Embedded Systeme

Anforderungen an Medical-Hardware in der Praxis

16. Dezember 2020, 14:56 Uhr | Gero Weber
Consumer-Elektronik hat im Medizinbereich nichts zu suchen
© AdobeStock.co/Production Perig

Hier haben Apple, Samsung und Co. nicht die Nase vorn

Die »Roland Berger Krankenhausstudie« aus dem Jahr 2017 beziffert die Zahl der deutschen Krankenhäuser, die angeben, nicht über genügend finanzielle Investitionsmittel zu verfügen, auf 60 Prozent – obwohl knapp 90 Prozent eine Digitalisierungsstrategie ausgearbeitet, also sehr klare Vorstellungen davon haben, wohin die Reise in puncto Digitalisierung gehen soll. 

Daraus entsteht mitunter Aktionismus verschiedener Fachabteilungen, der keinem einheitlichen Plan folgt. Vielfach schaffen IT-Verantwortliche in medizinischen Einrichtungen Consumer-Geräte zur Dokumentation von Patientendaten an, obwohl diese nicht für den Einsatz unter klinischen Bedingungen geeignet sind. Das liegt in erster Linie am Anschaffungspreis. Denn die für den medizinischen Bereich konzipierte Medical-Hardware unterliegt etlichen spezifischen (Hygiene-) Anforderungen und kostenintensiven Zertifizierungen – und ist damit teurer als Verbraucher-Massenprodukte. 

Ein zweiter Grund liegt im geringen Marktwissen von IT-Entscheidern in medizinischen Einrichtungen. In einer McKinsey-Studie aus dem Jahr 2018 gaben rund 15 Prozent der Befragten als Ursache für die schleppende Digitalisierung in ihrer Klinik an, die Anbieterlandschaft für medizinische IT nicht oder nicht gut genug zu kennen.  Diese Wissenslücke zu schließen, lohnt sich. Denn die kurzsichtige Anschaffung von Consumer-Geräten kann kostenintensiv werden. Nämlich dann, wenn Nachbestellungen anstehen, weil fragile Verbraucher-Geräte kaputt gehen. Oder weil spezielle Schnittstellen fehlen, die an Consumer-Geräten nicht verbaut sind.

Medical-Hardware muss robust sein

In Krankenhäusern gelten anspruchsvolle Umgebungs- und Einsatzbedingungen. Elektronische Geräte werden von vielen Händen viele hundert Mal am Tag berührt. Darüber hinaus werden die Geräte herumgetragen oder auf Visitenwagen herumgeschoben. Es leuchtet ein, dass hier Stöße oder Stürze nicht ausbleiben. 
Spezielle Medical-Hardware ist daher innen wie außen besonders robust gebaut.

Tablets und so genannte All-in-One-Computer ( AiO-PCs), bei denen, ähnlich wie bei einem Tablet, Tastatur und Maus im Display integriert sind, sind unempfindlich gegen Vibrationen und Stöße; Tablets auch gegen Herunterfallen. Hierfür werden die Geräte entsprechend gängiger Industrienormen auf Herz und Nieren geprüft. Zu den wichtigsten Zertifikaten gehört der Militärstandard MIL-810G. Stürze aus bis zu einem Meter Fallhöhe und spitze Gegenstände richten nach dieser Zertifizierung keine Schäden an Hülle und Display, und der innenliegenden Elektronik an.

Innenleben: Leistungs- und verbindungsstark 

Unempfindliche Materialien und eine robuste Bauweise – innen wie außen – machen Medical-Hardware fit für die harten Anforderungen in der klinischen Praxis. Wirklich gemessen werden die Geräte im täglichen Einsatz allerdings an ihrer Leistungsfähigkeit. Auch hier sind elektronische Geräte für den medizinischen Bereich gegenüber Consumer-Hardware deutlich im Vorteil.

