetzt und regen den Hörnerv mittels elektrischen Stroms an. Cochlea-Implantate vermitteln weltweit mehr als 500.000 Patienten einen künstlichen Höreindruck, in der Mehrzahl der Fälle ermöglicht er ein Sprachverstehen.

Limitiert sind die bisher verwendeten Hörprothesen jedoch in der genauen Übertragung feiner Abstufungen der Tonhöhe (Frequenz). Für die Betroffenen bedeutet dies Schwierigkeiten bei der Sprachwahrnehmung in Umgebungen mit Hintergrundgeräuschen und beim Erkennen von Melodien.

Ursache der limitierten Frequenzauflösung heutiger Cochlea-Implantate ist die relativ weite Ausbreitung des elektrischen Stroms in der Cochlea: Hierdurch werden große Abschnitte des Hörnervs gleichzeitig aktiviert. Dadurch wird die Darstellung verschiedener Tonhöhen beim künstlichen Hören unpräzise.

 

(me)


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