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COM-HPC als neuer Medical-Modulstandard

9. November 2022, 11:35 Uhr | Zeljko Loncaric, Congatec
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Viele Medizingeräte verarbeiten immense Daten, oft in Echtzeit und mit KI. Um funktional sicher an PACS oder die ePA zu senden, arbeiten Medical OEMs zunehmend auf einer einzigen HW-Plattform. COM- HPC bietet sich als neuer Medical-Modulstandard an.

Künstliche Intelligenz ist aktuell der große Treiber für medizinische Fortschritte in der bildgebenden Diagnostik und Behandlung. Marktexperten wie Transparency Market Research prognostizieren für den KI-Markt der bildgebenden Medizintechnik eine immense jährliche Wachstumsrate von 36,1 % bis 2031 auf ein Marktvolumen von 20,11 Milliarden US-Dollar. KI wird dabei nicht nur bei der unterstützenden Befundung und der Planung von Folgeuntersuchungen angewandt, sondern auch bei der Bilderfassung, Optimierung und Verarbeitung. Das bedeutet, dass die Systeme vor Ort entsprechende Rechenkapazitäten anbieten müssen, um die KI-Inferenz auszuführen – es ist also nicht nur Intelligenz für maschinelles Lernen in der Cloud oder im Rechenzentrum gefragt.

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Mehr Daten – mehr Bandbreite

Dazu addiert sich das erforderliche Mehr an Performance, das für immer höhere Auflösungen in der bildgebenden Diagnostik und dadurch exponentiell ansteigende Datenmengen erforderlich wird. So zählen im Bereich der Endoskopie 8k-Auflösungen, obwohl erst 2018 eingeführt, schon fast zum Standard. 8k bedeutet dabei bei 8192 x 4320 Bildpunkten rund 37,8 Megapixel, was zu einem vierfach höheren Datenaufkommen als bei einer 4k-Auflösung mit 4.096 x 2.160 Bildpunkten führt, die sich in anderen bildgebenden Verfahren etabliert. Sollen zudem moderne Operationstechniken per Roboter und das womöglich noch via Telemedizin umgesetzt werden, ist es leicht verständlich, dass die Systeme zudem auch eine extrem schnelle, echtzeitfähige Datenübermittlung für die Steuerung des Roboters bieten müssen. Bei 4k RGB-Auflösung mit 10-bit HDR-Farbdynamik bei 60 Bildern pro Sekunden verlangt ein unkomprimierter Videostream ganze 14,83 Gbit/s und bei 8k schon 59,33 Gbit/s.

Mehr Aufgaben – weniger Systeme

Und das ist noch lange nicht das Ende aller Anforderungen. Einzelnen Aufgaben wie Visualisierung, funktional sichere Steuerung und Gateway sind idealerweise auf einem System zu konsolidieren, um mixed-critical Applikationen effizient auf einer einzigen Plattform umzusetzen und schlussendlich auch die Kosten für die Hardware sowie die MTBF des Gesamtsystems zu senken. Aus Sicherheits- und Zertifizierungsgründen müssen sie durch Virtualisierung allerdings voneinander entkoppelt werden, um sich nicht gegenseitig zu beeinflussen. So können beispielsweise die nicht zertifizierungsrelevanten Systemkomponenten wie Visualisierung oder KI aktualisiert werden, ohne dass das Gesamtsystem erneut eine Zertifizierung durchlaufen muss. Es muss sichergestellt werden, dass die sicherheitskritische Steuerung nicht durch einen Absturz anderer Systemkomponenten beeinträchtigt wird. Hierfür ist neben vielen Prozessorkernen auch umfassender Virtualisierungssupport nötig.

Einfacher einbetten mit Modulen

Entwickler von multifunktionalen Medical-Computer-Systemen müssen also nicht nur neue Kerntechnologien integrieren, sondern sie benötigen darüber hinaus auch eine ganz neue Medical-Computing-Performance-Klasse. Zudem sind sie mehr denn je auf applikationsfertige Building-Blocks und Design-in-Support für die eingebettete Intelligenz und Konnektivität ihrer Neuentwicklungen angewiesen, um die Designsicherheit und Time-to-Market zu optimieren. Ein wichtiger strategischer Hebel sind Computer-on-Modules und hier im Besonderen solche des neuen COM-HPC-Standards der PICMG.

Der modulare Computer-on-Modules-Ansatz macht es leicht, über individuell ausgelegte Carrierboards dedizierte Medical-Systeme mit ganz individuellen Schnittstellenauslegungen zu entwickeln.
Der modulare Computer-on-Modules-Ansatz macht es leicht, über individuell ausgelegte Carrierboards dedizierte Medical-Systeme mit ganz individuellen Schnittstellenauslegungen zu entwickeln.
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Computer-on-Modules werden bei Weitem am häufigsten für Embedded-Designs unterschiedlichster Branchen genutzt. Computer-on-Modules sind eine Superkomponente, die alle wichtigen PC-Bausteine wie CPU, GPU und RAM sowie eine breite Auswahl von Standardschnittstellen in einer funktionsvalidierten Zukaufkomponente integrieren. Die applikationsspezifische Auslegung erfolgt dann über ein vergleichsweise einfach zu entwickelndes Carrierboard, auf das die Module einfach aufgesteckt werden. Durch einen einfachen Modulwechsel lassen sich so Applikationen skalieren und auch noch Jahre später mit aktueller Prozessortechnik aufrüsten, was den ROI der teuer entwickelten Medizinsysteme deutlich erhöht.

