TI-Konnektoren

Mehr als ein gewöhnlicher Datenrouter

12. März 2021, 9:05 Uhr | Titelstory medical design 1/2021
Congatec lieferte das Boarddesign für den TI-Konnektor von Secunet.
© AdobeStock/medical design

Seit kurzem ist der TI-Konnektor von Secunet auch in der eHealth-Version verfügbar und bildet damit das Herzstück für ein möglichst papierfreies Gesundheitssystem. Dabei wurde das Unternehmen aus Essen von verschiedenen Partnern unterstützt – unter anderem von Congatec und S.I.E. Solutions.

Zeljko Loncaric 
Marketing Engineer bei Congatec

Mit zunehmender Digitalisierung des Gesundheitswesens werden die Aufgabenstellungen an die vernetzten Geräte zunehmend komplex. Insbesondere der Umgang mit hochsensiblen Daten stellt die digitale Transformation im Gesundheitswesen vor zusätzliche Herausforderungen. Experten aus unterschiedlichen Unternehmen stellen sich deshalb immer häufiger gemeinsam den Herausforderungen in der Produktentwicklung, anstelle sich gegenseitig mit Pflichtenheften und linear aufeinander folgenden Projektphasen abzuschotten. Das Ziel ist es, schneller, besser und effizienter zu werden, anstelle sich im Sand der Pflichtenhefterstellung festzufahren und Agilität nicht nur für die eigene Entwicklung zu nutzen, sondern das gesamte Projekt als solches unternehmensübergreifend zu steuern. Das erfordert eine deutlich andere Kultur der Zusammenarbeit, als sie in klassischen Kunden-Lieferanten-Beziehungen und streng hierarchischen Unternehmensstrukturen möglich ist. Unternehmen müssen sich deutlich mehr öffnen und echte Partnerschaften eingehen, um effizienter miteinander umgehen zu können. Letztlich geht es darum, eine High-Performance-Kultur in den projektspezifischen Teams zu entwickeln, die auf Vertrauen, Fehlertoleranz und Ergebnisorientierung basiert und so letztlich auch eine starke Leistungsfähigkeit entfalten kann. 

Gefördert wird eine solche Offenheit durchaus auch durch Trends wie die Sharing Economy, in der es nicht mehr darum geht, Dinge zu besitzen, sondern sie zu nutzen und so letztlich nachhaltiger zu agieren, da Ressourcen auf diese Weise optimal verwertet werden können. Es ist aber auch eine Tatsache, dass Prozesse einfach zu lange dauern, wenn man sich abschottet und nicht das gemeinsame Projekt als das wichtigste Ziel definiert. Erkannt haben das beispielsweise die Unternehmen, die an der Entwicklung eines Konnektors für die Telematikinfrastruktur (TI) beteiligt sind. Der Secunet Konnektor kommt heute bereits in rund 50.000 Arztpraxen zum Einsatz, um digitalisierte Dienste wie beispielsweise Notfalldatenmanagement (NFDM), elektronische Medikationspläne (eMP) und qualifizierte elektronische Signaturen (QES) nutzen zu können. Solche Anwendungen unterstützen Ärzte dabei, die tägliche Arbeit effizienter zu gestalten und letztlich die Digitalisierung im Gesundheitswesen weiter voranzutreiben. Künftig sollen über das digitale Gesundheitsnetz auch E-Rezepte ausgetauscht werden können. Der Konnektor fungiert dabei als Bindeglied zwischen der Arztpraxis oder Apotheke, also dem sogenannten medizinischen Leistungserbringer, und der TI. Der Arzt beziehungsweise der Apotheker identifiziert sich dabei eindeutig mithilfe einer sogenannten Institutionenkarte, der SMC-B-Karte, um sich als Leistungserbringer mit den Infrastruktur-Ressourcen des digitalisierten Gesundheitswesens verbinden zu können.

BSI- und gematik-konforme Produkte entwickeln
 

In der Telematikinfrastruktur ist der Konnektor die entscheidende Komponente beim Leistungserbringer, die die lokal erforderlichen Sicherheitsfunktionen übernimmt.
In der Telematikinfrastruktur ist der Konnektor die entscheidende Komponente beim Leistungserbringer, die die lokal erforderlichen Sicherheitsfunktionen übernimmt.
© Secunet

An der kollaborativen Entwicklung des Konnektors waren insgesamt sieben Unternehmen und Organisationen beteiligt: Secunet agierte als Security-Spezialist mit dem entsprechenden Marktzugang und S.I.E Solutions als Systemintegrator und Experte für die Entwicklung und Assemblierung des Hardwaresystems, welches das Unternehmen auf Basis einer individuell zugeschnittenen Hardwareplattformen des Embedded Computer Herstellers Congatec entwickelte. eHealth Experts brachte seine Erfahrung im Bereich Gesundheits-IT ein und Arvato Systems lieferte den VPN-Zugangsdienst. Zusätzlich beteiligt sind in diesem sicherheitstechnisch sensiblen Umfeld das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sowie die gematik, die die TI betreibt. 

