Halbleiterbasierte Kristalle

Mit Lasermodulen gegen Krebs

25. April 2023, 18:29 Uhr | Von Stefanie Bäuerle für TwentyOne Semiconductors
© Marieke Lienert

Von Blau über Gelb bis Rot – die Farbenvielfalt von Lasern im sichtbaren Spektralbereich ist groß. Doch die Herstellung ist aufwendig und teuer, insbesondere für gelbe Laser im medizinischen Bereich. Eine neue Produktionsmethode schafft Abhilfe.

Die notwendigen halbleiterbasierten Kristalle können jetzt mit einer neuen Produktionsmethode kostengünstig und skalierbar gefertigt werden. In der Zellforschung helfen die Laserkristalle bei der frühzeitigen Erkennung von Krebszellen.

Laserstrahlen im sichtbaren Spektralbereich werden typischerweise über die Herstellung von Laserdioden erzeugt. Rote Dioden sind zum Beispiel in Laserpointern oder in DVD-Playern verbaut, blau-violette Dioden in Blu-Ray-Playern. Zur Erzeugung von gelbem Licht eignen sich materialbedingt jedoch keine Laserdioden, weshalb gelbe Laser unter hohen Anschaffungskosten und Aufwand mithilfe von dotierten Glaskristallen hergestellt werden, die optisch mit Energie versorgt werden.

In der Medizintechnik werden Laser unter anderem dafür eingesetzt, sogenannte Fluoreszenz-Marker anzuregen. Bestrahlen die Laser kleine Moleküle, die sich mithilfe von Rezeptoren an Zellen andocken, dann beginnen diese zu leuchten und geben damit Auskunft über verschiedene Zelleigenschaften. Je vielfältiger die Wellenlängen und damit Laserfarben sind, die auf die Marker treffen, desto besser können Zelltypen identifiziert und damit z. B. Tumorzellen erkannt werden. Im besten Fall kann die Therapie schwerer Krankheiten wie Leukämie damit sehr frühzeitig beginnen.  

Sorgfältig hergestellte hauchdünne Schichten

Im Rahmen seiner Promotion entwickelte der Physik-Doktorant Roman Bek am Ins­titut für Halbleiteroptik und funktionelle Grenzflächen der Universität Stuttgart erstmals Halbleiterschichten, mit denen sich in einem einfachen Aufbau gelbes Licht erzeugen lässt. Gemeinsam mit Norbert Witz-Haszler entstand so die MEXL-Technologie (MEmbrane eXternal-cavity Laser) zur Herstellung von Laserkristallen im grün-gelben Spektralbereich. 2019 gründeten die beiden Forscher ihr eigenes Start-up TwentyOne Semiconductors; erste Anfragen aus der Biomedizin hatten den Anstoß gegeben. Heute verkauft Twenty­One die Kristalle in der ganzen Welt, vorrangig an Laserfirmen, die sich auf biomedizinische Anwendungen spezialisiert haben.

Die Produktion im Labor der Universität Stuttgart beginnt mit der sorgfältigen Abscheidung von Halbleiterschichten auf zehn Zentimeter großen Wafern als Trägersubstrat. In einem Epitaxie-Verfahren wird die Struktur aufgebaut, welche später das Licht emittiert: Hauchdünne, einkristalline Schichten aus dem Halbleiterwerkstoff Galliumarsenid werden im Bereich von einigen Nanometern auf einer einkristallinen Unterlage abgeschieden. Die Wafer werden anschließend von externen Dienstleistern mit Siliziumcarbid verbunden, einer chemischen Verbindung, die die Wärme aus dem Halbleitermaterial abführt. Optische und metallische Beschichtungen dienen dazu, das Material zu entspiegeln und sorgen dafür, dass der chipförmige Kristall später einfach aufgelötet werden kann. Schließlich wird der Wafer in die einzelnen Kristalle zersägt.

»Wir sind in der Lage, innerhalb eines Durchlaufs mehrere hundert Kristalle pro Wafer zu produzieren«, erläutert Roman Bek. »Dieser Prozess macht die Herstellung sehr wirtschaftlich; wir können das Produktions­volumen langfristig enorm vergrößern.« Ein weiterer Vorteil ist die Langlebigkeit der Kristalle. Obwohl das Team ausschließlich die Kristallbestandteile des Lasers produziert, testet Twenty-One Semiconductors das komplette System auf seine Beständigkeit und stellt damit sicher, dass medizinische Geräte dauerhaft betrieben werden können. Die Produktion auf Wafer-Ebene und ihre laboreigene Testumgebung ermöglichen es dem Start-up, ökologisch und ökonomisch nachhaltig zu produzieren.

Anbieter zum Thema

zu Matchmaker+
Medizintechnik Halbleiter Laser Krebs Kristalle Twentyone semiconductors
Bild 1. Standard-Spezifikation des MEXL-Laserkristalls und seine Eigenschaften.
© Twenty-One Semiconductrs
MEXL-Kristall
Kantenlänge    5,1 mm
Dicke    1 mm
Durchmesser der freien Apertur   2 mm
Oberfläche außerhalb der Apertur  vergoldet
Pumpwellenlänge   ca. 808 nm
Lasereigenschaften

Erreichbare Emissionswellenlängen

500 nm – 600 nm

Durchstimmbarkeit   > 20 nm
Maximale Ausgangsleistung  > 10 W
Strahlqualität    TEM00, beugungslimitiert

 

 

 

 

 

Das Herzstück des Lasers

Fest verbaut, bildet der MEXL-Kristall neben der Pumpquelle und dem Resonator, bestehend aus zwei Spiegeln, den wichtigsten Bestandteil des gelben Lasers (Bild 1). Die Halbleitermembran innerhalb des Kristalls nimmt die von der Pumpquelle zugeführte Energie auf und wandelt sie um in infrarote Strahlung. Diese trifft auf den Auskoppelspiegel, welcher sie reflektiert und durch die Membran auf den zweiten Spiegel zurückwirft, der direkt auf dem MEXL-Kristall angebracht ist. Beim Durchgang durch die Halbleitermembran wird die Strahlung verstärkt und es entsteht ein stark gebündelter Strahl mit definierter Frequenz.