COM-HPC ist dabei der neueste Standard und speziell ausgelegt, um die Entwicklung von vernetzten medizinischen Computern und Edge-Servern voranzutreiben. Er bietet eine Rechenleistung, Bandbreite und Konnektivität, die kein anderer Computer-on-Module-Standard aktuell erreicht. Er unterstützt alle aktuellen Hochgeschwindigkeitsschnittstellen bis hin zu PCI Express 5.0, Thunderbolt sowie 25 Gbit Ethernet. Je nach Einsatzgebiet gibt es COM-HPC-Client-Module mit leistungsfähiger, integrierter Grafik für »klassische« High-Performance-Systeme oder headless COM-HPC-Server-Module für Medical-Edge-Server-Applikationen, die beispielsweise als Frontend- und Backend-Server in CT- oder MRT-Systemen dienen können.

COM-HPC Client für Medical-Designs

Die neuesten COM-HPC-Client-Module mit der 12. Generation-Intel-Core-Prozessoren machen Medical-OEMs Intels innovative Performance-Hybrid-Architektur mit bis zu 16 Kernen/24 Threads und PCIe Gen 5.0 zugängig.
Die neuesten COM-HPC-Client-Module mit der 12. Generation-Intel-Core-Prozessoren machen Medical-OEMs Intels innovative Performance-Hybrid-Architektur mit bis zu 16 Kernen/24 Threads und PCIe Gen 5.0 zugängig.
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COM-HPC-Client-Module gibt es in drei unterschiedlichen Größen von 120 mm x 160 mm (Size C), 120 x 120 mm (Size B) bis zu 120 mm x 95 mm (Size A). Ganz neu sind Module auf Basis der 12. Generation der Intel Core Prozessoren (Codename Intel Alder Lake). In den Formfaktoren COM-HPC Size A und C bieten sie Medical-Applikationen zahlreiche Performance-Steigerungen und Funktionsverbesserungen. Entwickler von Medizintechnik können nun also Intels innovative Performance-Hybrid-Architektur nutzen. Mit bis zu 16 Kernen/24 Threads bieten die Intel Core-Prozessoren der 12. Generation einen Quantensprung in puncto Multitasking und Skalierbarkeit.

Optimiert für höchste Embedded-Client-Performance, liefert die Grafik der LGA-Prozessor-basierten Module nun eine bis zu 94 % gesteigerte Performance. Ihre Inferenzleistung zur Bildklassifizierung hat sich zudem mit einem bis zu 181% höheren Durchsatz fast verdreifacht. Darüber hinaus bieten die Module eine enorm gestiegene Bandbreite für den Anschluss diskreter Grafikprozessoren (GPUs) für maximale Grafik- und GPGPU-basierte (General Purpose Computation on Graphics Processing Unit) KI-Leistung. Zudem profitieren auch alle weiteren Peripheriegeräte von einer verdoppelten Lane-Geschwindigkeit, da sie neben PCIe 4.0 nun auch mit der ultraschnellen PCIe 5.0-Schnittstellentechnologie ausgestattet sind. Sie unterstützen bis zu vier unabhängige 4k-Displays.

Leistungsfähigere Designs für Medical-Server

Für Applikationen, die Performance auf Rechenzentrumsniveau aber keine eigene Grafikausgabe benötigen, bietet COM-HPC mit seinen Server-Modulen eine Lösung in zwei Ausformungen mit Size E (160 mm x 200 mm) und Size D (160 mm x 160 mm). Sie eignen sich für medizinische Backend-Systeme, die massiv parallele Video- und Bilddaten verarbeiten müssen, sowie für PACS-Server und weitere radiologische und Krankenhaus-Informationssysteme. COM-HPC-Module sind nicht auf klassische x86-Prozessoren beschränkt, sondern können auch andere Rechenbeschleuniger wie FPGAs integrieren. So lassen sich auf einfache Weise hochleistungsfähige Visualisierungs-Server für MRT- und CT-Systeme zusammenstecken.

