Elektronikfertigung

»bioElektron«: Biodegradierbare Elektronik

31. August 2020, 9:30 Uhr | Fraunhofer FEP
Testmuster Dünnschichttransistoren: Elektronische Bauteile, die nach einer definierten Funktionszeit vollständig resorbiert werden.
© Fraunhofer FEP

Die Basis für biologisch abbaubare Implantate

Um bestehende medizinische Diagnostik zu erweitern und die körperliche Belastung durch Operationen für den Patienten zu senken, sollen im Projekt »bioElektron« Leiterstrukturen und Transistoren aus biologisch abbaubaren Materialien entstehen. Diese bilden die Grundlage für zukünftige aktive Implantate, die nach ihrer Funktionsdauer nicht operativ entfernt werden müssen.

Stephanie Schreiber
Doktorandin am Fraunhofer FEP, Sheet-to-sheet Organik-Technologie

Dr. Michael Hoffmann
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer FEP

Die Fraunhofer-Gesellschaft fördert das Projekt »bioElektron - Biodegradierbare Elektronik für aktive Implantate« im Rahmen seiner internen Programme (Förder-Nr. MAVO B31 301). Projektpartner sind das Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP (Koordinator), das Fraunhofer-Institut für Elektronische Nanosysteme ENAS, das Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT, das Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC und die Fraunhofer-Einrichtung für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS. Ziel des Projekts ist es, die wesentlichen Komponenten für biologisch abbaubare elektronische Bauteile zu entwickeln, die zum Beispiel in einem Implantat Anwendung finden.

Leiterstrukturen aus Magnesium

Das Fraunhofer FEP hat Leiterstrukturen auf biologisch abbaubaren Substraten und organische Dünnschichttransistoren in Vakuumtechnik hergestellt. Für die leitenden Strukturen setzten die Wissenschaftler Magnesium ein, da es als biologisch abbaubares und biologisch verträgliches Metall bekannt ist, das bereits in klinischen Umgebungen als resorbierbares Implantat-Material untersucht wurde [1]. Die Herausforderung besteht darin, das Metall auf biologisch abbaubaren Polymerfilmen durch thermische Verdampfung unter Hochvakuumbedingungen abzuscheiden, auf denen Magnesium unter normalen Prozessbedingungen nicht ausreichend haftet. Durch eine geeignete Vorbehandlung der Substrate mit einer Kombination aus Trocknung, Plasmabehandlung und der Ausnutzung von Saatschichten können fein strukturierte hochwertige Leiterstrukturen erzeugt werden.

Die Leiterstrukturen und auch die Dünnschichttransistoren wurden auf Hybrid-Polymer-Substraten hergestellt, die Kollegen vom Partnerinstitut Fraunhofer ISC im Rahmen des Projekts entwickelten. Diese Substrate wurden mit einem Stickstoffstrahl gereinigt, um insbesondere Partikel zu entfernen, die für den Aufbau einer funktionsfähigen Dünnschichtelektronik hinderlich wären. Im Anschluss an die Reinigung wurden verschiedene Trocknungsprozesse im Stickstoff- oder Vakuumofen und deren Einfluss auf die Magnesium-Haftung getestet. Da die Trocknungsprozesse allein für die Verbesserung der Haftung des verdampften Magnesiums nicht ausreichten, wurde zusätzlich eine Plasmabehandlung der Substrate untersucht. Das geschah mithilfe einer linearen Closed-Drift-Ionenquelle LIS 38 von Advanced Energy (jetzt Applied Materials). 

Für die anschließende thermische Verdampfung von Metallen und Organika verwendeten die Forscher eine Einkammer-Hochvakuum-Anlage von Bestec mit beheizten Tiegeln als Quelle. Die Strukturierung erfolgte durch Schattenmasken mit einem Abstand von etwa 350 µm zum Substrat. Die Dicke der Schichten wurde mit Quarz-Mikrowaagenreglern kontrolliert, die durch vergleichende Profilometermessungen und optische Schichtdickenbestimmung kalibriert wurden. 

Eine erfolgreiche Abscheidung von 200 nm des verdampften Magnesiums auf den Substraten erreichten die Wissenschaftler mit einer Kombination aus einem Trocknungsprozess im Vakuumofen (1 h bei 120 °C) und der Plasmabehandlung. Nach dem Aufdampfen leitfähiger Magnesium-Gate-Elektroden wurden weitere dünne Schichten aufgebracht, um einen Dünnschichttransistor aufzubauen. Dazu wurde zunächst ein Isolator-Material aus der Flüssigphase abgeschieden. Das verwendete Material stammt ebenfalls vom Fraunhofer ISC und besitzt eine minimal angepasste Zusammensetzung im Vergleich zum Substrat-Material. Um einen geeigneten Prozess zu finden, testeten die Forscher verschieden konzentrierte Lösungen sowie verschiedene Parameter für das Auftragen des Materials. Als geeigneter Prozess erwies es sich, das Material vor dem Spincoating-Prozess mit Aceton zu verdünnen, sodass eine Lösung mit 10 % des Ausgangsmaterials entsteht. Diese wird auf das ruhende Substrat aufgetragen, welches anschließend für 60 Sekunden bei 3000 rpm rotiert. Die resultierende Schichtdicke für die genannten Parameter beträgt rund 600 nm. 

