Kunststofftechnik für Krebsimmuntherapie

Mit Spritzguss gegen Leukämie

13. März 2023, 11:10 Uhr | Montserrat Ares
BIld 1. Für die ISO7-Reinraumfertigung gelten höchste Hygiene-Vorschriften, um die Kontaminierung durch Partikel auszuschließen.
© RKT

Die CAR-T-Zellen-Therapie gibt bisher unheilbaren Leukämie-Patienten neue Hoffnung. Dabei werden eigene Abwehrzellen im Labor modifiziert, um zurück im Körper den Krebs besser zu bekämpfen. Wie müssen GMP-Kunstoffkomponenten dafür hergestellt werden?

Für die weiterentwickelte Transfektionsmethode des Pharmaherstellers Lonza braucht es leitfähige GMP-Kunststoffkomponenten, die im ISO7-Reinraum und Zweikomponentenspritzguss gefertigt werden. Für Therapie stechen die besonderen Anforderungen an die LV- Cartridge und die Sterilisation in der Primärverpackung heraus.

Für Leukämiepatienten, die auf konventionelle Behandlungen wie Chemotherapien nicht ansprechen und als austherapiert gelten, gibt es seit der Zulassung 2018 auch in Europa neue Hoffnung: Eine innovative Krebsimmuntherapie, bei der körpereigene Abwehrzellen gentechnisch so verändert werden, dass sie Krebszellen erkennen und eliminieren können. Die Technologie hinter dieser Behandlung ist komplex, denn zunächst müssen die patientenspezifischen Abwehrzellen (T-Zellen) in einem aufwändigen Verfahren außerhalb des Körpers modifiziert werden. Im Anschluss werden diese modifizierten T-Zellen wieder ins Blut des Patienten verabreicht und beginnen mit der Bekämpfung der Krebszellen. Den Durchbruch schaffte diese sogenannte CAR-T-Zellen-Therapie (CAR für Chimeric Antigen Receptor) 2012 in den USA mit der Behandlung der damals siebenjährigen Emily Whitehead. Sie litt an einer aggressiven Leukämieform und ist seitdem krebsfrei.

Körperabwehrzellen gentechnisch verändern

Aufgrund der ersten Erfolge arbeiten heute viele namhafte Pharma-Unternehmen und junge Startup-Firmen im Bereich der zelltherapeutischen Medizin daran, die erforderlichen genmanipulierten Zellen zu generieren. Anschließend werden diese in den Körper des Patienten als Therapeutikum eingebracht. Im Zusammenhang mit einem solchen ‚Produktionsprozess‘ ermöglicht die Nucleofector-Technik des Pharma-Unternehmens Lonza die Zellmembran der vom Patienten entnommenen T-Zellen zu öffnen und in den Zellkern gentechnisch veränderte Moleküle einzuschleusen. Dabei handelt es sich um ein Verfahren, das nicht nur in diesem speziellen Therapiefall angewendet werden kann, sondern viele weitere Einsatzmöglichkeiten im medizinischen Bereich bietet. Per Elektroporation wird die Zellmembran durch einen elektrischen Impuls kurzzeitig durchlässig gemacht und Moleküle wie DNA, RNA oder Proteine können je nach Anwendung) über das elektrische Feld in den Zellkern eingebracht werden. Die Nucleofector-Technologie von Lonza ist eine Weiterentwicklung bestehender Transfektions-Methoden und ermöglicht durch eine optimierte Elektroporation ein effizienteres Einbringen von Genmaterial in verschiedene Zellen wie Primärzellen, die bisher schwierig zu transfizieren waren.

Rodinger
Bild 2. Erst die Anfertigung individueller Spritzgusswerkzeuge ermöglicht komplexe Fertigungsverfahren. 
© RKT

Kunststoffspritzguss unter Reinraumbedingungen

Für das Nucleofector-Verfahren steuert der Spezialist für Kunststoffspritzguss und Werkzeugbau Rodinger Kunststofftechnik (RKT) Komponenten aus Kunststoff bei, die den hohen Anforderungen für die neuartige Transfektion entsprechen. Da die Nucleofector-Technologie sowohl in der Therapie als auch für Labor- und Forschungsanwendungen eingesetzt werden kann, bedeutet das für die Fertigung der Kunststoffkomponenten unterschiedliche Produktionsanforderungen oder Bauteilqualitäten. Bauteile für den Laborbereich sind Non-GMP-Produkte, die unter kontrollierten Weißraum-Bedingungen oder ISO 8 gefertigt werden, und nicht so hohe Standards erfüllen müssen wie zur Therapie geeignete GMP-Komponenten (Good Manufacturing Practice), die eine ISO7-Reinraum-Qualifizierung benötigen. Andreas Persch, Projektleiter bei RKT, erläutert die unterschiedlichen Anforderungen: »Die Unterscheidung zwischen GMP- und Non-GMP-Produkten ist bedeutend, denn wenn im Labor ein Probenträger einmal mit Partikeln kontaminiert sein sollte, schlägt allenfalls eine Versuchsreihe fehl und muss wiederholt werden. Die Verunreinigung einer Komponente im Therapiebereich kann dagegen ganz andere schwerwiegende Folgen wie zusätzliche, lebensbedrohliche Infektionen für bereits immungeschwächte Patienten nach sich ziehen. Insofern sind wir uns der Verantwortung bei der Produktion therapierelevanter Bauteile sehr bewusst, und unsere Fachkräfte halten sich strikt an die Hygienevorgaben, die in einem ISO7-Reinraum gelten.«


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