Antriebstechnik

Die richtige Dosis Medizin

15. Juni 2022, 11:49 Uhr | Michael Wiedmann, Bürkert - Redaktion: Ute Häußler
Bild 3: Membransonderausführungen wie im patentierten Robolux-Ventildesign erlauben mit einer Membran zwei unabhängige Prozessschalt-funktionen und minimiert die Zahl der benötigten Ventile und Membranen.
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Membranventile dosieren exakt. Für eine lange und zuverlässige Medizinproduktion ist die richtige Ventil- und Membranauswahl essenziell, Bauart, Material und Wartung entscheiden über den Erfolg.

Membranventile kommen zum Einsatz, wenn Fluide verfahrenstechnisch geführt werden müssen. Ob in Fermentations- und Bioreaktoren, in CIP/SIP-Systemen, bei Filtration oder Abfüllung, in der Chromatographie oder bei der Reinstwasserherstellung, jede Anwendung hat ihr besonderes Anforderungsprofil. Damit Membranventile effizient arbeiten, ist eine Analyse der Einsatzbedingungen zwingend erforderlich. Nur die genaue Kenntnis von Stoffströmen, Schalthäufigkeit, eingesetzten Chemikalien und Medientemperaturen erlaubt es, ein exakt auf die Anforderungen zugeschnittenes Ventil auszuwählen. Im Betrieb ist dann fachgerechte Wartung wichtig, damit die Membranen den hohen Anforderungen lange gerecht werden.

Membranventil Typ 2103 mit Prozessregler (integrierte Luftführung) zur dezentralen Automatisierung
Bild 1: Membranventil Typ 2103 mit Prozessregler (integrierte Luftführung) zur dezentralen Automatisierung.
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Membranventilausführungen mit darauf abgestimmten Antriebssystemen und Lösungen zur einfachen Automatisierung gewährleisten bei richtiger Auswahl einen langen, störungsfreien Betrieb und planbare Wartungsintervalle (Bild 1). Doch wie findet man die richtigen Komponenten?

Wichtige Kriterien für Membranventile

Moderne Membranventile sind Multifunktionsspezialisten, die für eine zuverlässige Funktion genau auf ihren Einsatzbereich ausgelegt werden und die ganze Bandbreite an Medien und Betriebsparametern beherrschen. Insbesondere die Auswahl des Materials bei den Membranen ist eine Kunst und erinnert an die Reifenwahl in der Formel 1. Nur der richtige Materialmix ermöglicht es, das Fahrzeugpotenzial unter den jeweiligen Bedingungen auch auf die Straße zu bringen. Regenreifen taugen nicht für trockene Fahrbahn, Slicks nicht für Nässe, der Reifenpoker entscheidet über Sieg oder Niederlage.

Bei Membranventilen verhält es sich ähnlich, denn auch hier sind oft nicht alle Anwendungsanforderungen im Voraus bekannt. Sie richtig einzuschätzen, zu bewerten und danach flexibel eine Wahl zu treffen, kann daher kniffelig sein. Grundlage für einen effizienten Ventileinsatz ist die Lebensdauer der medienberührenden Membran. Diese muss mechanisch und chemisch den Betriebsbedingungen widerstehen. Dabei kommt es sowohl auf den Ventilkörper, den Antrieb und natürlich auf das Membranmaterial an.
Schaltwechsel, Temperatur, Mediendruck und chemische Zusammensetzung beeinflussen neben der Ventilauswahl daher auch immer die Wahl der Membranwerkstoffe. Bei gleichbleibendem Ventilkörper kann so schon eine kleine Parameteränderung in der Produktion zu wesentlichen Lebensdauereinbußen führen.

Know-how und Dokumentation

Sind alle Betriebsparameter bekannt, sollte die Wahl der richtigen Membran kein Problem darstellen – eigentlich. Wie in der Formel 1 ist aber gerade hier sehr umfangreiches Know-how gefragt. Je nach Belag der Rennstrecke reicht es nicht aus bei hoher Temperatur normale Slicks zu fahren, der zusätzliche Abrieb durch eine raue Fahrbahn erfordert beispielsweise extra harte Gummimischungen.

Nahaufnahme einer Membran mit Stempel zur Rückverfolgbarkeit
Bild 2: Nahaufnahme einer Membran mit Stempel zur Rückverfolgbarkeit-
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Ähnlich sind die Bedingungen für Ventilmembranen im Alltagsbetrieb. Da für FDA und ähnliche Zulassungen (Bild 2) nur ganz bestimmte Grundstoffe erlaubt sind, müssen die Mischungen diese Beschränkungen einhalten (siehe Membranwerkstoffe).

