Akustikdesign für Medizingeräte

Auf Station mit Dr. Ton

11. Februar 2021, 11:00 Uhr | Rutronik/PUI Audio
In der Medizin spielen Akustiksignale nicht nur im OP eine wichtige Rolle
© beerkoff/stock.adobe.com

Rutronik unterstützt PUI Audio bei der Herstellung von Tongebern für den Medizinbereich

Die Informationsübertragung von einer Maschine an den Endnutzer nimmt in einer Vielzahl von Applikationen einen hohen Stellenwert ein. Sie ermöglicht ein schnelles Feedback auf Basis visueller oder akustischer Reize und liefert benötigten Input für die Weiterverarbeitung durch den Benutzer. Gerade im medizinischen Bereich, in dem sehr kurze Reaktionszeiten entscheidend sind, muss der Signalübertragung ein hohes Maß an Beachtung geschenkt werden.  Hierfür eignen sich insbesondere akustische Signale, da diese im Gegensatz zu optischen Zeichen kein dauerhaftes Monitoring erfordern, sondern bei entsprechender Dimensionierung des Tongebers auch raumübergreifend funktionieren. Dies umfasst nicht nur die Aussendung von Audiosignalen durch die Applikation, sondern auch die Aufnahme von Informationen durch Mikrofone. 

Für technische Applikationen im Medizinbereich gelten besondere Sicherheits- und Prüfregularien, die in der DIN-Norm DIN EN 60601-1-8 beziehungsweise ISO-Norm IEC 60601-1-8 festgehalten sind. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Verordnung sind Alarmsysteme. In Bezug auf akustische Warnungen hebt die Verordnung insbesondere zwei Aspekte hervor. Zum einen muss der Anwender einzelne Geräte durch unterschiedliche Töne unterscheiden können. Und zum anderen fordert die Norm eine harmonische Komponente im Klangdesign, die dem Bediener den Standort des jeweiligen Geräts mitteilt. Hersteller von medizintechnischen Geräten sollten deshalb bereits früh in der Designphase einen Blick in die DIN-Norm werfen, da hier eventuell ein spezifisches Klang-Set und ein spezifisches Lautstärkelevel, »Sound Pressure Level« (SPL) genannt, vorgeschrieben wird, die in der fertigen Applikation inkludiert sein müssen. 

Die Wahl des richtigen Tongebers

Es gibt mehrere Bauelemente, die in der Lage sind, Audiosignale zu verarbeiten. Lautsprecher, Buzzer und Mikrofone sind hierbei die vorherrschenden Elemente einer auf Akustik basierenden Mensch-Maschine-Kommunikation. Die Auswahl der zu verwendenden Komponenten erfolgt primär unter den Vorgaben der DIN EN 60601-1-8. So sind Buzzer nur geeignet, eine einzelne und zuvor festgelegte Tonfrequenz wiederzugeben, wohingegen Lautsprecher in der Lage sind, über ein bestimmtes Frequenzband hinweg unterschiedliche Töne auszusenden.

Aufgrund des größeren Einsatzspektrums finden in den meisten Applikationen Lautsprecher Verwendung. Bei der Auswahl ist es ratsam, sich zunächst am untersten zu reproduzierenden Ton sowie dem vorgeschriebenen SPL zu orientieren. In den meisten Anwendungsfällen liegt die Frequenz bei unter 500 Hertz. Diese Werte sind im Datenblatt des jeweiligen Lautsprechers einsehbar. Hierbei gilt es jedoch zu beachten, auf welche Art und Weise diese gemessen wurden. So hängt das SPL maßgeblich von der zur Verfügung gestellten Eingangsleistung am Lautsprecher sowie der Entfernung des Messmikrofons ab.  Hierbei gibt es keine einheitliche Normgröße. Oft sind es Zehn beziehungsweise Fünfzig Zentimeter Entfernung zum Messgerät. 

Neben diesen Basiswerten gilt es ebenso die Einsatzgegebenheiten zu beachten: So verändert sich der messbare Schalldruck je nach Entfernung zum Tongeber. Ein Lautsprecher mit einem SPL von 86 Dezibel (dB) bei 50cm Entfernung liefert bei einer Verdoppelung der Distanz auf einen Meter nur noch etwa 80 dB. Eine Verdoppelung der Eingangsleistung, beispielsweise von einem auf zwei Watt, erzeugt einen Wertezuwachs von ca. 3 dB zum SPL, was bei einem Abstand von 50cm einem Schalldruck von etwa 89dB entspricht.