Neu gibt es auch COM-HPC-Server Size-E- und Size-D-Module mit BGA-bestückten Intel Xeon-D-Prozessoren, die unter dem Codenamen Ice Lake D entwickelt wurden. Sie überzeugen nicht nur durch den Support des erweiterten Temperaturbereichs von -40 °C bis 85 °C, sondern brechen auch so manches Bottleneck bisheriger Edge-Server-Restriktionen auf und können dadurch Echtzeit-Workloads im rauen medizinischen Umfeld und erweiterten Temperaturbereichen deutlich beschleunigen. Sie verfügen über bis zu 20 Kerne, bis zu 1 TB Arbeitsspeicher auf bis zu 8 DRAM-Sockeln bei 2933 MT/s, bis zu 47 PCIe Lanes vom Modul insgesamt und 32 PCIe Gen 4 Lanes mit doppeltem Durchsatz pro Lane sowie bis zu 100-GbE-Konnektivität und TCC/TSN-Unterstützung. Sie bieten bereits damit genügend Bandbreite, um schon über die vorhandenen Ethernet-Schnittstellen 8k-HDR-Videostreams in voller Auflösung zu übertragen. Das macht zusätzliche Ethernet-Controller überflüssig. Video-Storage- und -Analytik-Server profitieren zudem bei KI-basieren Datenanalysen von dem integrierten Intel AVX-512, VNNI (Vector Neural Network Instructions) und OpenVINO-Support.

Echtzeit-Virtualisierung und Co-Creation

Für deterministische Echtzeit-Server-Consolidation, die diverse Echtzeit- und Medical-Applikationen unabhängig voneinander auf einem einzigen Modul betreibt, unterstützen COM-HPC-Plattformen echtzeitfähige virtuelle Maschinen, wie sie der RTS-Hypervisor von Real-Time Systems ermöglicht. Alle COM-HPC Server-on-Modules von Congatec sind für diese Services vorqualifiziert.

Intel Xeon D auf COM-HPC-Server Size E und Size D unterscheidet sich durch die Anzahl der möglichen RAM-Sockel, die auch die Größe der Module bestimmt. Bis zu 1 TB an RAM werden unterstützt
Intel Xeon D auf COM-HPC-Server Size E und Size D unterscheidet sich durch die Anzahl der möglichen RAM-Sockel, die auch die Größe der Module bestimmt. Bis zu 1 TB an RAM werden unterstützt.
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Besonders komfortabel für Medical OEMs sind die Co-Creation-Services für die Entwicklung von IT/OT-Systemen für den Medizin- und Gesundheitssektor von Congatec in Zusammenarbeit mit S.I.E. Der systemtechnische Wert der Kooperation zwischen den beiden Unternehmen und ihren Kunden erstreckt sich über die gesamte Lieferkette, von Computer-on-Modules bis zur Serienproduktion zertifizierter Systemplattformen. Das gemeinsame Angebot richtet sich an Hersteller medizinischer Geräte und Anbieter von Infrastrukturlösungen, die Patienten-, Daten- und Cybersicherheit für die Digitalisierung der medizinischen Versorgung benötigen.

Erste Beispiele des Computer-on-Module-Angebots und der Leistungsfähigkeit der Co-Creation-Services von Congatec und S.I.E sind zwei neue Medical-Edge-Computing-Systeme, genannt »secunet medical connect Carna und Athene«, die in Zusammenarbeit mit dem OEM-Kunden Secunet entwickelt und aktuell gefertigt werden. Sie sind ein klarer Beleg für die hohe Marktreife des COM-HPC-Standards und die Time-to-Market-Vorteile, die sich durch Computer-on-Module ergeben. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass der COM-HPC-Standard erst zwei Jahre alt ist und es jetzt schon fertige zertifizierte Medical-Server gibt.

Conclusio

Mit dem verstärkten Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Medizintechnik steigen die Anforderungen an die Leistung der eingebetteten Computertechnologie drastisch. KI in der Medizintechnik fordert eine hohe Performance der eingebetteten Computertechnologie. Der neue High-End-Computer-on-Modules-Standard COM-HPC bietet für diese stetig zunehmenden Leistungs- und Bandbreitenanforderungen das erforderliche technologische Fundament zur Entwicklung der nächsten Generation intelligenter Medical-Computer, die mit integrierter funktionaler Sicherheit zukünftig auch kritische Funktionen von Medizingeräten werden übernehmen können.

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Referenzdesign für selbstlernendes KI-Clustering

Edge-Server mit drei COM-HPC-Modulen für besonders hohe Echtzeit-Workloads
Edge-Server mit drei COM-HPC-Modulen für besonders hohe Echtzeit-Workloads.
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COM-HPC-Edge-Server-Designs sind nicht auf Single-Module-Designs limitiert. Der Standard unterstützt explizit auch Multi-Module-Carrier mit heterogenen COM-HPC-Modul-Konfigurationen, beispielsweise mit FPGAs, GPGPU- oder KI-Rechen-beschleunigern. Auch der Mix von COM-HPC-Server- und COM-HPC-Client-Modulen auf einem Board ist möglich. So arbeitet Congatec aktuell zusammen mit der Uni Bielefeld und Christmann IT an einem Edge-Server-Design, das mehrere COM-HPC-Module auf einem Carrierboard vereint, um extreme Workloads oder Echtzeit-anforderungen zu realisieren. Hierbei sind die COM-HPC-Module sowohl per 10 Gbit Ethernet als auch per PCI Express (Host-2-Host) untereinander verbunden. Das ermöglicht Workloads wie beispielsweise ein schnelles und verteiltes effizientes KI-Clustering von hochdimensionalen Daten (Self Organizing Maps).

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