Partielle Reinigung von Implantaten

CO2-Schnee für fleckenfreie Reinheit

23. November 2022, 14:40 Uhr | Von Doris Schulz,freie Journalistin für acp Systems
Die selektive Reinigung der Kontaktstellen an den Implantaten erfolgt im Serienbetrieb bisher manuell, soll aber automatisiert werden.
© Medicoat

Die Heilung mit chirurgischen Implantaten hängt von rückstandsloser Verarbeitung und guter Integration in den Knochen ab. Die Schneestrahltechnologie entfernt selektiv und reinraumgerecht Maskierrückstände auf Implantaten nach der Beschichtung.

Das Implantat muss sitzen – geht es um plasmagespritzte Schichten auf Implantaten zur Beschleunigung der Osseointegration, ist das Schweizer Unternehmen Medicoat ein Pionier. Heute beschichtet das 1989 gegründete Familienunternehmen nicht nur medizintechnische Produkte, sondern fertigt und vertreibt auch Anlagen für die gesamte Bandbreite des thermischen Spritzens wie beispielsweise atmosphärisches (APS) und Vakuum- plasmaspritzen (VPS), Hochgeschwindigkeits-Flammspritzen (HVOF) sowie Kaltgasspritzen. Darüber hinaus entwickelt und produziert das MedTech-Unternehmen innovative Schichtsysteme für diese Verfahren, die alle ISO-Standards und ASTM-Anforderungen (American Society for Testing and Materials) erfüllen.

Selektive Reinigung für neue Beschichtung

Für ein neues Implantat im Kundenauftrag musste der MedTech-Zulieferer eine neue Beschichtungslösung entwickeln. Um nicht zu beschichtende, gestrahlte Bereiche des Produkts zu maskieren, brauchte es zusätzlich ein neues Abdecksystem, welches auch für die Plasmabeschichtung und deren hohen Temperaturen einsetzbar ist. Doch genau dieses Abdecksystem hinterlässt nach der Beschichtung und Demaskierung an den kleinen Kontaktpunkten sichtbare Farbveränderungen. Für eine einwandfreie Optik und Sauberkeit, die bei medizintechnischen Produkten unverzichtbar ist, müssen diese Rückstände entfernt werden. »Wir benötigten dafür eine Reinigungslösung mit der die Kontaktstellen selektiv behandelt werden können. Dabei darf das Rauheitsprofil der vorbehandelten Oberfläche nicht verändert werden. Außerdem muss ein nicht-toxisches Reinigungsmedium eingesetzt werden, das keine Rückstände hinterlässt«, beschreibt Dr. Sebastian Mihm, Leiter Medical Coating bei Medicoat, die Anforderungen.

CO2-Schnee ohne Rückstände

Für die Aufgabenstellung, die verfahrenstechnischen Eigenschaften und das ungiftige Medium eignet sich die Reinigung via CO2-Schneestrahlen. Zunächst wurden ein System getestet, bei dem die Schneekristalle aus Trocken- eisblöcken gebildet werden; Ergebnis: zu kompliziert. »Auf der Suche nach einer einfach zu handhabenden Anlage, die auch für die Serienfertigung geeignet ist, sind wir auf die quattroClean-Schneestrahltechnologie von acp systems aufmerksam geworden. Sie verwendet flüssiges Kohlendioxid aus Flaschen als Reinigungsmedium«, sagt Sebastian Mihm. Das unbegrenzt haltbare CO2 entsteht als Nebenprodukt industrieller Prozesse und ist daher klimaneutral.

