Pharma 4.0

Aus der Praxis: Ein Reinraum ist nicht genug

10. Juli 2019, 16:30 Uhr | Heiko Füller
Der mobile Reinraum im Reinraum verbindet die Trockner mit der Weiterverarbeitung der Medikamente.
© SEW-Eurodrive

In der Pharmaproduktion werden Medikamente unter sterilen Bedingungen hergestellt. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an reinraumtaugliche Technik. Mit seinem Automatisierungs- baukasten Movi-C erfüllt SEW-Eurodrive diese Kundenforderungen.

Die Herstellung von Medikamenten muss hohen Standards genügen, die durch strenge Richtlinien der EU-Kommission oder der FDA in den USA geregelt sind. Ein Pharmaunternehmen in Belgien produziert Medikamente für Herz- und Krebstherapien. Zur Einhaltung des hohen Qualitätsstandards dieser Medikamente musste es nach einer FDA-Richtlinie auf eine komplett maschinelle Produktion umstellen, um den Faktor Mensch als unsterile Quelle auszuschließen.

Gea Lyophil aus Hürth bei Köln liefert weltweit Anlagen zur Herstellung pharmazeutischer Produkte. Die Aufgabenstellung an das Unternehmen lautete: Wie können die Prozessschritte einer bestehenden Anlage so erweitert und integriert werden, dass sie für die nächsten zehn bis 20 Jahre den Standort sichert? Michael Groth, Team Leader Electric Engineering, und seine Mitarbeiter kamen zu der Erkenntnis, dass es bei den geforderten Randbedingungen keine kontaktbehaftete Energieversorgung im Reinraum geben kann. »Die Energieversorgung muss berührungslos sein, eine kontaktbehaftete ist mit Verschleiß verbunden«, so Groth.

SEW-Eurodrive
Der mobile Reinraum wird über Linienleiter im Boden und mehrere Übertragerköpfe mit Energie versorgt.
© SEW-Eurodrive

Wenig Platz, viel Technik

Dabei waren zwei Rahmenbedingungen zu erfüllen: Zum einen musste alles aus einer Hand kommen – Software, Steuerung, Antriebssystem und Energieübertragung. Zum anderen durfte die Lösung nur einen sehr geringen Platzbedarf haben. »Daher mussten vor allem die Steuerung und die Umrichter sehr kompakt sein«, erläutert Anne Gerlach, Electrical Engineer bei Gea Lyophil. Unter diesen Randbedingungen fiel die Wahl auf den Automatisierungsbaukasten Movi-C von SEW-Eurodrive. Hiermit war es möglich, alle benötigten Funktionen und Leistungen in dem geringen zur Verfügung stehenden Bauraum des Reinraums unterzubringen.

Nur ein Reinraum? Nein, fortan übernehmen zwei, später sogar bis zu vier mobile Reinräume vollautomatisch das Handling der gefertigten Chargen zwischen Trocknung, Abfüllung und Weiterverarbeitung. Dabei legen sie zwischen Reinraum, Dekontaminationsraum und Wartungsbereich eine Strecke von ca. 150 Metern zurück. Durch die Automatisierung wird der Mensch als unsterile Quelle vollständig ausgeschlossen.

Induktive Stromversorgung

Innerhalb der jeweils 9,5 Tonnen schweren, mobilen Reinräume werden die Trocknungsanlagen vollautomatisch entladen und der Schiebetisch mit den Phiolen (Glasgefäßen) an das versetzte Förderband zur Etikettierung und Kartonierung übergeben. Dabei können die mobilen Reinräume in X- und Y-Richtung verfahren und später flexibel erweitert werden. Die Energieversorgung erfolgt komplett induktiv für alle Systeme im fahrbaren Reinraum. Auch wenn alle vier mobilen Reinräume in Betrieb sind, bleibt die Infrastruktur (Schienen, Einspeisungen) immer gleich.

SEW-Eurodrive
Der Automatisierungsbaukasten Movi-C eignet sich auch für sehr beengte Platzverhältnisse.
© SEW-Eurodrive

Ein 10-kW-Versorgungsmodul speist den Mehrachsumrichter Movidrive modular, der Bestandteil des Automatisierungsbaukastens ist. An seiner DC-Verschienung ist das berührungslose Energieübertragungssystem Movitrans angeschlossen, das den Transferwagen über Linienleiter im Boden versorgt. Pro Fahrrichtung und Fahrzeug nehmen zehn flache Übertragerköpfe des Typs THM10E die Energie auf und versorgen über fünf Anpasssteller TPM12B den mobilen Reinraum. Zusätzlich befinden sich sechs Antriebe für den Luftstrom im mobilen Reinraum. Sie wurden in das Automatisierungssystem integriert und werden über das Energieübertragungssystem dauerhaft mit etwa 7 kW versorgt.

Ein Movi-C Controller power UHX85A-R steuert die beiden Fahrantriebe sowie die Hub- und Hilfsantriebe der Lastaufnahmemittel. Sechs Doppelachs- und ein Einachsmodul regeln insgesamt 13 Achsen des Fahrzeugs. Ein Doppelachsmodul MDD90A treibt den Hauptantrieb und den Antrieb für die Querbewegung an. Das Einachsmodul MDA90A ist für den Hubantrieb des Fachzeugs zuständig. Und ein weiteres Doppelachsmodul MDD90A bewegt den Schiebetisch im Fahrzeug.

SEW-Eurodrive
Die berührungslose Energieversorgung wird über das Movitrans-System realisiert.
© SEW-Eurodrive

Antriebstechnik für Fahrt und Hub

Über das Doppelachsmodul für den Hauptantrieb wird ein Servo-Flachgetriebemotor FA57BCMPZ71S mit 2 kW Antriebsleistung versorgt, ebenso der für die Querfahrt zuständige Servo-Kegelradgetriebemotor KA57BCMPZ71S. Die Antriebe verfahren den mobilen Reinraum mit einer Geschwindigkeit von 450 mm/s und beschleunigen dabei mit 0,25 m/s2.

Das Einachsmodul für die Hubfunktion treibt einen Servo-Flachgetriebemotor FA37BCMP63M an. Dieser bewegt das 9,5 Tonnen schwere Fahrzeug mit 10 mm/s. Der Schiebetisch wird über vier Servo-Kegelradgetriebemotoren KA19CMP50S verfahren und dabei ebenfalls sanft bewegt, damit den Phiolen nichts passiert. Bei einer bewegten Masse von maximal 650 kg beträgt seine Verfahrgeschwindigkeit 1000 mm in 20 s bei einer Beschleunigung von 0,1 m/s2.

Zuerst gesehen

Dieser Beitrag stammt aus der Medizin+elektronik Nr. 4 vom 18.06.2019.

Hier geht’s zur vollständigen Ausgabe.

 


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