Dass sich solche komplexen Konstellationen nur managen lassen, wenn alle an einem Strang ziehen, ist leicht zu verstehen. Embedded-Hardware-Lieferanten haben in der Regel wenig mit den Anforderungen des BSI und der gematik zu tun, da die Zertifikate von den Unternehmen beigesteuert werden müssen, die das Produkt in Verkehr bringen. Gleichzeitig sind sie aber auch diejenigen, die das Fundament für die finale Hardware liefern. Will man Projekte folglich schnell in die Tat umsetzen, muss man einen leistungsfähigen Embedded-Lieferanten in das gemeinsame Ökosystem integrieren. Secunet entschied sich für S.I.E. Solutions.  Das Unternehmen war dabei komplett für die normen- und sicherheitskonforme Hardwareentwicklung verantwortlich, inklusive fertigungstauglicher mechanischer Systemkonstruktion und applikationsspezifischem Mainboard mit Secure BIOS. Heute kümmert sich S.I.E. zudem um die Assemblierung der Systeme und das komplette Supply Chain Management. Die passgenaue Bereitstellung des Boards übergab der Systemintegrator dabei an Congatec. Der Embedded Computer Hersteller war von Anfang an in die kollaborative Produktentwicklung integriert, sodass sich alle beteiligten Unternehmen heute zu einem äußerst leistungsfähigen Ökosystem für die Digitalisierung des Gesundheitswesens zusammengefunden haben. 

Die Zusammenarbeit funktionierte dabei von Anbeginn erfolgreich, denn binnen einer Woche konnte bereits der Code auf der für die Applikation vorgeschlagenen Hardwareplattform getestet werden. Die Software-Entwickler von Secunet waren dadurch in der Lage, ihr Produkt direkt auf Basis der Hardware zu testen, die nach applikationsspezifischer Adaption dann auch im finalen Produkt zum Einsatz kommen sollte. Ein Rapid Prototyping des voraussichtlich finalen Layouts wurde binnen vier Monaten fertiggestellt und mit leichten Revisionen in weniger als einem Jahr zur Serie gebracht. 

Prüfinstitutionen von Anfang an beteiligen
 

Der Konnektor wurde auf Basis eines Embedded Computing Cores aus dem Hause Congatec entwickelt.
Der Konnektor wurde auf Basis eines Embedded Computing Cores aus dem Hause Congatec entwickelt.
© Secunet

Die Besonderheiten in der Kommunikation und der Zusammenarbeit im Rahmen des Projekts waren die intensivere Kollaboration über einen längeren Zeitraum und die eng aufeinander folgenden, in der Regel wöchentlichen Abstimmungen. Tauchten Probleme auf, wurden sie über sogenannte Expertencalls, an denen alle über die ganze Entwicklungskette hinweg beteiligten Unternehmen teilnahmen, schnell gelöst. Die Matrixkommunikation erfolgte also über die Unternehmensgrenzen hinweg. Auch bei Reviews wurde jeweils über diese Matrix die ganze Entwicklungskette eingebunden – so konnten Re-Design-Schleifen eingespart werden. Hilfreich war zudem die sehr klare Zielsetzung: An Tag X soll ein fertiges Produkt zugelassen und marktfähig verfügbar sein – dieses Big Picture war allen Beteiligten immer präsent und galt es zu realisieren. Agile Anpassungen und Änderungen wurden folglich wo nötig umgesetzt. 

Ein wichtiges Element war auch die unmittelbare Einbindung der von Secunet beauftragten SRC-Prüfstelle, mit der alle sehr eng zusammenarbeiteten, um die erforderlichen Standort-Zertifizierungen zu realisieren. So waren sichere Bereiche zu schaffen mit Bewegungsmeldern, sicherem Netzwerk usw., um eine Common-Criteria-Zertifizierung des BSI zu realisieren, wobei für Hochsicherheits-relevante Themen eine spezielle Plattform zur Projektkoordination zum Einsatz kam. Das Audit wurde auf Anhieb bestanden. BSI-zertifiziert ist heute nicht nur jeder einzelne Partner, sondern auch alle Teile des Produkts – und dies über die gesamte Wertschöpfungskette und alle Partner hinweg.

