Biosensoren

Aller guten Dinge sind drei

9. November 2021, 8:00 Uhr | Andrew Burt (Maxim Integrated*)
Begleiter für den Alltag: Das neue Analog-Front-End soll vor allem in kleinen, tragbaren sowie smarten Patches zum Einsatz kommen.
© monkeybusinessimages/iStock/Analog Device

Neues Vitalparameter-AFE erleichtert Erkennung von Krankheiten

Die meisten Menschen, deren Vitalparameter kontinuierlich überwacht werden müssen, befinden sich in der Regel bereits in einem klinischen Umfeld und werden wegen einer akuten Erkrankung behandelt. Aber anstatt die Vitalparameter nur als Indikator für die Wirksamkeit der Behandlung und den Genesungsfortschritt der Patienten und Patientinnen zu verwenden, wird das Modell der zukünftigen Gesundheitsversorgung darin bestehen, die Vitalparameter kontinuierlich aus der Ferne zu überwachen, um potenzielle Indikatoren für den Ausbruch einer Krankheit zu erkennen. Das Ziel: Ärzte und Ärztinnen sollen so früh wie möglich eingreifen können – im Idealfall bevor sich eine schwere Krankheit entwickelt. Die zunehmende Integration von Sensoren mit klinischer Qualität soll bis dahin die Entwicklung von Einweg-Vitalparameter-Patches ermöglichen, die wie Kontaktlinsen in regelmäßigen Abständen ausgetauscht und entsorgt werden.

Viele Gesundheits- und Fitness-Wearables verfügen zwar bereits über Funktionen, um Vitalparameter zu erfassen.  Aber die Integrität ihrer Messwerte kann aus verschiedenen Gründen fraglich sein: Dazu gehören die Qualität der verwendeten Sensoren (die meisten sind nicht für den klinischen Einsatz geeignet), die Stelle, an der sie angebracht sind, und die Qualität des Körperkontakts beim Tragen. Die Geräte reichen aus, um den Wunsch nach gelegentlicher Selbstbeobachtung durch Personen ohne medizinische Expertise mit einem praktischen und bequemen tragbaren Gerät zu befriedigen. Aber sie erfüllen nicht die Leistungs- und Genauigkeitsstandards, die geschultes medizinisches Fachpersonal benötigt, um den Gesundheitszustand einer Person richtig zu beurteilen und eine fundierte Diagnose zu stellen. Andererseits sind die derzeit verwendeten Geräte, die die Vitalparameter in klinischer Qualität über längere Zeiträume hinweg überwachen, oft sperrig beziehungsweise unbequem und ihre Tragbarkeit ist nicht immer gewährleistet.

Insbesondere vier Vitalparameter – Blutsauerstoffsättigung (SpO₂), Herzfrequenz (HR), Elektrokardiogramm (EKG) und Atemfrequenz (RR) – sind für die rechtzeitige Erkennung von Krankheiten von großer Bedeutung. Das neue hochintegrierte medizinische Sensor-Analog-Front-End (AFE) MAX86178 von Analog Devices vereint die Funktionen von drei separaten Biosensoren in einem einzigen Gehäuse und hat das Potenzial, dem Konzept eines tragbaren Einweg-Vitalparameter-Patches ein großes Stück näher zu kommen.

Blutsauerstoffsättigung

Bild 1.Stromsparender 3-in-1-Vitalparameter-AFE MAX86178 in klinischer Qualität.
Bild 1.Stromsparender 3-in-1-Vitalparameter-AFE MAX86178 in klinischer Qualität.
© Analog Devices

Bei gesunden Menschen liegt die Blutsauerstoffsättigung in der Regel im Bereich von 95 bis 100 Prozent. SpO2-Werte von 93 Prozent oder weniger können jedoch ein Anzeichen dafür sein, dass eine Person unter Atemnot leidet. Daher ist die Blutsauerstoffsättigung für medizinisches Fachpersonal ein wichtiger Wert, der regelmäßig überwacht werden muss, zum Beispiel mithilfe der Photoplethysmographie (PPG). Dabei handelt es sich um ein optisches Messverfahren, bei dem mehrere LED-Sender die Blutgefäße unter der Hautoberfläche beleuchten. Mithilfe von Photodiodenempfängern, die das reflektierte Lichtsignal erfassen, lässt sich schließlich der SpO2-Wert berechnen.  

PPG-Lichtsignale sind jedoch anfällig für Störungen durch Bewegungsartefakte und vorübergehende Schwankungen des Umgebungslichts. Dies kann zu verfälschten Messwerten führen, sodass die Geräte keine klinischen Messungen liefern. Im klinischen Umfeld wird der Wert für die Blutsauerstoffsättigung mit einem Pulsoximeter gemessen, das kontinuierlich am Finger eines stationären Patienten angebracht ist. Es gibt zwar batteriebetriebene, mobile Versionen, allerdings eignen sich diese nur für intermittierende Messungen.