Für die Erzeugung von gelbem Licht sorgt ein Frequenzverdopplungskristall (SHG-Kristall), der sich zwischen dem MEXL-Kristall und dem Auskoppelspiegel befindet (Bild 2). In diesem wird die Infrarot-Strahlung in gelbes Licht umgewandelt, welches sichtbar durch den Auskoppelspiegel gelangt. Die Emissionswellenlänge liegt je nach Wahl des MEXL-Kristalls im Bereich von 500–600 Nanometer, einer für die Biomedizin wichtigen Bandbreite. »Wenn notwendig kann der Laser jedoch auch noch im Betrieb auf die gewünschte Wellenlänge hin angepasst werden, er weist eine Durchstimmbarkeit von mehr als 20 Nanometer auf«, beschreibt Roman Bek die durch den MEXL-Kristall begründete Flexibilität des Lasers (siehe Tabelle). »Die Ausgangsleistung des Strahls kann über 10 Watt erreichen. Für typische Anforderungen der Zellforschung werden jedoch meistens nicht mehr als 500 Milliwatt benötigt«, fährt er fort. »Von Vorteil für die Untersuchung von Zellproben ist auch das Strahlungsfeld des Lasers. Die sogenannte TEM00-Mode erzeugt einen beugungslimitierten Strahl mit rundem,
radialsymmetrischem Profil. Ein solcher Laserstrahl lässt sich sehr gut fokussieren oder in optische Fasern einkoppeln.«

Medizintechnik Halbleiter Laser Krebs Kristalle Twentyone semiconductors
Bild 2. Vereinfachte Darstellung der Funktionsweise eines gelben Lasers, der auf dem MEXL-Kristall basiert.
© Twenty-One Semiconductors

Vorteile gegenüber Festkörperlasern

Gegenüber dem Glaskristall, der in gängigen Festkörperlasern verbaut ist, weist die Halbleitermembran der MEXL-Kristalle eine ganze Reihe an Vorteilen auf. »Laser, die auf der MEXL-Technologie basieren, können im Gegensatz zu einem Festkörperlaser auf eine beliebige Wellenlänge eingestellt werden«, erklärt Roman Bek. »Sie funktionieren nicht nur bei speziellen Wellenlängen wie 532 oder 561 Nanometer, sondern auch bei jeder anderen im grün-gelben Spektralbereich. Zudem können sie auch noch im Betrieb durchgestimmt werden und ermöglichen so weitere Anwendungen, für die Festkörperlaser nicht geeignet sind.«

Die Halbleitermembran emittiert zudem nicht nur breit, sie absorbiert auch in großem Umfang, was sich günstig auf die Pumpquelle auswirkt. »Bei der Halbleitermembran muss die Laserdiode nur auf Raumtemperatur gehalten werden. Festkörperlaser-Kristalle hingegen können den temperaturbedingten Wellenlängenwechsel der Diode nicht ausgleichen, weshalb die Pumpquelle auf eine Temperatur stabilisiert werden muss«, erläutert Bek.

Auch die Anpassung der Pumplichtquelle auf die Lasermode gestaltet sich bei der Halbleitermembran sehr einfach. Damit das Strahlprofil der Diode auf die Mode des Kristalls passt und möglichst viel Energie der Quelle absorbiert werden kann, werden bei einem MEXL-Kristall nur wenige bis gar keine Korrekturen benötigt. Durch die Zweidimensionalität der Membran reicht es aus, wenn sie von einem Lichtstrahl getroffen wird, der annäherungsweise rund und ungefähr so groß ist wie die Lasermode. Diesem Vorgang stehen mehrere Korrekturen des Pumpstrahls gegenüber, der auf einen dreidimensionalen Festkörperlaser-Kristall trifft. Weitere Vorteile des MEXL-Kristalls sind außerdem seine Modulierbarkeit und seine Rauscharmut. Im Gegensatz zu einem Festkörperlaser-Kristall ist der Einschwingvorgang des Membranlasers sehr kurz, sodass er schnell eine konstante Leistung mit stabiler Frequenz liefert.

Der Weg zur Sensorik und Quantentechnologie

Neben dem Einsatz in der Biomedizin eignen sich die Kristalle auch für andere Anwendungsbereiche. In der Quantentechnologie zum Beispiel würden sich auf den MEXL-Kristallen basierende Laser dafür eignen, optische Atomuhren für einen extrem genauen Zeitstandard zu entwickeln. Ebenso gibt es für diese Art von Lasern eine Vielzahl verschiedener Anwendungen im Bereich der Spek­troskopie. Dem Gründerteam liegt neben der Monetarisierung der Technologie auch der medizinische und gesellschaftliche Nutzen am Herzen. Norbert Witz-Haszler beschreibt die Motivation des Teams so: »In der Entwicklung des Laserkristalls steckt unser Herzblut. Wir möchten damit eine Plattform bieten, die Firmen hilft, ihre eigenen innovativen Ideen zu entwickeln und zu verwirklichen.« (uh)


Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu WEKA FACHMEDIEN GmbH

Weitere Artikel zu Leistungshalbleiter-ICs

Weitere Artikel zu Laserverarbeitung

Weitere Artikel zu Medizinelektronik