Medizinelektronik

Im Prüfstand für die Medizintechnik

5. Oktober 2021, 11:00 Uhr | Samuel Accardo (Kemet)
Roter Kondensator (Symbolbild)
© Pixabay

Kemet entwickelt Testverfahren für Kondensatoren

Die durchschnittliche Lebenserwartung der Menschen steigt, da Wohlstand und Lebensstandard in vielen Teilen der Welt zugenommen haben. Die längere Lebenserwartung bringt aber auch einige Herausforderungen mit sich. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird bis 2050 jeder sechste Mensch weltweit 65 Jahre oder älter sein, fast doppelt so viele Menschen wie im Jahr 2019. Die alternde Bevölkerung hat einen höheren Pflegebedarf, was den Druck auf das Gesundheitswesen erhöht und die Zeit von Pflegekräften und Spezialisten zusätzlich beansprucht. 

Gesundheitsdienstleister haben heute Zugang zu leistungsfähigerer, zuverlässigerer und vielfältigerer Hightech-Ausrüstung als je zuvor. Zu den Mitteln, die ihnen für die Diagnose und Behandlung von Patienten zur Verfügung stehen, gehören hochwertige Krankenhaus-Einrichtungen wie fortschrittliche Scanner, chirurgische Roboter und lebenserhaltende Maschinen.

Es gibt auch nicht-invasive tragbare Geräte wie persönliche Monitore, mit denen Patienten und Patientinnen ihre Vitalparameter wie Herzfrequenz, Blutdruck oder Blutzucker messen und die das medizinische Personal per Fernzugriff abrufen kann. Zu den kleinsten medizinischen Geräten zählen heute winzige Implantate, die dazu beitragen, die Lebensqualität trotz Handicap zu erhalten und chronische Krankheiten zu behandeln, zum Beispiel Cochlea-Implantate zur Korrektur von Hörverlust und Herzschrittmacher zur Behandlung von Herzerkrankungen.

Garantie auf Zuverlässigkeit

Immer kleinere, energieeffizientere, präzisere und empfindlichere Bauelemente haben dazu beigetragen, dass die Medizintechnik, wie wir sie heute kennen, möglich ist und sich durch eine einfachere Bedienung und verbesserte Funktionen auszeichnet und weiter verbessert. Geräte wie Wearables und Implantate müssen im Dauerbetrieb arbeiten, was einen geringen Stromverbrauch voraussetzt. Die extrem hohe Zuverlässigkeit ist ein zusätzlicher wichtiger Aspekt für den Einsatz von Implantaten. Auf der anderen Seite müssen Geräte wie Scanner hohe Pulsbelastungen verarbeiten. Andere, beispielsweise Notfall-Defibrillatoren, sind über längere Zeit inaktiv – müssen dann aber sofort startbereit sein und einwandfrei funktionieren, sobald sie benötigt werden.

Um die Zuverlässigkeit von passiven Bauelementen wie Kondensatoren in Filter- und Entkopplungsschaltungen zu gewährleisten, werden Keramikkondensatoren (MLCCs) bei hoher Spannung und Temperatur eingebrannt. Anschließend werden sie nach den Militärstandards MIL-PRF-55681 und MIL-PRF-123 geprüft und getestet. Dies sind die anspruchsvollsten Testmethoden der Branche, die eine extrem hohe Zuverlässigkeit garantieren sollen.

Latente Defekte ausschließen

Bei Anwendungen, die extremen Größenbeschränkungen unterliegen, zum Beispiel kleinste tragbare und implantierbare Geräte, können Tantal-Kondensatoren aufgrund ihrer hohen volumetrischen Effizienz gewählt werden. Neue Technologien, die die Zuverlässigkeit von Tantal- und Polymer-Tantal-Kondensatoren erhöhen, bieten zusammen mit entsprechenden Prüf- und Testverfahren eine hohe Garantie für Leistungsfähigkeit und Langlebigkeit. 