Halbleiterschicht aus Tetratetracontan und Chinacridon

Als Halbleiterschicht wurde ein Materialsystem aus einer Saatschicht Tetratetracontan und dem eigentlichen Halbleiter-Material Chinacridon verwendet. Chinacridon-Pigmente sind kommerzielle Pigmentfarbstoffe, die zum Beispiel für Kosmetik-Produkte zugelassen sind [2] oder als Tattoo-Farbstoffe eingesetzt werden [3]. Ihr Einsatz für Dünnschichtransistoren ist durch die Arbeiten [4,5] begründet. Am Fraunhofer FEP wurden die Halbleiter- und Saatschichten in der oben genannten Vakuum-Anlage mittels Vakuumverdampfung durch Schattenmasken aufgebracht. Die Saatschicht ist erforderlich um beim Aufwachsen des Chinacridons eine Molekülorientierung vorzugeben, die die halbleitenden Eigenschaften begünstigt [5,6]. Die Saatschicht aus Tetratetracontan heizte nach der Bedampfung in einem Stickstoffofen (12 h 60 °C) zunächst aus, erst dann wurde das Chinacridon aufgedampft. 

Anschließend wurden Magnesium-Elektroden in einem bestimmten Abstand (Kanallänge) zu einander aufgedampft. In den ersten Versuchen zeigte sich hier, dass ohne eine geeignete Vorbehandlung auch auf dem Isolator-Halbleiter-Schichtsystem die Magnesium-Haftung für funktionsfähige Dünnschichttransistoren nicht ausreicht. Leider konnte hier nicht derselbe Prozess wie für die Substratvorbehandlung eingesetzt werden, da sich herausgestellt hat, dass die Plasmabehandlung die Grenzschicht zwischen Isolator und Halbleiter negativ beeinflusst und so keine funktionsfähigen Transistoren produzierbar sind. Als alternative Lösung wurde eine Zwischenschicht aus Molybdänoxid eingesetzt. Dank dieser Schicht konnte die Haftung des Magnesiums verbessert werden und es konnten leitfähige Top-Elektroden und somit auch Dünnschichttransistoren hergestellt werden. 

Nach zahlreichen Optimierungsversuchen mit verschiedenen Ausheiz- und Plasmaprozessen sowie Parametervariationen während der Beschichtungsprozesse konnten Transistoren mit einer Ladungsträgerbeweglichkeit von ca. 0,06 cm²/(Vs) im genannten Schichtsystem hergestellt werden. 

Um die Beständigkeit der Elektronik über den zu definierenden Funktionszeitraum zu gewährleisten, sollte das Verkapselungssystem für die aktive Zeit Schutz bieten und sich nach Ablauf der Lebensdauer zusammen mit den übrigen Bestandteilen abbauen. In Tests mit den oben genannten Substrat- und Isolator-Materialien zeigte sich, dass die gewählte Verkapselung das Magnesium schützt.  Dazu wurden Laborversuche gemacht, wobei die verkapselten Proben in einer, den Körperflüssigkeiten nachempfundene, Pufferlösung lagen und sich die Korrosion der Magnesium-Elektroden visuell beobachten ließ. Schon kurze Zeit nachdem die Proben in die Pufferlösung gegeben wurden, korrodierten die freiliegenden Magnesium-Schichten vollständig und die verkapselten Bereiche blieben bestehen. 

Fazit & Ausblick

Für den erfolgreichen Einsatz dieser Technologie in medizinischen Implantaten konnte im Rahmen des Projekts »bioElektron« Projekt eine Grundlage geschaffen werden. Es ließen sich Leiterstrukturen sowie funktionsfähige Dünnschichttransistoren auf biologisch abbaubaren Substraten herstellen [6]. Dazu setzten die beteiligten Projektpartner verschiedene Vorbehandlungsschritte und Saatschichten für die Abscheidung von Magnesium ein, die in Kombination mit den übrigen Bestandteilen des Dünnschichttransistors zu einem funktionsfähigen Transistor führen. In zukünftigen Arbeiten werden die Prozesse weiterhin optimiert, um die Leistung der Transistoren weiter zu verbessern.  

Quellen

[1]  Y. F. Zheng, X. N. Gu,  F. Witte: Biodegradable metals. Materials Science and Engineering, R 77(2014), 1.

[2] REGULATION (EC) No 1223/2009 OF THE EUROPEAN PARLIAMENT AND OF THE COUNCIL of 30 November 2009 on cosmetic products. Official Journal of the European Union L 342(2009), 59.

[3] W. Bäumler, E. T. Eibler, U. Hohenleutner, B. Sens, J. Sauer, M. Landthaler: Q-Switch Laser and Tattoo Pigments: First Results of the Chemical and Photophysical Analysis of 41 Compounds: Lasers in Surgery and Medicine 26(2000), 13.

[4] M. Irimia-Vladu: “Green’’ electronics: biodegradable and biocompatible materials and devices for sustainable future. Chem. Soc. Rev. 43(2014), 588.

[5] E. D. Glowacki, L. Leonat, G. Voss, M. Bodea, Z. Bozkurt, M. Irimia-Vladu, S. Bauer, N. S. Sariciftci: Natural and nature-inspired semiconductors for organic electronics. Proc. of SPIE 8118(2011),  81180M-1.

[6] S Schreiber, M. Hoffmann: Basis für biologisch abbabubare Implantate. medical design 3/2020, S. 39 - 41 (Hier geht’s zum ePaper)


Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Fraunhofer FEP

Weitere Artikel zu Elektronikfertigung