Messtechnik/Sensorik

Flow-Bubble-Sensoren helfen Herz und Lunge

24. August 2020, 10:00 Uhr | Daniel Thieme, Fernando Rangel (Sonotec)
Moderner Clamp-On-Ultraschallsensor für die gleichzeitige Durchflussmessung und Luftblasendetektion
© Sonotec

Nichtinvasive Durchflussmessung und Luftblasendetektion im kardiopulmonalen Bypass

Nicht-invasive Clamp-On Flow-Bubble Sensoren gehören zur neuesten Generation sicherheitsrelevanter Sensortechnologie in Anwendungen der Medizintechnik. Sie kommen unter anderem in Herz-Lungen-Maschinen zum Einsatz. Insbesondere die präzise Messung von Volumenströmen und die gleichzeitige Detektion von kritischen Luftblasen in den Schläuchen spielt dabei eine zentrale Rolle. 

Luftblasendetektor und Durchflusssensor in einem

Flow-Bubble-Sensoren kombinieren zwei Messverfahren in einem Sensor: Zum einen messen sie mittels Laufzeitdifferenzverfahren den Volumenstrom und zum anderen detektieren sie mittels dynamischer Amplitudenüberwachung, ob Luftblasen beziehungsweise Störkörper auftreten. Die Ultraschall-Durchflussmessung zeichnet sich dabei durch Präzision, Langlebigkeit und einfache Handhabbarkeit aus. Es lassen sich bei entsprechender Kalibrierung strömende Flüssigkeiten unabhängig von ihrer Ladung, Dichte oder Viskosität vermessen. 

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Eine Besonderheit der Ultraschall-Durchflussmessung ist, dass sie nicht-invasiv erfolgt. Es kann direkt durch die Wände von flexiblen, aber auch steifen Kunststoffschläuchen gemessen werden, ohne in den Kreislauf einzugreifen oder in Kontakt mit dem strömenden Medium zu kommen. Beim Laufzeitdifferenzverfahren werden die Laufzeiten in und gegen die Strömungsrichtung eines Mediums mit hoher Präzision über Zeit-Digital-Wandler gemessen. In Strömungsrichtung ist die Laufzeit einer Ultraschallwelle schneller als entgegen der Strömungsrichtung. Eine einfache Differenzbildung beider Zeiten ermöglicht dann eine Bestimmung des Durchflusses.

Einflussfaktoren auf die Durchflussmessung 

Schematische Darstellung der Funktionsweise nicht-invasiver Durchflusssensoren am Beispiel der Sonoflow-Produktfamilie
Schematische Darstellung der Funktionsweise nicht-invasiver Durchflusssensoren am Beispiel der Sonoflow-Produktfamilie
© Sonotec

Wie eingangs erwähnt, kombinieren Flow-Bubble-Sensoren Durchflussmessung und Luftblasendetektion in einem Kompaktsensor mit integrierter Messzelle und Elektronik. Um die zwei Messaufgaben übernehmen zu können, nutzt der Sensor einen speziell entwickelten Algorithmus. Dieser erfasst unter Ausnutzung der hohen Messgeschwindigkeit des Ultraschallsensors – Messzeiten der Einzelmessung liegen im µs-Bereich – alternierend die Amplitudenveränderung oder die Laufzeitdifferenz.

Weitere Einflussfaktoren auf die Durchflussmessung sind die Temperatur sowie die Viskosität des Mediums. Die Temperatur der Flüssigkeit verändert zum einen die Schallgeschwindigkeit im Medium und somit die Beugungsbedingungen beim Übergang der Schallwelle durch die einzelnen Grenzflächen. Zum anderen verändert die Temperatur die Viskosität des Mediums und somit das Strömungsprofil. Mithilfe einer Temperaturkorrektur unter Berücksichtigung der Medieneigenschaften kann über einen Temperaturbereich des Mediums von 10 bis 45 °C für eine nicht-newtonsche Flüssigkeit eine Genauigkeit der Durchflussmessung von ±5 Prozent realisiert werden. Dabei handelt es sich um Flüssigkeiten, die sich bei Druckausübung wie ein Festkörper verhalten. Der Grund für dieses eigenartige Phänomen liegt in dem nichtlinearen Verhalten der Viskosität. 

Einsatz in Herz-Lungen-Maschinen

Der kardiopulmonale Bypass (CPB) ist ein medizinisches Standardverfahren, das bei Operationen vorübergehend die Funktion des Herzens und der Lunge übernimmt und den menschlichen Blut- und Sauerstoffkreislauf gewährleistet. Die CPB-Pumpe wird in diesem Zusammenhang auch oft als Herz-Lungen-Maschine (HLM) bezeichnet. Da es sich bei HLM um komplexe medizinische Geräte handelt, die einen direkten Einfluss auf Menschenleben haben, sind die technologischen Anforderungen besonders hoch; alle Komponenten müssen zuverlässig funktionieren. In diesem Zusammenhang gilt die Kombination von Durchflussmessung und Luftblasendetektion als ein wichtiges Sicherheits- und Komfortmerkmal.

