Anwenderbericht Plexus

In 18 Monaten zur Marktreife

9. Januar 2019, 15:00 Uhr | Robert Frodl
Mit herkömmlichen Systemen dauert die renale Denervierung bis zu 60  Minuten.
© Plexus

Eine Idee allein macht noch kein marktreifes Gerät. Um das Konzept eines renalen Denervierungs-Systems zu Behandlung von Bluthochdruck umzusetzen, setzte ein Medizingerätehersteller auf den Dienstleister Plexus.

Weltweit leiden mehr als 1,2 Milli­arden Menschen unter chronischen Bluthochdruck, rund 20 bis 30 Millionen sind es in Deutsch­land. Kann der Bluthochdruck nicht medikamentös eingestellt werden, greifen Ärzte zu anderen Therapieverfahren – wie der renalen Denervierung (Kasten).

Im geplanten Multi-Elektroden-Dener­vierungs-System sollte ein neues technisches Verfahren den Ärzten eine deutlich schnellere Behandlung ermöglichen. Um das Konzept zu realisieren, wandte sich der Medizingerätehersteller an Plexus. Der EMS-Dienstleister verfügt über Branchenerfahrung im Healthcare- und Life-Science-Bereich und unterstützte bereits Kunden bei der Entwicklung von diversen medizinischen Geräten. Die Zusammenarbeit zwischen den acht Entwicklungszentren des Unternehmens weltweit, darunter das Design Center in Darmstadt, erlaubt es, lokale Projekte auf globaler Ebene zu realisieren und dabei die marktspezifischen Bedürfnisse und regulatorischen Vorschriften zu erfüllen.

Concept Convergence für schnelle Entwicklung 

Für die Umsetzung des renalen Denervierungs-Systems stand Plexus nur ein sehr enger Zeitrahmen zur Verfügung. Typischerweise werden nur für die Entwicklung eines so komplexen Geräts rund zweieinhalb Jahre eingeplant. Die Vorgabe an Plexus lautete allerdings, Entwicklung, Fertigung und Markteinführung innerhalb von nur 18 Monaten­ durchzuführen. Der straffe Zeitplan konnte nur eingehalten werden, da Plexus die Vorteile seines »Concept Convergence«-Ansatzes nutzte.

Gemeinsam mit dem Kunden präzisiert und filtert der EMS-Dienstleister erste Ideen und fasst sie in einem kohären­teren Ansatz zusammen. Das Fine­­tuning des Grobkonzepts ist ein Ausgangspunkt für eine gute Zusammenarbeit, um gemeinsame Ziele festzulegen und die Marktreife des Konzepts zu prüfen. Nicht immer stimmt eine Produktidee auf Anhieb mit dem zugrundeliegenden Geschäftsmodell oder der Strategie eines Unternehmens überein. Umso wichtiger ist es, das erste Konzept bei Bedarf weiter zu entwickeln und so zum Kern der Anwenderbedürfnisse vorzudringen.

Was ist Renale Denervierung?

Die renale Denervierung ist ein Therapieverfahren zu Behandlung von chronischem Bluthochdruck. Dabei werden feinste Nervengeflechte um die Nierenschlagader mittels Stromimpulsen verödet (Ablation), sodass Blutdruck erhöhende Hormone nicht mehr ausgeschüttet werden können und der Blutdruck sinkt.

Der minimalinvasive Eingriff wird mit Hilfe eines speziellen Katheters vorgenommen, der über die Leistenarterie bis zu den Nieren eingeführt und dort an den Nervenenden angebracht wird. An der Spitze des Katheders befinden sich Elektroden, die gezielt hochfrequente Energie (HF) abgeben. Um möglichst viele Nerven auf diese Weise zu veröden, wiederholt der Katheder die Ablation an mehreren Stellen entlang der Nervenbahn, wobei der HF-Ablationsgenerator an jeder Stelle circa 60 Sekunden aktiviert bleibt. Insgesamt dauerte mit herkömmlichen Sysemen der Eingriff für beide Nieren 40 bis 60 Minuten.

Das von Plexus mitentwickelte renale Denervierungs-System verfügt über einen technisch hochentwickelten Generator, der über vier gleichmäßig angeordnete Elektroden simultane Ablationen erzeugt und so den Eingriff deutlich beschleunigt. Über einen Touchscreen mit Symbolsteuerung kann der behandelnde Arzt Informationen zur laufenden Prozedur einsehen und speichern. Ein spezielles, nicht okkludierendes Korb-Design erlaubt die Anwendung eines vorhersehbaren Ablationsmusters und stellt sicher, dass der Blutstrom zur Niere während des gesamten Eingriffs aufrechterhalten wird.