Es ist deshalb wichtig bei der Dimensionierung des Lautsprechers nicht nur auf die Nennwerte im Datenblatt zu achten, sondern auch die alltäglichen Nutzungsbedingungen des fertigen Geräts mit einzubeziehen. Es existieren jedoch Eckpunkte, die hierbei helfen können: 

  1. In ein günstiges SPL-Messgerät investieren oder eine entsprechende App herunterladen.
  2. Mehrere Umgebungsmessungen vornehmen, um Ungenauigkeiten zu minimieren.
  3. Tatsächliche Einsatzbedingungen skizzieren, um eine realistische Einschätzung der Lautsprecherdimensionierung vornehmen zu können.
  4. Den benötigten Pegel ca. 15 bis 20 dB über dem vorgeschriebenen SPL ansetzen, um auch bei einiger Entfernung die vorgeschriebene Kenngröße zu erreichen. 

Die richtige Interpretation der Arbeitskennwerte eines Lautsprechers

Neben den Leistungsdaten stellen die Betriebsbedingungen einen weiteren wichtigen Kennwert dar. Alle PUI-Audio-Lautsprecher werden im Datenblatt hierzu mit der Nennleistungsaufnahme sowie der Maximalleistungsaufnahme spezifiziert. Die Nennleistung bezieht sich hierbei auf das Leistungsniveau, auf dem der Lautsprecher dauerhaft arbeiten kann. Die Maximalleistung hingegen beschreibt die Fähigkeit eines Lautsprechers, kurzzeitige Leistungsspitzen zu verarbeiten. Soll ein Lautsprecher einen reinen, gleichbleibenden Ton (Sinuswelle) reproduzieren, ist es wichtig, die Nennleistung nicht zu überschreiten, da sonst eine Zerstörung des Bauteils droht. 

Stimmen und Musik bestehen nicht aus reinen Sinus-Wellen, da kein konstanter Ton wiedergegeben wird. Die Berechnung kann dennoch anhand der angegeben Formel erfolgen. Es ist jedoch ratsam, das Signal mithilfe eines Oszilloskops auf Spannungsspitzen zu überprüfen, um sicherzustellen, dass die Maximalleistungsaufnahme des Lautsprechers nicht überschritten wird.

Den passenden Verstärker finden

Für den Einsatz eines Lautsprechers ist ein Verstärker unabdingbar. Die richtige Auswahl zu treffen ist recht einfach, wenn einige Richtwerte eingehalten werden. Wichtigstes Kriterium ist die Leistung, die ein Verstärker bei einer gegebenen Spannung und Impedanz abgibt. Gleichzeitig muss das Verzerrungsniveau unter einem Prozent bleiben, um mögliche Bauteilschäden zu vermeiden. Dieses wird »Total Harmonic Distortion« (THD) genannt.

Verzerrungen können neben einem unangenehmen Klangbild auch zur Zerstörung des Lautsprechers führen. Überschreiten die Verzerrungen die 1%-Grenze, wird ein sogenanntes »Clipping« erreicht. Hierbei sendet der Verstärker statt Wechsel- eine Gleichspannung an den Lautsprecher, wodurch dieser an seine mechanischen Belastungsgrenzen gebracht wird. Das bewirkt eine Zerstörung der Verbindung zwischen Eingangsterminal und Spule.

Der Effekt des Clippings kann in gewissem Ausmaß auch bei einem überdimensionierten Lautsprecher auftreten, dessen Leistungsreserven nicht groß genug sind. Es ist möglich, einen für 5W ausgelegten Lautsprecher mit einem 4W-Clipping-Signal zu zerstören. Als Faustregel empfiehlt sich, den Verstärker mit etwa der doppelten Leistungskapazität zu dimensionieren als benötigt, um einer Bauteilzerstörung durch Clipping vorzubeugen.

Die Autoren

  • Anne Santhakumar ist Product Sales Manager Acoustic Components & Timing Devices bei Rutronik
  • Mike Van Den Broek ist Senior Applications Engineer bei PUI Audio

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