Kunststofftechnik

In-line Prozessüberwachung im Spritzgießprozess

6. Oktober 2020, 10:00 Uhr | Suzanne Graeser Bieri u.a. (Kistler)
Der Werkzeuginnendrucksensor Unisens (6183D) eignet sich besonders für kleine Teile und mehrkavitätige Werkzeuge.
© Kistler

Teil 1: Piezoelektrische Sensoren

Produzierende Unternehmen müssen schnell und effektiv auf veränderte Rahmenbedingungen und Produktionsketten reagieren – das hat insbesondere die jüngste Vergangenheit vielfach gezeigt.  Aber nicht nur kurzfristig, auch perspektivisch lassen sich strategische Maßnahmen ergreifen, um für höhere und sich verändernde Anforderungen an Produktionsvolumen und -tempo, aber auch an Produktqualität und Leistungsfähigkeit der Produktion gerüstet zu sein. Viele Hersteller von medizinischen Einwegprodukten, Kleingeräten oder Bauteilen aus Kunststoff, beispielsweise Kanülen, Pipettenspitzen, Inhalatoren oder Insulinpens, setzen dabei auf das Spritzgießverfahren. Damit investieren sie verstärkt in eine präventive Qualitätssicherung entlang des Produktlebenszyklus. Die effizienteste und sicherste Methode ist die Integration der Qualitätssicherung direkt im Prozess. Der Werkzeuginnendruck, auch Forminnendruck genannt, ist die aussagekräftigste Prozessgröße, die Anwendern vollumfängliche Prozesstransparenz eröffnet und die Null-Fehler-Produktion ermöglicht.

In der Spritzgießpraxis spielt der Werkzeuginnendruck eine wesentliche Rolle. Er beschreibt die Vorgänge in der Kavität – und damit lückenlos die Entstehungsbedingungen des Bauteils über den gesamten Prozess. Das macht den Werkzeuginnendruck zum Indikator für die Qualität des entstehenden Formteils. Seinem Verlauf während der Füll-, Kompressions- und Nachdruckphase können spezifische qualitätsrelevante Eigenschaften des Bauteils zugeordnet werden, beispielsweise Maßtreue, Oberfläche, Gewicht oder Ausformungsgrad. Der Verlauf des Werkzeuginnendrucks stellt somit einen teilespezifischen Fingerabdruck der Qualität dar, mit dem sich während des gesamten Produktionsprozesses genaue Aussagen zu optimalen Prozessparametern treffen lassen. Gutteile von Schlechtteilen zu unterscheiden ist bereits während der Produktion möglich.

Hohe Anforderungen an Sensoren und Sensorvielfalt

Um die qualitätsentscheidenden Vorgänge im Formwerkzeug exakt zu erfassen, müssen die eingesetzten Sensoren ihren Beitrag hinsichtlich Zuverlässigkeit, Präzision und Robustheit leisten. Die Messung von Druck und Temperatur beim Spritzgießen setzt eine hochauflösende und sichere, zugleich aber auch wartungsfreie und langlebige Messtechnik voraus. Entsprechende Messketten müssen einen Einsatzbereich von bis zu 450° Celsius Schmelzetemperatur abdecken und selbst bei Druckverhältnissen von 2000 bar kleinste Druckschwankungen erfassen und auflösen können. Kistler setzt piezoelektrische Sensoren mit teils speziellen Materialien ein, um diese hohen Anforderungen zu erfüllen. Das auf dem piezoelektrischen Effekt basierende Messprinzip erlaubt es hochdynamische Druck- und Kraftverläufe präzise zu messen. 

Der piezoelektrische Effekt bezeichnet die Eigenschaft bestimmter Kristalle, bei mechanischer Belastung eine dazu proportionale elektrische Ladung abzugeben. Entdeckt wurde er 1880 von Pierre und Jacques Curie. Bereits 70 Jahre später erfolgte die Patentierung eines Ladungsverstärkers für piezoelektrische Signale durch Walter P. Kistler. Er hatte entdeckt, dass sich mittels Quarzkristallen eine einwirkende Kraft, Druck oder Beschleunigung genau bestimmen lässt. Konkret entsteht durch die gerichtete Verformung des piezoelektrischen Messelements eine zum ausgeübten Druck proportionale elektrische Ladung. Das Ladungssignal wird mit einem Ladungsverstärker in elektrische Spannung umgewandelt. Damit sind Piezo-Sensoren prädestiniert für den Einsatz bei extremen Anforderungen, vor allem in punkto Miniaturisierung, Temperatur und Dynamik.

Direkte Messung und indirekte Sensoren

Neben dem physikalischen Messprinzip ist auch der Einsatz des richtigen Sensors am richtigen Ort entscheidend, gerade im Hinblick auf die Prozesssicherheit. Kistler setzt hier darauf, dass für die jeweilige Formteilgeometrie, Einbausituation, den jeweiligen Spritzgießprozess und Kunststoffwerkstoff ein exakt passender Sensor zur Verfügung steht. Dies spiegelt sich im umfangreichen und vielfältigen Sensorproduktportfolio wider. 

Bei der direkten Messmethode berührt der Sensor die Kunststoffschmelze in der Kavität und misst dort den Druck direkt und ohne Verluste. Die Front des Sensors lässt sich bei den meisten Sensoren an die Oberfläche der Kavität anpassen, sodass kaum ein Abdruck auf dem Formteil zu erkennen ist. Neben einer Vielzahl unterschiedlicher Durchmesser – angefangen von 1 mm bis hin zu 9 mm – ermöglichen Sensoren von Kistler die kombinierte Messung von Druck und Temperatur. Ein einziger Sensor misst beide Prozessgrößen und reduziert so die Komplexität für die Anwender.

Alternativ stehen, falls die Platzverhältnisse im Werkzeug keine direkte Messung erlauben, indirekte Sensoren zur Verfügung. Hier ist ein Kraftsensor hinter einer Transferstange oder einem Auswerfer angeordnet. Der Kraftfluss verläuft also von der Schmelze auf die Stirnfläche der Transferstange, welche die Kraft auf den Sensor weiterleitet. Eine dritte Messmethode ist die berührungslose Messung, bei der Messdübel die vom Druck verursachte Stauchung des Werkzeugs erfassen. Diese Methode kommt dann zum Einsatz, wenn Bauteile keine sichtbaren Markierungen aufweisen dürfen. 
 

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