Die als Plug-and-play-Lösung ausgeführte Reinigungsanlage ist reinraumgerecht ausgestattet
Die als Plug-and-play-Lösung ausgeführte Reinigungsanlage ist reinraumgerecht ausgestattet.
© acp systems

Wesentliche Komponente des Reinigungssystems ist eine verschleißfreie Zweistoff-Ringdüse. Durch diese wird das flüssige Kohlendioxid geleitet und entspannt beim Austritt aus der Düse zu feinem CO2-Schnee, der von einem separaten, ringförmigen Druckluft-Mantelstrahl gebündelt und auf Überschallge- schwindigkeit beschleunigt wird. Beim Auftreffen des gut fokussierbaren, minus 78,5 °C kalten Schnee-Druckluftstrahls auf die Oberfläche kommt es zu einem thermischen, mechanischen, Sublimations- und Lösemitteleffekt. Durch das Zusammenspiel dieser vier Wirkmechanismen werden die optischen Effekte durch das Abdecksystem zuverlässig und reproduzierbar entfernt. Die Reinigung erfolgt materialschonend, sodass die Struktur der gestrahlten Oberfläche nicht beeinträchtigt wird. »In Reinigungsversuchen im Technikum des Herstellers haben wir uns davon überzeugt, dass diese Reinigungslösung unsere Anforderungen stabil erfüllt«, sagt Sebastian Mihm. Dazu trägt auch bei, dass das kristalline CO2 während der Reinigung vollständig in die gasförmige Phase übergeht und auf der Oberfläche keine Rückstände hinterlässt.

Manuelle Standalone-Anlage

Um die quattroClean-Reinigung im Unternehmen zu etablieren und den Prozess für das Produkt freigeben zu lassen, hat sich Medicoat für eine JetStation-HP in reinraumgerechter Ausführung und manuellem Betrieb entschieden.

Die quattroClean-Schneestrahlreinigung entfernt die durch das Abdecksystem an den Kontaktstellen verursachten optischen Effekte zuverlässig und reproduzierbar
Die quattroClean-Schneestrahlreinigung entfernt die durch das Abdecksystem an den Kontaktstellen verursachten optischen Effekte zuverlässig und reproduzierbar.
© Medicoat

Die kompakte Standalone-Anlage ist mit einer schallgedämmten, komplett aus Edelstahl gefertigten Kabine ausgestattet. Im Innern der Kabine kommen ausschließlich Komponenten und Materialien zum Einsatz, wie sie bei Reinraumanwendungen verwendet werden. Die Medienaufbereitung für das Kohlendioxid und die Druckluft sind ebenfalls darauf ausgelegt. Der Bildung von Schmutznestern und der Gefahr einer Rückkontamination gereinigter Teile wirkt die Gestaltung der Prozesskammer entgegen. Ihr Design unterstützt den schnellen Austrag entfernter Verunreinigungen und des sublimierten Kohlendioxids durch eine integrierte Absaugung. Sie ist bei Medicoat an das zentrale Absaugsystem angeschlossen. Die CO2-Konzentration im Arbeitsbereich wird durch ein serienmäßig integriertes Sensorsystem überwacht. Wird der definierte Grenzwert überschritten, schaltet die CO2-Zufuhr automatisch ab und es erfolgt eine Störungsmeldung. Die professionelle, geschlossene Konzeption der Anlage und ihre sehr saubere Ausführung haben laut Sebastian Mihm bei der Entscheidung eine wichtige Rolle gespielt.

Die patentierte Technologie mit Zweistoff-Ringdüse für den CO2- und den Druckluft-Mantelstrahl sorgt für eine konstante und gleichbleibende Reinigungsleistung
Die patentierte Technologie mit Zweistoff-Ringdüse für den CO2- und den Druckluft-Mantelstrahl sorgt für eine konstante und gleichbleibende Reinigungsleistung
© acp systems

Die Be- und Entladung erfolgt über eine Frontklappe mit Handeingriffen. Der Reinigungsprozess, bei dem der Operator die zu reinigenden Kontaktstellen am Implantat unter die feststehende Strahldüse bewegt, lässt sich komfortabel über ein Fußpedal starten. Sebastian Mihm ist zufrieden: »Wir arbeiten mit der Anlage seit Anfang 2020 im Serienbetrieb, in dem wir täglich zwischen 50 und 100 Implantate reinigen und die Ergebnisse sind einwandfrei. Wir planen jetzt den Prozess zu automatisieren und damit effizienter zu machen. Zudem werden wir das Schneestrahlsysteme auch für die Reinigung anderer Teile einsetzen.«


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