 

Richtlinien und Supply Chain im Griff 

BIn einem dreitägigen Workshop und zahlreichen Brainstorming-Runden wurde die grundlegende Idee hinter dem Produkt ins Auge gefasst und analysiert, um die unterschiedlichen Anforderungen und Wünsche des Kunden in Einklang zu bringen. Dieser Prozess war der Schlüssel, um innerhalb der vorgegebenen Zeit ein einheitliches Konzept zu entwickeln. Das Ergebnis war eine detaillierte Aufgabenverteilung sowie ein starkes Fundament für Design und Entwicklung.

Plexus nutzte im vollen Umfang sein Value-Stream-Service-Modell mit auf­einander abgestimmter Dienstleistung zur Entwicklung und Fertigung des Produkts, stand dabei aber vor komplexen Herausforderungen. So war eine gleichzeitige Aktivierung der vier Elektroden des Geräts sowie eine punktgenaue Stromgenerierung und -abschaltung nötig. Darüber hinaus mussten einzelne Elektroden individuell ansteuerbar sein. Als Medizingerät der Klasse III musste das Gerät auch strenge FDA-Richtlinien erfüllen.

Monatliche Treffen des Management-Teams sowie ein regelmäßiger Austausch mit dem Team des Kunden schafften offene Kommunikationswege. Die direkte Einbeziehung bei Versuchs- und Testverfahren ermöglichte es, das Design wenn nötig zu überarbeiten. Auf Basis des unmittelbaren Feedbacks über Prototypen konnte die Nutzererfahrung weiter verbessert werden. Eine frühe Konzeptentwicklung legte einen besonderen Schwerpunkt auf ein stark visuelles Branding und eine optimale Bedienbarkeit.

Schnelle Marktreife, bessere Behandlung

Dank Concept Convergence und den eng aufeinander abgestimmten Prozessen von Plexus konnte der Kunde seinen geplanten Zeitplan von 18 Monaten einhalten (Kasten unten). Damit brachte er als erster Anbieter ein Multi-Elektroden-Gerät auf den Markt, das eine im Vorfeld konfigurierte Katheter-Ablation ermöglicht. Das renale Denervierungs-System bietet ein reproduzierbares Ablationsmuster mit vier gleichmäßig verteilten Elektroden. Eingriffe verlaufen so mit höherer Geschwindigkeit und Genauigkeit bei der Platzierung der Elektroden.

Die Behandlung von chronischem Bluthochdruck wurde damit deutlich beschleunigt und verbessert. Die Dauer des Eingriffs konnteum ein Vielfaches auf vier Minuten verkürzt werden.

Concept Convergence bei Plexus

[1] Bereichsübergreifendes Verstehen

Plexus sammelt Informationen von allen Stakeholdern, um das Produkt, das System und den Business Case im Detail zu verstehen.

[2] Jede Option ausloten

Mithilfe von Brainstorming-Techniken geht das Team den konzeptionellen Möglichkeiten auf dem Grund und nähert sich dabei aus verschiedenen Blickwinkeln. Dabei kann es hilfreich sein, das Team zu ergänzen, Feedback von Anwendern einzuholen, unterschiedliche Nutzungsszenarien durchzuspielen und Marketingstrategien mitzudenken, um den im ersten Schritt gewonnenen Anfangsideen Kontext und Tiefe zu verleihen.

[3] Auswerten der Ergebnisse

Die wichtigsten Ideen werden im nächsten Schritt detailliert ausgewertet und unter anderem auf kosten-, termin- oder technologiebedingte Einschränkungen untersucht. So lassen sich genau die Ideen auswählen, die am besten zur Strategie, Ausrichtung und momentanen Geschäftslage des Unternehmens passen.

[4] Überführung in ein Konzept

Auf Basis dieser Analyse lassen sich die ausgewählten Ideen in ein durchdachtes Konzept beziehungsweise eine Reihe von Konzepten überführen. Die nächsten Schritte werden im Detail dokumentiert und kommuniziert, einschließlich der Bereiche, die eingehende Untersuchungen erfordern. Für alle Folgeaktivitäten in der Konzeptions- oder Designphase des Value-Streams ist damit eine klare Richtung vorgegeben.

Zuerst gesehen
Dieser Beitrag stammt aus der Medizin+elektronik Nr. 6 vom 02.11.2018. Hier geht’s zur vollständigen Ausgabe.

 


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