Zusätzlich muss die Rückverfolgbarkeit beachtet werden. In Bezug auf die Inhaltsstoffe des Membran-Compounds gilt die Vorgabe, dass alle Inhaltsstoffe lückenlos dokumentiert sind bzw. den Bestimmungen und Freigaben der entsprechenden Regularien (z. B. USP 88) entsprechen. Darüber hinaus ist eine gleichbleibende Qualität in der Herstellung, Zusammensetzung und Verarbeitung sicherzustellen. Kleinste Änderungen im Fertigungsablauf, in der Zusammensetzung des Compounds oder geometrische Änderungen dürfen nicht ohne vorherige Absprache durchgeführt werden, da dies eine Nachvalidierung der Membranen zur Folge haben kann.

Im Rahmen der Dokumentation respektive Nachverfolgbarkeit sind somit Membranen und der Ventilkörper, die sogenannten produktberührenden Komponenten eines Membranventils, besonderen Anforderungen unterworfen. Aus dem immer noch riesigen Feld an Auswahlmöglichkeiten gilt es nun eine geeignete Zusammenstellung für den jeweiligen Einsatzzweck zu finden.

Membransonderausführungen wie im patentierten Robolux-Ventildesign erlauben mit einer Membran zwei unabhängige Prozessschaltfunktionen und minimiert die Zahl der benötigten Ventile und Membranen
Bild 3: Membransonder- ausführungen wie im patentierten Robolux-Ventildesign erlauben mit einer Membran zwei unabhängige Prozessschalt-funktionen und minimiert die Zahl der benötigten Ventile und Membranen.
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Steht die Mischung fest, stellt sich die Frage: Wie wird sie weiterverarbeitet? Auch beim in Form pressen und Vulkanisieren der Membran gibt es eine Vielzahl von beein-flussenden Parametern, die den Einsatzbereich erweitern oder einschränken. Hier hilft nur langjährige Erfahrung und ständiges Dazulernen weiter, um beständige, langlebige und damit wirtschaftliche Membranen herzustellen. Die Fluidspezialisten von Bürkert unterstützen im Umgang mit Membranventilen auch in ungewöhnlichen Anwendungen und für eine robuste Ventil­auslegung (Bild 3).

Die wichtigsten Membranwerkstoffe

EPDM: Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk ist ein synthetischer Gummi mit großem Einsatzgebiet. Das Material verträgt sich sehr gut mit heißem und kaltem Wasser, alkalischen Medien sowie verdünnten Säuren und wird daher häufig bei Hygieneanwendungen eingesetzt. Einsatzbereich: -10 bis +143 °C, Dampfsterilisation +150 °C für 60 min.

PTFE: Synthetisches Fluorpolymer aus Tetrafluorethylen ist besonders reaktionsträge gegenüber reaktiven und korrosiven Chemikalien wie konzentrierten Laugen und Säuren. Das Material neigt zur Fließdehnung bzw. zur Verformung unter Spannung (Kaltfluss). Eine geringe Fließdehnung erlaubt PTFE-Dichtungen, sich besser an Passflächen anzupassen als die meisten anderen Kunststoffdichtungen. Verformt sich das Material bei über +130 °C oder durch Temperaturschwankungen (Erhitzung/Abkühlung) aber zu stark, ist die Systemdichtheit in Gefahr. Membranen sind daher oft zweiteilig ausgeführt: Das PTFE-Schild an der Medienseite wird mit einem Rücken aus EPDM gestützt. Einsatzbereich: -10 bis +130 °C, Dampfsterilisation +140 °C für 60 min.

Advanced PTFE ist eine leistungsgesteigerte PTFE-Variante, die sich auch bei stärkerer Belastung erheblich weniger verformt (Kaltfluss). Das Material reagiert im Vergleich zum herkömmlichen PTFE weniger stark auf die Einwirkung von hohen Temperaturen und Temperaturschwankungen. Die verdichtete Polymerstruktur verringert zudem die Per­meation der Membran. Einsatzbereich: -5 bis +143 °C, Dampfsterilisation +150 °C für 60 min.

GYLON ist der Markenname eines Membranmaterials, das als dritte Generation des Polytetrafluorethylens (PTFE) gilt. PTFE und Füllstoffe werden im speziellen Herstellungs­verfahren restrukturiert für noch weniger Kaltfluss und Permeation. Das Material ist sehr temperatur- und chemi­kalienbeständig, eignet sich ideal für Prozesse wie CIP (Cleaning in Place) und SIP (Sterilisation in Place) sowie Prozesse, bei denen Ausfallzeiten hohe Kosten verursachen. Einsatzbereich: -5 bis +130 °C, Dampfsterilisation +140 °C für 60 min.

 


  1. Die richtige Dosis Medizin
  2. Achtung bei der Wartung

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