Herzfrequenz und EKG

Eine gesunde Herzfrequenz (Heart Rate, HR) liegt in der Regel im Bereich von 60 bis 100 Schlägen pro Minute, wobei das Zeitintervall zwischen den einzelnen Schlägen nicht konstant ist. Dies wird oft als Herzfrequenzvariabilität (Heart Rate Variability, HRV) bezeichnet und bedeutet, dass HR ein Durchschnittswert ist, der über mehrere Schlagzyklen zu messen ist. 

Bei einem gesunden Menschen sind Herz- und Pulsfrequenz nahezu identisch, da das Blut mit jeder Kontraktion des Herzmuskels durch den Körper gepumpt wird. Bei einigen schwerwiegenden Herzerkrankungen können beide Werte jedoch voneinander abweichen. Bei Herzrhythmusstörungen wie dem Vorhofflimmern (Atrial Fibrillation, kurz als Afib bezeichnet) beispielsweise wird nicht bei jeder Muskelkontraktion des Herzens Blut durch den Körper gepumpt. Stattdessen kann sich das Blut in den Herzkammern selbst stauen, was lebensbedrohlich sein kann. Afib ist nicht immer leicht zu erkennen, da es manchmal intermittierend und nur während kurzer Zeiträume auftritt. 

Wie wichtig es ist, diesen Zustand zu erkennen und zu behandeln, zeigt die Tatsache, dass nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation ein Viertel aller Schlaganfälle bei Menschen über 40 Jahren auf Vorhofflimmern zurückzuführen ist. Da PPG-Sensoren optische Messungen unter der Annahme vornehmen, dass die Herzfrequenz mit der Pulsfrequenz identisch ist, lassen sie sich nicht zur Erkennung von Vorhofflimmern einsetzen. Dazu muss die elektrische Aktivität des Herzens kontinuierlich über einen längeren Zeitraum aufgezeichnet werden – die grafische Darstellung des elektrischen Signals des Herzens wird als Elektrokardiogramm (EKG) bezeichnet. Der Holter-Monitor ist das gängigste tragbare klinische Gerät für diesen Zweck. Es benötigt zwar weniger Elektroden als statische EKG-Monitore, die im klinischen Bereich verwendet werden, können aber – aufgrund der Trageposition im Brustbereich – unbequem zu tragen sein, insbesondere im Schlaf.

Atemfrequenz

Bild 2. Brustpatch mit zwei nassen Elektroden für BIA und kontinuierliche Messung von RR/ICG, EKG, SpO2.
Bild 2. Brustpatch mit zwei nassen Elektroden für BIA und kontinuierliche Messung von RR/ICG, EKG, SpO2.
© Analog Devices

12 bis 20 Atemzüge pro Minute ist die Atemfrequenz (Respiratory Rate, RR), die bei den meisten gesunden Menschen zu erwarten ist. Ein Wert von mehr als 30 Atemzügen pro Minute kann ein Indikator für Atemnot sein, die durch Fieber oder einen anderen Grund verursacht wird. Während einige Wearables, die die RR mithilfe von Beschleunigungsmessern oder PPG-Techniken ableiten, wird die Atemfrequenz in klinischer Qualität entweder mithilfe der in einem EKG-Signal enthaltenen Informationen oder mithilfe eines Bioimpedanzsensors (BioZ) gemessen. Dieser charakterisiert die elektrische Impedanz der Haut mithilfe von zwei oder mehr am Körper angebrachten Elektroden. 

Während einige hochwertige Gesundheits- und Fitness-Wearables über eine von der U.S. Food and Drug Administration (FDA) zugelassene EKG-Funktionalität verfügen, ist die Bioimpedanz-Sensorik in der Regel nicht verfügbar, da sie einen separaten BioZ-Sensor-IC erfordert. Neben der Erfassung der Atemfrequenz (Respiration Rate; RR) ermöglichen die BioZ-Sensoren auch die bioelektrische Impedanzanalyse (BIA) und die bioelektrische Impedanzspektroskopie (BIS), die beide zur Messung der Muskel-, Fett- und Wasserzusammensetzung des Körpers nötig sind. BioZ-Sensoren realisieren auch die Impedanzkardiographie (ICG) und kommen zur Messung der galvanischen Hautreaktion (GSR) zum Einsatz, die ein Indikator für Stress sein kann.

