Steckverbinder

Darauf kommt es in der Medizintechnik an

13. April 2021, 14:30 Uhr | Sascha Döbel (Binder)
Steckverbinder der Serie 814
© Binder

Kriterien bei der Auswahl für medizinische Anwendungen

Elektronische Medizinprodukte reichen von Geräten für den einmaligen Gebrauch über diagnostische Handgeräte und die Überwachungstechnik am Krankenbett bis hin zu großen Computer- und Kernspintomografen. Die Spezifizierung elektronischer Steckverbinder für diese Medizinanwendungen erfordert dieselbe sorgfältige Betrachtung wie bei vielen anderen Applikationen. Es gibt jedoch auch einige Aspekte, die nur in der Medizintechnik zu berücksichtigen sind.

Elektrische Anforderungen

Die Nenn- und Stoßspannung des Steckverbinders ergeben sich aus der Grundnorm DIN EN 60664-1 für die Isolationskoordination, in der die Anforderungen für Luftstrecken, Kriechstrecken und feste Isolierungen von Betriebsmitteln festgelegt sind – unter Berücksichtigung von Spannungsbeanspruchung und Stoßspannungen zusammen mit den zu erwartenden Verschmutzungsgraden in bestimmten Umgebungen. Diese Faktoren bestimmen die konstruktiven Abmessungen des Steckverbinders.

Die Strombelastbarkeit eines Steckverbinders beschreibt den Strom, der dauernd und gleichzeitig über alle seine Kontakte fließen darf und wird gemäß IEC 60512-5-2 ermittelt. Die Strombelastbarkeit ist allerdings kein fester Wert und nimmt mit steigender Umgebungstemperatur ab. Dieser Wert wird in der Derating-Kurve festgehalten und lässt sich somit auf die kundenspezifische Anwendung hin überprüfen.

Bei bestimmten Anwendungen, wie zum Beispiel in der Kernspintomografie, braucht es eine leistungsfähige Abschirmung gegen elektromagnetische Störungen (EMI), was wiederum geschirmte Kabelsysteme und -konfektionen mit Steckverbindern erfordert, die gute Abschirmeigenschaften aufweisen und als Metall- oder metallisierte Kunststoffausführung erhältlich sind.

Verriegelung und Schutzart

Die Anzahl der zu erwartenden Steckzyklen und die Anforderungen an die Schutzart haben großen Einfluss auf die Art des Stecksystems. Die Wahl des Steck- und Verriegelungsverfahrens wirkt sich natürlich auch nachhaltig auf die Kosten der Steckverbindung aus. Durch die Schutzart (IP-Code) wird der Grad des Schutzes vor dem Eindringen von Staub und Flüssigkeiten bestimmt. Steckverbinder in der Medizintechnik weisen gewöhnlich IP54 oder besser auf, wobei viele auch in Schutzart IP67 ausgeführt sind. Dies erlaubt ein zeitweiliges Untertauchen der Steckverbinder.

Steckverbinder mit Schraubverriegelung bieten zwar oft den ultimativen Schutz vor unbeabsichtigter Trennung und sehr guten IP-Eigenschaften. Aber ber ihre Konstruktion und ihr Aufbau machen sie im Allgemeinen zur teuersten Art, insbesondere als Metallausführung.

Steckverbinder mit Push-Pull-Verriegelung gehören ebenfalls zu den eher teureren Lösungen. Allerdings hat der Trend hin zur Kunststoffausführung zur Kostenreduzierung beigetragen und ermöglicht einen schnell steckbaren IP67-Steckverbinder mit gutem Schutz vor unbeabsichtigtem Trennen.

Rast- und Bajonett-Steckverbinder sind schnell und unkompliziert zu verbinden und gehören fast immer zu den kostengünstigsten Lösungen. Dank Fortschritte in der Entwicklung können diese jetzt bis IP67 ausgeführt werden und bieten so eine wirtschaftliche Lösung mit sehr guten Eigenschaften.

Biokompatibilität und Desinfektionsmittelbeständigkeit

Wie bereits erwähnt, ist das medizintechnische Spektrum breit gefächert. Daher müssen beispielsweise Steckverbinder, welche nah am Körper zum Einsatz kommen, auf Biokompatibilität nach DIN EN ISO 10993 beurteilt werden. Die Beurteilung erfolgt anhand verschiedener Testverfahren, unter anderem des Zytotoxitätstest nach DIN EN ISO 10993-5. Anhand dieses Tests wird untersucht, ob ein Produkt Gewebe oder Zellen schädigen oder Wachstum hemmen kann.

Medizinische Produkte werden in der Praxis regelmäßig mit Desinfektionsmittel gereinigt, um Bakterien und Viren zu entfernen. Diese Desinfektionsmittel können das Material des Steckverbinders schädigen, was im schlechtesten Fall zu dessen Defekt führen kann. Aus diesem Grund sind die Steckverbinder auf eine Vielzahl von Desinfektionsmitteln zu testen. Im Anschluss werden die Ergebnisse analysiert und dem Kunden zur Verfügung gestellt.

Standards und Normen

Bei der Spezifizierung sind eine Reihe von Normen und Standards zu beachten. Hier legt die Normenreihe DIN EN 60601 allgemeine Anforderungen an die Sicherheit, die wesentlichen Leistungsmerkmale und die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) von medizinischen elektrischen Geräten fest. Sie ist das technische Äquivalent zum internationalen Standard IEC 60601 und deckt Aspekte, wie zum Beispiel die Beanspruchung durch Vibrationen, Stoß und unsachgemäßen Umgang, sowie die Zugänglichkeit zu gefährlichen Teilen mittels Prüffinger (Berührschutz) ab.

Die Norm ISO 13485 legt die Anforderungen an das Qualitätsmanagementsystem fest. Demnach muss eine Organisation ihre Fähigkeit nachweisen, dass sie Medizinprodukte und entsprechende Dienste, die durchgängig die einschlägigen, gesetzlichen Anforderungen erfüllen, bereitstellen kann.

Für den amerikanischen Markt unterstützt die Food & Drug Administration (FDA) zusätzlich die Entwicklung von Steckverbindern, um die Gefahr einer Falschverbindung zu reduzieren. Diese Standards und Normen fördern die Patientensicherheit durch die Sicherstellung, dass Steckverbinder von nicht zueinander gehörenden Systemen untereinander inkompatibel sind, damit solche Geräte nicht versehentlich oder mit einem gewissen Kraftaufwand miteinander verbunden werden können.

Für viele Medizinprodukte sind die am Markt verfügbaren Standard-Steckverbinder nicht ausreichend. Beispielsweise werden Steckverbinder gesucht, welche einerseits fest verriegelt sind, sich aber bei einer bestimmten Zugkraft lösen, damit das Gerät nicht beschädigt wird. Andere Kunden benötigen ein System für unterschiedliche Anwendungen. Dies bedarf verschiedener Kodierungen, um ein Fehlstecken zu verhindern. In solchen Fällen könnte eine Maßanfertigung die beste Lösung sein. Diese bietet für den Kunden zudem den Schutz seines geistigen Eigentums. 

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