Autismus-Spektrum-Störung

KI-Hilfe für autistische Kinder

31. März 2020, 8:00 Uhr | Thomas Niewel
Farbige Puzzles dienen häufig als Symbol um auf Autismus aufmerksam zu machen.
© Pixabay

Machine Learning und Edge Computing können dabei helfen, Diagnose und Therapie von Autisten zu verbessern

Bei Autismus handelt es sich um eine neurologische Entwicklungsstörung, die sich durch eine andere Art der sozialen Interaktion und Kommunikation sowie veränderte Reizwahrnehmung zeigt. Dies kann je nach Betroffenem unterschiedlich stark ausfallen und zeigt sich beispielsweise dadurch, dass manche Betroffenen wenig bis gar nicht sprechen und andere zwar viel sprechen, aber nicht in der Lage sind, Blickkontakt aufzunehmen oder unfähig zur nonverbalen Kommunikation sind, also Gesten oder Tonalität während eines Gesprächs nicht richtig deuten können. Deshalb sprechen sie auch selbst eher in einer monotonen Stimmlage.

Ebenfalls charakteristisch sind repetitive Verhaltensmuster, die sich in immer wiederholenden Bewegungen oder einem Festhalten an routinierten Verhaltensweisen äußern, beispielsweise ein ständiges Schaukeln mit dem Oberkörper oder jeden Tag dasselbe Frühstück zu essen. Die Symptome können vielfältig und von Patient zu Patient unterschiedlich sein, weshalb bei manchen Patienten zunächst kein Hinweis auf Autismus vermutet wird und bei Kindern in der Vergangenheit mitunter auch ADHS vermutet wurde.

Autismus hat viele Ausprägungen

Bis 2018 wurde noch zwischen verschiedenen Autismus-Formen unterschieden, beispielsweise dem frühkindlichen Autismus und dem Asperger-Syndrom. Da sich Subtypen allerdings (noch) nicht klar abgrenzen lassen und der Übergang fließend sein kann, spricht man heute nur noch von der allgemeinen Autismus-Spektrum-Störung (ASS) mit unterschiedlich starken Merkmalen. Je nach Ausprägung in diesem Spektrum kann Autismus die Persönlichkeitsentwicklung, Berufschancen und das Sozialleben beeinträchtigen – sofern es nicht oder zu spät behandelt wird.

Die gute Nachricht ist, dass Autisten je nach Ausprägung in der Lage sind, durch Verhaltenstherapie und intensives Training am normalen Leben teilnehmen zu können. Therapeuten, Logopäden und speziell geschulte Pädagogen können behutsam Beziehungen zu den Kindern aufbauen und Alltagssituationen trainieren sowie intensives Training der sprachlichen und sozialen Fähigkeiten betreiben. 

Voraussetzung dafür ist eine frühe Diagnose, die auch bereits im Kleinkindalter möglich ist. Kinder, die nicht auf ihren Namen reagieren, wenig oder sehr spät anfangen zu sprechen oder keinen Blickkontakt aufnehmen, können sich bei Spezialisten testen lassen. Allerdings führt der erste Weg von Eltern zunächst zum Kinderarzt und nicht zu einem Spezialisten, der zudem meistens lange Wartezeiten hat, ehe die aufwändige Diagnostik, bestehend aus Fragebögen und neurologischen Tests beginnt. Die Tests sind allerdings vielschichtig und aufwändig auszuwerten, da kein Autismus-Patient dem anderen gleicht und sich die Patienten entlang eines Spektrums bewegen, weshalb verschiedene Merkmale unterschiedlich stark ausgeprägt sind.

Machine Learning unterstützt Diagnose

Eine schnelle Diagnose und eine effektive Therapie für die individuellen Anforderungen je nach Ausprägung des ASS kann durch den Einsatz moderner Technologien besser unterstützt werden als früher. So kann die analoge Diagnose von Autismus anhand von Fragebögen und Verhaltenstests mit spielerischen Elementen durch KI-Algorithmen stark beschleunigt werden. 

Diese sind langwierig und die einzelnen Ergebnisse müssen in Relation zueinander gesetzt werden, um festzustellen, ob ein Kind, das nicht auf seinen Namen reagiert, tatsächlich autistisch ist, oder schlecht hört. Vorprogrammierte Entscheidungsbäume können die Antworten und Reaktionen der Betroffenen in Echtzeit auswerten und so aus den vielfältigen Tests die verschiedenen Ergebnisse schneller auswerten und damit die Entscheidung erleichtern.

Für die Auswertung und Analyse medizinischer Aufnahmen wie MRT-Scans kann Machine Learning unterstützend zum Einsatz kommen, um die Konnektivität des Gehirns zu analysieren und wie Neuronen in einem neuronalen Netzwerk Informationen verarbeiten. Daraus lassen sich Einblicke über die Form der einzelnen Neuronen sowie Größe, Platzierung und Verbindung der größeren neuronalen Strukturen ableiten. Diese wiederum helfen dabei, multivariate und nichtlineare funktionale Konnektivitätsmuster zu identifizieren und somit Autismus festzustellen und zu klassifizieren.

Edge Computing  minimiert Latenzzeiten

Auch die Therapie lässt sich durch technologische Unterstützung effizienter begleiten. Da diese ein großes Einfühlungsvermögen und sensible Vorgehensweisen anhand der individuellen Reaktionen und Bedürfnisse von Patienten erfordert, ist es hilfreich, Reaktionen der Betroffenen zu kennen und Verhaltensmuster im täglichen Leben zu analysieren. Edge Computing in Kombination mit Datenvirtualisierung kann hier behilflich sein. Edge Computing bezeichnet im Gegensatz zum Cloud Computing die dezentrale Datenverarbeitung am Rand des Netzwerks.

Beim Edge Computing lassen sich die von Wearables erfassten Gesundheitsdaten auf einem stationären Gerät vor Ort analysieren, was Latenzzeiten minimiert, die bei der Übertragung an ein zentrales Rechenzentrum auftreten würden. Datenvirtualisierung integriert dabei die verschiedenen Informationsströme zu Herzfrequenz, Angstpegeln, Stimmungsschwankungen oder Schlafmustern und beschleunigt die Aufbereitung der Ergebnisse, damit Therapeuten, Ärzte und Angehörige wissen, welche Aspekte bei der Behandlung adressiert und priorisiert werden sollten. So ließen sich auch Systeme für die Echtzeit-Bewegungserfassung integrieren, um hochwertigere Hinweise auf motorische Verhaltensmuster zu erfassen.

Über den Autor

Thomas Niewel ist Technical Sales Director DACH bei Denodo. Das Unternehmen ist laut eigener Aussage führend in der Datenvirtualisierung und bietet agile, leistungsstarke Datenintegration, Datenabstraktion und Echtzeit-Datendienste für verschiedenste Datenquellen. Weitere Informationen zum Unternehmen finden Sie unter www.denodo.com 

Hintergrund

Seit 2008 wird jährlich am 2. April in allen Mitgliedsländern der Vereinten Nationen der Welttag der Aufklärung über Autismus begangen.  An diesem Tag wird darauf hingewiesen, dass die Früherkennung und geeignete Forschungs- sowie Interventionsmaßnahmen für die Entwicklung der Betroffenen von entscheidender Bedeutung sind. 


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