Eine sehr enge Abstimmung war sowohl in der Entwicklung als auch für die Fertigung der Serie erforderlich. So wurden alle Fertigungsabläufe und Dokumentationsanforderungen gemeinsam mit dem Hersteller entwickelt und implementiert. Auch hier kommt folglich gemeinsames Know-how zum Einsatz, sodass man von einem virtuellen Team sprechen kann, das speziell für dieses Kollaborationsprojekt geschaffen wurde und das auch für weitere vergleichbare Aufgabenstellungen prädestiniert ist. Frühzeitige Tests gewährleisteten dabei einen reibungslosen Serienstart. Auch konnten die Fertigungszahlen ohne Probleme von 2.000 Stück pro Monat auf über 10.000 skaliert werden, da organisatorische Ablauf-, Ausfall- und Serienszenarien genauso umfangreich getestet und trainiert wurden wie technisch erforderliche Signal-Compliance, EMV- oder Klimatests.

Standardboard dient als technologische Basis

Technologische Basis für den neuen Medical Edge Connector hat ein Boarddesign von Congatec geliefert, das mit seinen hardwarenahen Security-Funktionalitäten überzeugt, die perfekt zu den gestellten Anforderungen passten. Bei der Auswahl der Hardwareplattform galt es nämlich, die Themen Sicherheit, Datenschutz, Verschlüsselung und die Analyse von potenziellen Angriffsvektoren umfassend zu berücksichtigen. Auf bereits in Serienproduktion befindliche Produkte zu setzen bietet auch bei applikationsspezifischen Varianten die notwendige Sicherheit, dass selbst bei großen Einzelserien keine gravierenden Kinderkrankheiten auftauchen werden. 

Dies hat sich im konkreten Projekt bewahrheitet. Bis zum heutigen Tag wurden bereits über 50.000 Konnektoren verkauft und entsprechend viele Institutionen an die Telematikinfrastruktur angebunden. Inzwischen ist der Konnektor auch in einer leistungsfähigen Bauform speziell für den Einsatz in Rechenzentrumsumgebungen verfügbar. Diese Version eignet sich unter anderem für Krankenhäuser. Bei der Entwicklung des Konnektors für Rechenzentren gelang es, das bereits vorhandene Netzwerk erneut zu nutzen. 

Über Secunet, S.I.E. und Congatec

Secunet gehört zu Deutschlands führenden Cyber-Security-Unternehmen und ist spezialisiert auf Bereiche, in denen es besondere Anforderungen an die Sicherheit gibt, zum Beispiel Cloud, IIoT, Machine Learning und eHealth. Über 700 Experten und Expertinnen stärken die digitale Souveränität von Regierungen, Unternehmen und der Gesellschaft. Zu den Kunden zählen die Bundesministerien, mehr als 20 DAX-Konzerne sowie weitere nationale und internationale Organisationen. Das Unternehmen wurde 1997 gegründet. Es ist im SDAX gelistet und erzielte 2019 einen Umsatz von rund 226 Mio. Euro. 

Die S.I.E. Solutions versteht sich als Partner für Digitalisierung und Systemintegration und agiert als Lösungsanbieter für System-Design, agile Entwicklung und professionelle Fertigung und Lieferung von Embedded-Systemen beziehungsweise Cyberphysischen Systemen in regulativ anspruchsvollen Branchen wie der Medizintechnik oder dem Labor- und Analysemarkt. Innerhalb eines All-In-One Service-Ansatzes begleitet das Unternehmen seine Partner auf dem Weg der Digitalisierung.

Congatec ist ein stark wachsendes Technologieunternehmen mit Fokus auf Embedded-Computing-Produkten. Die Computermodule werden in einer Vielzahl von Systemanwendungen und Geräten in der industriellen Automatisierung, der Medizintechnik, dem Transportwesen, der Telekommunikation und vielen anderen Branchen eingesetzt. Im Segment Computer-on-Module gehört Congatec zu den globalen Marktführern mit einer Kundenbasis von Start-ups bis zu internationalen Blue-Chip-Unternehmen. Das 2004 gegründete Unternehmen mit Sitz in Deggendorf erwirtschaftete 2019 einen Umsatz in Höhe von 126 Mio. US Dollar. Mehr Informationen zu den Congatec-Produkten für die Medizintechnik finden Sie unter www.congatec.com/de/industrien/medizintechnik


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