Schematische Darstellung des kardiopulmonalen Bypasses und der Applikation von Flow-Bubble Sensoren der Produktreihe Sonoflow CO.56 Pro
Schematische Darstellung des kardiopulmonalen Bypasses und der Applikation von Flow-Bubble Sensoren der Produktreihe Sonoflow CO.56 Pro
© Sonotec

Da Herz-Lungen-Maschinen die Funktion des Herzens und der Lunge übernehmen, imitieren sie unter technischen Gesichtspunkten das Herz als »Pumpe « und den Gasaustausch der Lunge. Dabei werden im kardiopulmonale Bypass zwei Hauptkreisläufe initiiert: der venöse Kreislauf und der arterielle Kreislauf mit weiteren Zuleitungen. Der Venenkreislauf der Herz-Lungen-Maschine wird von venösem Blut aus der rechten Herzkammer des Patienten gespeist, welches in das venöse Reservoir der HLM abgelassen und verarbeitet, und anschließend als arterielles Blut in die Aorta des menschlichen Körpers zurückgepumpt wird.

Die arterielle Pumpe, die aus dem venösen Reservoir gespeist und direkt mit einem extrakorporalen Oxygenator verbunden ist, bildet die Hauptpumpe der Herz-Lungen-Maschine und übernimmt ganz oder teilweise die Funktion des Herzens. Alle anderen Pumpen und Komponenten der HLM sind ihr untergeordnet. Die implementierten Alarmsettings regeln beziehungsweise stoppen die Hauptpumpe und die zugehörigen Komponenten bei Bedarf. Der extrakorporale Oxygenator übernimmt die Aufgabe der menschlichen Lunge. Hier wird dem venösen Blut Kohlendioxid entzogen und Sauerstoff zugesetzt. Das Schlauchsystem der Herz-Lungen-Maschine besteht aus Polyvinylchlorid (PVC) und Silikonschläuchen, Kanülen und Shunts, die in verschiedenen Größen Anwendung finden. Das Herzstück der HLM ist die Konsole mit integriertem Steuergerät und Notstrombatterien. Herz-Lungen-Maschinen sind als modulare Systeme erhältlich, die jedes Krankenhaus nach seinen spezifischen Anforderungen und Bedürfnissen ausgestalten kann.

Die richtige Position des Sensors

Luftblasendetektoren übernehmen in Bezug auf die Patientensicherheit eine Schlüsselfunktion. Sie müssen zwingend nach dem arteriellen Filter an die Arterienleitung geklemmt werden, um vor massiver Luftembolie zu schützen. Diese entsteht, wenn Luft in die Blutbahn gelangt. Die Sensoren warnen und geben Signale zum automatisierten Stoppen der arteriellen Pumpe. Es gibt weitere Möglichkeiten, Luftblasensensoren innerhalb des HLM-Kreislaufes zu platzieren. Da das venöse Reservoir die erste und wahrscheinlichste Stelle für Blasenkontamination ist, bietet sich eine Platzierung des Blasendetektors zwischen diesem und der arteriellen Pumpe ebenfalls an. Auch die Integration eines entsprechenden Sensors zwischen Oxygenator und arteriellem Filter ermöglicht das rechtzeitige Detektieren von Luftblasen. Die ideale und sicherste Lösung ist die Implementierung mehrere Blasensensoren.

Um Luftblasen nicht nur zu erkennen, sondern auch effektiv mit ihnen zu verfahren, ist die Verwendung von Shunts zur Verbindung der arteriellen Leitung und des venösen Reservoirs ein kritischer Punkt. Wenn Luft im arteriellen System erfasst wird, verschließt der Shunt sofort die Linie und das blasenkontaminierte Blut fließt direkt in das venöse Reservoir. Wenn keine Luft mehr detektiert wird, öffnet der Shunt die arterielle Linie, um das Blut wieder direkt in den menschlichen Körper zu speisen. Aus diesem Grund müssen die den Shunt passierenden Durchflussmengen kontinuierlich mit den von der Arterienpumpe erzeugten Durchflussmengen verglichen, überwacht und über die Einsatzzeit der Herz-Lungen-Maschine gesteuert werden. Durchflusssensoren werden daher auch für den Zweck der Pumpenüberwachung eingesetzt.

Quellen 

[1] D.Thieme, F. Rangel: Hybridtechnik unterstützt Herz und Lunge. medical design 4/2020, S. 26 – 28 (Hier geht’s zum ePaper)


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