3-in-1-Sensor-Lösung

Bild 3. Am Handgelenk getragenes Gerät mit vier Trockenelektroden zur Überwachung von BIA und EKG mit kontinuierlicher HR-, SpO2- und GSR-Messung.
Bild 3. Am Handgelenk getragenes Gerät mit vier Trockenelektroden zur Überwachung von BIA und EKG mit kontinuierlicher HR-, SpO2- und GSR-Messung.
© Analog Devices

In Bild 1 ist das Funktionsblockdiagramm eines klinischen Vitalparameter-AFE-ICs (MAX86178, Analog Devices) dargestellt, der die Funktionen von drei separaten Sensoren – PPG, EKG und BioZ – in einem einzigen Gehäuse integriert. Sein optisches Zweikanal-PPG-Datenerfassungssystem unterstützt bis zu sechs LEDs und vier Fotodiodeneingänge, wobei die LEDs über zwei 8-Bit-Hochstrom-LED-Treiber programmierbar sind. Der Empfangspfad verfügt über zwei rauscharme, hochauflösende Auslesekanäle, die jeweils unabhängige 20-Bit-ADCs und eine Schaltung zur Unterdrückung von Umgebungslicht mit einer Fremdlichtunterdrückung von über 90 dB bei 120 Hz enthalten. Der PPG-Kanal weist ein SNR von bis zu 113 dB auf, der SpO2-Messungen bei nur 16µA unterstützt.

Der EKG-Kanal ist eine vollständige Signalkette, die alle wichtigen Funktionen bietet, die es braucht, um die Daten in klinischer Qualität zu erfassen, zum Beispiel flexible Verstärkung, zuverlässige Filterung, geringes Rauschen, hohe Eingangsimpedanz und mehrere Optionen für die Ableitungsvorspannung. Zusätzliche Funktionen wie Fast Recovery, eine Ultra-Low-Power-AC- und DC-Ableitungserkennung und Right Leg Drive ermöglichen einen robusten Betrieb in anspruchsvollen Anwendungen, etwa bei am Handgelenk getragenen Geräten mit trockenen Elektroden. Die Analogsignalkette steuert einen 18-Bit-Sigma-Delta-ADC mit einer breiten Palette an vom Anwender wählbaren Abtastraten.

Der BioZ-Empfangskanal hat eine EMI-Filterung und umfangreiche Kalibrierfunktionen. Außerdem verfügt er über eine hohe Eingangsimpedanz, geringes Rauschen, programmierbare Verstärkung, Tiefpass- und Hochpassfilteroptionen und einen hochauflösenden ADC. Es gibt mehrere Modi, um die Eingangsstimuli zu erzeugen: symmetrische Rechteckstromquelle/-senke, Sinusstrom und sowohl Sinus- als auch Rechteckspannungsstimuli. Es steht eine breite Palette von Stimulusgrößen und -frequenzen zur Verfügung. Der Baustein unterstützt auch Bioelektrische Impedanzanalyse (BIA)-, Bispektralindex (BIS)-, Impedanzkardiographie (ICG)- und galvanische Hautreaktions(GSR)-Anwendungen.

FIFO-Timing-Daten ermöglichen die Synchronisierung aller drei Sensorkanäle. Der AFE-IC ist in einem 7 mm x 7 mm großen 49-Bump-Wafer-Level-Package (WLP) mit Gehäuseabmessungen von nur 2,6 mm x 2,8 mm erhältlich und eignet sich damit ideal für das Design eines tragbaren klinischen Brustpatches (Bild 2). Bild 3 zeigt, wie das AFE in ein am Handgelenk getragenes Wearable designt werden kann, um BIA und EKG mit kontinuierlicher HR, SpO2 und EDA/GSR auf Abruf bereitzustellen.

Fazit & Ausblick

Blutsauerstoffsättigung, Herzfrequenz, EKG und Atemfrequenz sind wichtige Vitalparameter, die medizinisches Fachpersonal für Diagnosezwecke verwendet. Deren kontinuierliche Überwachung mithilfe tragbarer Geräte bildet eine Schlüsselkomponente in der zukünftigen Gesundheitsversorgung. Sie ermöglicht es, Krankheiten bereits vor dem Auftreten der ersten Symptome zu erkennen. Viele der derzeit erhältlichen Vitalparameter-Überwachungsgeräte können vom medizinischen Fachpersonal nicht verwendet werden, da deren Sensoren nicht für den klinischen Einsatz geeignet sind. Andere Geräte sind außerstande, die Atemfrequenz genau zu messen, da sie keinen BioZ-Sensor enthalten. 

Der neue IC integriert drei Sensoren in klinischer Qualität – PPG, EKG und BioZ – in einem einzigen Gehäuse. Eingebaut in Wearables, die Patienten und Patientinnen an der Brust oder am Handgelenk tragen, kann er Herzfrequenz, Atemfrequenz, Blutsauerstoffsättigung sowie EKG messen und bietet gleichzeitig zusätzliche nützliche gesundheitsbezogene Funktionen wie BIA (Bioelektrische Impedanzanalyse), BIS (Bispektralindex), GSR (galvanische Hautreaktion) und ICG (Impedanzkardiographie). Neben der Anwendung in medizinischen Patches eignet sich der IC auch ideal für die Integration in »intelligente« Kleidung, zum Beispiel um die Art von Informationen zu liefern, die von Hochleistungssportlern benötigt werden.

*Maxim Integrated ist Teil von Analog Devices

Anmerkung: Dieser Artikel ist die Titelstroy der aktuellen Printausgabe der medical design. Hier geht's zum kostenfreien ePaper.


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