Die Anforderungen an chirurgische Instrumente und Implantate steigen. Amorphe Metalle bieten, dank ihrer vielseitigen Eigenschaften in Kombination mit dem 3D-Druck, ganz neue Möglichkeiten.
Der Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung steigt, vorwiegend sitzende Menschen neigen medizinisch zu mehr Übergewicht und damit verbundenen Abnutzungen des Skelettes – Rückenprobleme und Arthrose sind die Folge. Dazu sorgen Unfälle bei immer riskanteren Freizeitaktivitäten für komplizierte Brüche. Das verlangt der Chirurgie und den eingesetzten Implantaten viel ab.
Gängige Materialien für Implantate sind Kunststoffe, rostfreier Edelstahl, Reintitan und Titanlegierungen; jedes von ihnen kommt mir Vor- und Nachteilen. Edelstahl ist nicht korrosionsfrei, Reintitan gilt zwar als fast korrosionsresistent, kann aber Unverträglichkeiten hervorrufen. Dazu haben vier bis sechs Prozent der Bevölkerung Allergien gegen Legierungskomponenten wie etwa Nickel oder Chrom.
»Um seine Funktion zu erfüllen, muss das Implantatmaterial steif genug sein, um Makrobewegungen im Frakturbereich zu vermeiden, die dem verletzten Knochen schaden würden. Gleichzeitig ist eine gewisse Elastizität gewünscht, die Mikrobewegungen gestattet, denn das stimuliert die Kallusbildung, was die Fraktur stabilisiert«, sagt Valeska Melde, Marketing- und Vertriebsleiterin bei Heraeus Amloy.
Da das Entfernen der Implantate an abgeheilten Knochen Komplikationen hervorrufen kann, verbleiben die Implantate teilweise im Körper. Endoprothesen und Wirbelsäulenimplantate bleiben von Haus aus dauerhaft im Körper. Wichtig ist in diesen Fällen deshalb, dass die Implantate schnell in den Knochen einheilen, gut belastbar und biologisch kompatibel sind.
Weiter benötigen z. B. Tumorpatienten zum Verfolgen ihrer Krankheitsverläufe oft radiologische Untersuchungen im CT oder MRT. Dabei dürfen die Implantate diese Messungen und ihre Ergebnisse nicht stören und beim MRT keinesfalls die Temperatur ändern. Die gängigen Implantatmaterialien erfüllen die vielschichtigen Anforderungen nur punktuell.
Amorphe Metalle entstehen aus Schmelzen, die man durch rasches Abkühlen am Kristallisieren hindert. Die mögliche Abkühlzeit lässt sich verlängern, indem man Atome mit sehr unterschiedlichen Durchmessern mischt. Das nötige schnelle Abkühlen funktionierte lange nur bei dünnen Schichten im Melt-Spinning-Verfahren. Volumenkörper, sogenannte Bulk Metallic Glasses (BMG oder metallische Massivgläser), lassen sich heutzutage aber sogar im Spritzguss auf Spezialanlagen mit Wandstärken von bis zu 5 mm und mittels 3D-Druck, aufgrund des schichtweisen Aufbaus, nahezu grenzenlos dick herstellen.
Anders als konventionelle metallische Legierungen, die sich beim Erstarren normalerweise schlagartig zusammenziehen, erlaubt die amorphe Struktur der metallischen Gläser die Umformung in der sogenannten unterkühlten Schmelze. Hier fließt das weiche Material wie ein Polymer beim Spritzgießen. Da die Schmelze amorpher Legierungen auch nach dem Erstarren die Form vollständig ausfüllt, lassen sich Bauteile in CNC-Qualität bei geringem Schrumpf wiederholgenau, präzise und fast nachbearbeitungsfrei wie Kunststoff spritzgießen.
Dank fehlender Kristallbaufehler besitzen amorphe Legierungen eine extrem hohe Streckgrenze, bei solchen auf Zirkonium-Basis bis zu 1.700 MPa vgl. mit 880 MPa bei Stahl und eine außerordentliche Elastizität um 1,7 % (Stahl 0,31%). Damit verbinden amorphe Metalle die elastischen Eigenschaften von Kunststoffen mit der hohen Festigkeit von Metallen. Da sie sich nicht verformen, besitzen sie eine sehr hohe Eigendämpfung.