So ist es mit spezieller Medical-Hardware kein Problem, viele Formulare parallel zu öffnen und zu bearbeiten. Das ist etwa für Pflegekräfte hilfreich, die täglich mehrmals Messwerte erfassen und dokumentieren müssen. Auch großformatige Dateien wie Bildbefunde von Röntgen, CT oder MRT öffnen Ärzte problemlos am mobilen Arbeitsgerät. Ärzte können via Verlinkung online auf Nachschlagewerke zur Befundstellung oder Medikation zurückgreifen. Operations- und Behandlungstechniken demonstrieren Ärzte mithilfe von Videoanimationen. Eine hohe Auflösung, scharfe Kontraste, eine besonders hohe Helligkeit und Displaygrößen von standardmäßig 13,3 Zoll bei Tablets und 24 Zoll bei All-in-One-PCs, die statt Maus und Tastatur auf einen Touchscreen setzen, ermöglichen dabei ein bequemes und augenschonendes Arbeiten.

Ein zweiter wichtiger Punkt im Hinblick auf das Innenleben sind die Akkus. Mobile AiO-PCs und Tablets sind die meiste Zeit des Tages unterwegs. Sie kommen daher nicht ohne mehrere, redundante und »hot-swappable«, also im laufenden Betrieb, wechselbare Akkus aus. Moderne Akkutechnik ist heute weit von den früheren zementsackschweren Autobatterien in Visitenwagenfüßen entfernt. Aktuelle All-in-One-PCs bleiben einschließlich Akkus unter zehn Kilogramm Gewicht. Für Einsatzszenarios in sehr kritischen Bereichen wie Notaufnahmen sind Elektronik und Akkus elektromagnetisch abgeschirmt und entsprechend nach internationalem MIL-Standard zertifiziert. 

Der dritte Punkt in dieser Betrachtung richtet sich auf die Schnittstellen. Bei Consumer-Geräten genügen drahtgebundene und drahtlose Standard-Interfaces für Mobilfunk, USB, WLAN und Bluetooth. Bei professioneller Medical-IT darf es ein bisschen mehr sein. Krankenhäuser benötigen meist viele USB-Ports sowie COM-Schnittstellen, die die meisten Consumer-Geräte gar nicht mehr haben. Eine sichere und gleichzeitig komfortable Nutzerauthentifizierung ermöglichen integrierte drahtlose NFC-Kartenleser oder Chipkartenleser. Zur Identifikation von Patienten oder Medikamenten nutzt das Pflegepersonal Barcodes oder QR-Codes. Hilfsmittel und Geräte können mittels RFID erfasst und verfolgt werden. 

Oberflächen strotzen Reinigungsmitteln und Bakterien

Eine große Gefahr geht in Krankhäusern von multiresistenten Keimen aus. Die Kliniken stehen vor der permanenten Herausforderung, durch gezielte hygienische Präventiv- und Akutmaßnahmen das Auftreten gefährlicher Krankenhaus-Keime zu verhindern. Diese bestehen einerseits in der regelmäßigen fachgerechten Reinigung von Oberflächen mit entsprechenden desinfizierenden Mitteln. Die Gehäuse und Oberflächen von medizinischer IT müssen also mit dem regelmäßigen Kontakt mit Flüssigkeiten und auch mit deren Aggressivität umgehen können. Konkret heißt das: Medical-Hardware muss wasserdicht gebaut sein. Internationale Standards bescheinigen elektronischen Geräten neben Wasserdichtigkeit auch Staubdichtigkeit, ein zweites wichtiges Kriterium. Die Gehäuse von Medical-Geräten sind nicht nur besonders dicht verbaut, sie verzichten auch auf unnötige Öffnungen, beispielsweise Lüftungsschlitze, in denen sich Keime festsetzen können. 

Eine zweite Möglichkeit, der Keimsituation in medizinischen Einrichtungen zu begegnen, sind spezielle, chemisch behandelte Oberflächen, so genannte »antimikrobielle« Oberflächen. Antimikrobiell werden Oberflächen mithilfe unterschiedlicher chemischer Prozesse. Am häufigsten werden dafür die Elemente Silber und Kupfer genutzt, die auf Metall- oder Kunststoffoberflächen aufgebracht werden. Silber und Kupfer haben eine natürliche antimikrobielle Wirkung. Sie schädigen Bakterien, Pilze und Viren in ihrer Struktur, beispielsweise durch Perforation der Zellwände oder Austrocknung. Die Mikroben sind dadurch nicht überlebensfähig.