Eine wesentliche Herausforderung war es, zu verhindern, dass organische Verbindungen, die während des Herstellungsprozesses zum Einsatz kommen, in das hochreine Tantal-Anodenmaterial eingeschlossen werden. Während des Sinterns können diese eingeschlossenen Verunreinigungen zu Defekten in der Anode und zu kristallinem Tantaloxid führen, welches das dielektrische Material beschädigt. Ein organisches Bindemittel und ein spezielles Waschverfahren stellen heute sicher, dass alle Verunreinigungen vor dem Sintern entfernt werden, was die Wahrscheinlichkeit latenter Defekte ausschließt.

Die Polymer-Tantal-Kathodentechnologie ermöglicht es den Herstellern, Komponenten zu fertigen, die einen niedrigeren äquivalenten Serienwiderstand als Elektrolyt-Tantal-Kondensatoren und eine hohe Stoßspannungsfestigkeit aufweisen. Entwickler spezifizieren damit kleinere Kondensatoren für zusätzliche Platzeinsparung. Bei herkömmlichen Polymer-Tantal-Kondensatoren können thermische und spannungsbedingte Belastungen ein Delaminieren des Kathodenfilms verursachen – insbesondere in Umgebungen mit hoher Luftfeuchtigkeit, was zu einem erhöhten Widerstand und einem Bauteilausfall führt. Die neuesten Polymer-Kathodenmaterialien sind widerstandsfähiger gegen Belastungen und Delamination sowie weniger anfällig für Feuchtigkeit. Sie zeigen daher einen gleichmäßigeren ESR (= Equivalent Series Resistance) mit hoher Zuverlässigkeit in rauen Umgebungen.

Prüf- und Testverfahren für Kondensatoren

Die Prüfung auf Durchschlagspannung (BDV; Breakdown Voltage) ist eine effiziente Methode zum Screening von Tantal-Kondensatoren. Eine niedrige BDV weist auf Defekte im Dielektrikum hin. Die BDV-Prüfung ist jedoch zerstörend und kann nur auf eine Stichprobe aus einer beliebigen Charge von Bauelementen angewendet werden.

Durch das zerstörungsfreie SBDS-Verfahren (Simulated Breakdown Screening) lassen sich alle Bauelemente bewerten. Vor der Prüfung wird die durchschnittliche BDV durch Stichproben aus jedem Produktionslos ermittelt. Während der Prüfung wird der Kondensator in Reihe mit einem Widerstand geschaltet und eine Spannung angelegt, die dem 1,3- bis 1,5-fachen der durchschnittlichen BDV entspricht. SBDS analysiert die Spannungs-/Zeit-Ladekurve, wodurch auf die Reinheit des Dielektrikums geschlossen werden kann, ohne das Bauelement zerstörerischen Überspannungen auszusetzen.

Hochreine F-Tech-MnO2-Tantal-Kondensatoren können mit SBDS geprüft werden (Bild 2), um sehr hohe Zuverlässigkeit zu gewährleisten. Als Teil des Herstellungsprozesses kann auch ein SSST (Surge Step Stress Test) auf ein Los von Kondensatoren angewendet werden, um die Integrität der Kathodenbeschichtung zu überprüfen. Eine gute Beschichtung ist erforderlich, um das Dielektrikum gegen Belastungen beim Einschalten zu schützen.

Das von Kemet entwickelte PCRAT-Verfahren (Polymer Capacitor Reliability Assessment Testing) legt eine Testspezifikation fest, die für Polymer-Tantal-Kondensatoren besser geeignet ist als die Spezifikation MIL-PRF-55365, die bisher für MnO2-Tantal-Kondensatoren angewendet wurde. PCRAT deckt optimierte Temperatur- und Spannungsbeschleunigungstechniken ab, um die Lebensdauer verbauter Bauelemente genau vorherzusagen.


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