Start-Up des Monats

Wirksam, ganz ohne Pieks

3. Juni 2022, 9:17 Uhr | Ute Häußler
© NovoArc

NovoArc aus Wien will Spritzen durch Tabletten ersetzen und Medikamente ungekühlt lagern.

Wie lautet euer Elevator Pitch?

Medikamente wirksam, einfach und sicher an Patienten zu verabreichen ist oft eine große Herausforderung. Der Magen zerstört viele Wirkstoffe bei oraler Gabe, sie werden nicht effizient aufgenommen und müssen mittels Spritze verabreicht werden. Wir haben eine neuartige, biologische Hülle entwickelt, die den Wirkstoff im Magen vor Abbau schützt, auch schlecht bioverfügbare Stoffe werden aufgenommen. Zusätzlich stabilisiert die Schutzhülle die Wirkstoffe, wodurch diese keine Kühlung benötigen und bei Raumtemperatur transportiert und gelagert werden können. Teure und stromverbrauchende Kühlketten fallen weg, und die Versorgung mit Medikamenten wird auch in entlegenen Gebieten möglich.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen?

Unser CTO Julian Quehenberger hat im Rahmen seiner Dissertation gemeinsam mit Prof. Oliver Spadiut Grundlagenforschung an einem ganz speziellen Organismus durchgeführt. Dieser Organismus fühlt sich in schwefelhaltigen Quellen, also unter extremen Bedingungen mit einem pH-Wert 2 und bei 80 °Celsius, besonders wohl. Es ist schwierig, diesen Organismus unter kontrollierten Laborbedingungen zu züchten, doch uns ist es dank unserer langjährigen Erfahrung gelungen. Für Praxisanwendungen haben wir dann Lipide aus der Zellmembran dieses Organismus isoliert. In der Natur schützen diese Stoffe den Organismus gegen Umweltbedingungen. Wir nutzen die Lipide für die Verkapselung von Wirkstoffen, um diese vor ähnlich harschen Bedingungen im Magen-Darm-Trakt zu schützen. Nachdem wir bei einem Institutswettbewerb eine Machbarkeitsstudie gewonnen hatten, haben wir erfolgreich ein FFG Spin-off Fellowship eingeworben. Mit der Förderung von 500.000 Euro konnten wir die Technologie zur Marktreife weiterentwickeln.

Was war euer größter Erfolg?

Ein sehr wichtiger Meilenstein war die erfolgreiche Investorensuche. Wir freuen uns riesig, einen finanzkräftigen Partner an der Seite zu haben, der uns zusätzlich mit seinem Know-how und Netzwerk gut unterstützt. Dadurch können wir uns auf die Weiterentwicklung der Technologie und auf unsere Kunden konzentrieren. Wir konnten dadurch auch zusätzliche Ressourcen in die Entwicklung zur Verbesserung der Aufnahme von mRNA-Wirkstoffen stecken. Hier haben wir brandneue und sehr vielversprechende Ergebnisse, die wir in Kürze veröffentlichen möchten, und auf die wir sehr stolz sind.

Und der größte Rückschlag?

Eine große Herausforderung war Covid-19 und insbesondere der erste Lockdown. Innerhalb weniger Tage wurde unser komplettes Labor geschlossen, wir mussten alle Experimente stoppen und die Bioreaktoren herunterfahren. Das gesamte Team arbeitete von zu Hause. Wir haben diese Zeit dann jedoch gut genutzt, um unser Funding für die
Zukunft zu sichern, die aufgeschobene Dokumentationsarbeit fertigzustellen und bezahlte Machbarkeitsstudien mit Partnern aus der Industrie aufzustellen.

Wo seht ihr euch in fünf Jahren?

In fünf Jahren möchten wir ein stabiles, mittelständiges, österreichisches Unternehmen sein, das bereits Gewinne erzielt. Wir möchten bis dahin eine eigene Produktionsanlage haben und Produkte, die unsere Technologie nutzen, in den Regalen der Apotheken sehen. Einen Exit streben wir derzeit nicht an.

Wie sieht die Medizin der Zukunft aus?

In Zeiten von Covid-19 hat sich wieder einmal gezeigt, wie wichtig es ist, alle Teile der Bevölkerung mit Medikamenten versorgen zu können. Mehr als 20 Prozent aller Menschen haben Angst vor Spritzen und nehmen deshalb keine medizinische Behandlung in Anspruch. Spritzen können aber auch bei nicht vorhandenen hygienischen Standards in Krisen- und Kriegsgebieten oft nicht angewendet werden. Daher wird es immer wichtiger, eine Vielzahl von Wirkstoffen nicht nur mittels Spritze, sondern via Tabletten zu verabreichen. (uh)


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