Bei Kunststoffen verändern Chemiker die Oberflächenbeschaffenheit. Sie machen Kunststoffe bis auf wenige Nanomillimeter besonders glatt, sodass Mikroben weniger gut haften buchstäblich zu Boden rutschen. Bei medizinischer IT bekommen die Kunststoffgehäuse zusätzlich eine Nanosilberbeschichtung. So bekämpfen die Gehäuse Mikroben auf mehrerlei Weise und quasi von selbst. Gepaart mit einer regelmäßigen fachgerechten Oberflächenreinigung ist die Verwendung spezieller Medical-Hardware eine sprichwörtlich saubere Sache.

Touchscreen: Ja oder nein?

Die IT-Verantwortlichen in deutschen Krankenhäusern sind zweitgeteilt: Schätzungsweise die Hälfte besteht nach wie vor auf separater Maus und Tastatur, auch bei mobilen IT-Lösungen. Die andere Hälfte ist offen für Touchscreens – aus gutem Grund. Denn auch wenn Tastatur und Maus gekapselt und somit in puncto Oberflächen antimikrobiell sind, ein Touchscreen spart Platz und Kabel und ist im Hinblick auf Sauberkeit die bessere Wahl. Gleichzeitig sind Medical-geeignete Touchscreens dank moderner Technologien und Fertigungsprozesse genauso leistungsfähig wie Displays an Consumer-Geräten.

So ermöglicht das so genannte »Optical Bonding«, wo spezielle Klebstoffe den Luftspalt zwischen Touch-Oberfläche und Display füllen, sehr robuste Displays, denen auch Stöße oder Reinigungsmittel nichts anhaben. Gleichzeitig wird die Brillanz erhöht und das Bild liegt direkt – ohne luftspaltbedingten Millimeterabstand – unter dem Finger, wie beim Smartphone. Diese Displays sind hoch-berührempfindlich, erlauben Mehrfinger-Gesten und -Tippen und leuchten sehr hell und spiegeln wenig. Die Bildschirme sind darüber hinaus kapazitiv touchfähig. Diese Technologie ermittelt die Position der Berührung durch Veränderung eines elektrischen Feldes, wenn ein Finger den Touchscreen berührt; im Gegensatz zu resistiven Touchscreens, wo der Finger einen Druck ausüben muss. Kapazitive Touchscreens erlauben eine bequeme Bedienung, wie sie die Nutzer von ihren privaten Smartphones und Tablets kennen.

In vielen Krankenhäusern sind Touchscreens heute noch wenig sinnvoll, zum Beispiel weil veraltete KIS-Systeme gar keine touchgeeigneten Oberflächen in ihren Applikationen mitbringen. Wenn man allerdings bedenkt, dass mobile PC-Lösungen oder Tablets sechs bis sieben Jahre im Einsatz sind, sollten IT-Verantwortliche eine Touch-Fähigkeit in Betracht ziehen. Denn Touch-Displays eröffnen völlig neue Möglichkeiten der Bedienung von KIS-Systemen. So können Daten in komplexen Arbeitsmasken oder Listen direkt am Ort des Geschehens einfach und intuitiv mit Wisch- und Schiebegesten bearbeitet werden. Ärzte und Pflegepersonal tippen auf einer bakteriell unempfindlicheren Bildschirm-Tastatur. Komplexe, bisher papierbasierte Prozesse, etwa die Befunddokumentation, können dank leistungsfähiger Hardware komplett mobil und papierlos, quasi am Krankenbett, erbracht werden. Das spart Zeit und vermeidet Fehler.

Der Autor

Gero Weber ist Business Development Manager für den Bereich Medical bei Concept International

Das Unternehmen

Mit über 70.000 verkauften Geräten weltweit gehören die Medical All-In-One PCs von DT Research zu den meist verkauften PCs dieser Bauart weltweit. Seit 2004 ist der im Münchner Zentrum ansässige Distributor Concept International die Bezugsquelle für Produkte von DT Research in Zentraleuropa. 

https://www.medical-pc.de/ 


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