3D-Druck mit Silikon

Neuer Helm soll Football-Spieler vor CTE schützen

10. Dezember 2019, 12:12 Uhr | Medizin+elektronik
Football ist mitunter ein recht rabiater Sport, aber medizinsche Spätfolgen lassen sich auch hier vermeiden.
© Pixabay

Anwenderbericht | Um die Athleten beim American Football besser vor Schädel-Hirn-Traumata und deren Langzeitfolgen wie CTE zu schützen, haben zwei US-Unternehmen einen neuen Helm entwickelt. Wacker unterstützte sie dabei mit dem 3D-Drucker Aceo.

Die Fans der Footballmannschaft Pittsburgh Steelers nannten ihn Iron Mike – wegen seiner Zähigkeit und seiner Härte, auch gegen sich selbst. Michael Lewis Webster, 16 Jahre lang als Profi aktiv, gewann zwischen 1975 und 1980 mit den Steelers vier Mal den Super Bowl. Trotz seiner Aufnahme in die »Pro Football Hall of Fame« sind es aber nicht seine außergewöhnlichen Leistungen im Spiel, die ihn außerhalb der Fanszene und auch außerhalb der USA bekannt gemacht haben. Sondern es ist sein tragisches Schicksal: Iron Mike litt an CTE (Chronisch-traumatische Enzephalopathie), eine schwere degenerative Hirnerkrankung. Hervorgerufen wird CTE durch mehrfache Gehirnerschütterungen oder leichte Schädel-Hirn-Traumata. Oft zeigen sich die Symptome erst 10 bis 20 Jahre nach den Verletzungen.

Noch ist CTE nur bei Toten diagnostizierbar.  Amerikanische Forscher sind der Diagnose bei lebenden Patienten jetzt aber einen Schritt nähergekommen. Ehemalige Football-Profis mit CTE-Symptomen zeigten in der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) eine Tendenz zu charakteristischen Ablagerungen von Tau-Proteinen im Gehirn. Tau-Proteine sind ein wichtiger Bestandteil von Nervenzellen und werden in größeren Mengen erst nach Traumata oder Erkrankungen freigesetzt. Hier waren deutliche Unterschiede zwischen den Gehirnen von Football-Profis, Alzheimer-Patienten und einer Kontrollgruppe zu erkennen.

Besserer Schutz für die Spieler

Dennoch sollte es gar nicht so weit kommen. Das hat auch National Football League (NFL) erkannt und fördert mittlerweile aktiv Maßnahmen, die darauf abzielen, Verletzungen mit möglicherweise lebenslangen Folgen wie Gehirnerschütterungen zu verhindern oder wenigstens wirkungsvoll zu behandeln. 2016 lancierten sie die Initiative »Play Smart. Play Safe« und sagten 100 Millionen US-Dollar für medizinische Forschung und technische Fortschritte zu. Zudem schrieben und schreiben sie »HeadHealthTECH Challenges« aus – einen Wettbewerb, der Unternehmen dazu auffordert, Verbesserungsvorschläge für Footballhelme und andere Schutzausrüstungen einzureichen. 

Sieger der zweiten Runde Ende 2017 waren Robert T. Bayer (Gründer und CEO von Baytech) und Brad Maloney (CEO von Helmet Comp) mit ihrem Helm »HitGardTM«.  Das Besondere: Um die Stirn der Spieler besser zu schützen, befindet sich oberhalb der beweglichen Gesichtsmaske ein zusätzlicher Dämpfer. Ursprünglich sollte dieser  aus thermoplastischem Polyurethan (TPU) bestehen.  »Doch dieses Material splitterte während der Laborprüfungen bei Schlägen auf die Gesichtsmaske, weil es die Energie nicht genügend absorbieren und sich nicht verformen konnte«, so Brad Maloney.

Imagine Series K2-Drucker Aceo

Auf der K 2019 präsentierte Wacker unter anderem den 3D-Drucker Aceo Imagine Series K2. Das Gerät kann bis zu vier verschiedene Siliconmaterialien gleichzeitig drucken. Dadurch lassen sich Objekte in Farbe und mit Siliconen unterschiedlicher Härte herstellen. Solche Mehrmaterialdrucke werden zum Beispiel im Gesundheitswesen immer öfter eingesetzt. Mittels bildgebender Verfahren erfasste Tumore oder Gefäßerkrankungen können jetzt farblich hervorgehoben und in verschiedenen Härtegraden realitätsnah nachgebildet werden. Dadurch können sich Chirurgen gezielt auf die Operation vorbereiten und mögliche Komplikationen besser einschätzen. mehr

 

Dämpfer aus Silicon

Daher begab sich der Produktentwickler im Frühling 2018 auf die Suche nach Alternativen. Bei seinen Recherchen stieß er auf den Aceo 3D-Druckservice mit Siliconkautschuk von Wacker und nahmen Kontakt mit dem Unternehmen aus München auf. »Nachdem wir über seine Anforderungen an das Material gesprochen hatten, rückte Brad mit der Frage heraus, ob wir einen entsprechenden Dämpfer innerhalb von zehn Tagen fertigen und an HelmetComp liefern könnten«, berichtet Egbert Klaassen, Global Marketing Director für die 3D- Drucklösungen von Aceo. Der Grund für die Eile: Es waren wichtige Tests mit externen Prüfern geplant.

Im Spritzgießverfahren wäre das nicht möglich gewesen. Üblicherweise dauert es acht bis zwölf Wochen, bis aus den überlieferten Konstruktionsdaten (CAD-Files) eine entsprechende – und recht teure – Form hergestellt werden kann. Diese muss dann vom Auftraggeber freigegeben werden, bevor das Silicon eingespritzt und so das gewünschte Teil produziert werden kann. Mithilfe des 3D-Druckers geht das deutlich schneller: Einen Tag vor den angesetzten Tests erhielt Maloney den Silicondämpfer, der sich in seinen Eigenschaften nicht von einem entsprechenden spritzgegossenen Bauteil unterscheidet. Der Auftraggeber baute ihn in den Helm ein, der daraufhin die Tests bestand.

Der Helmdesigner ist ganz grundsätzlich vom Wert des 3D-Druckverfahrens für die Entwicklung und Markteinführung von Produkten überzeugt: »Oft stellt man nach der Herstellung von Bauteilen fest, dass noch etwas am Design geändert werden muss. Mit dem 3D-Druck lassen sich dann einfach, schnell und kosten- günstig optimierte Bauteile erstellen, während beim Spritzgießen ein aufwendiger Prozess ganz von vorn beginnt«, so Maloney.

Silikonkautschuk für die Medizintechnik

In der Kunststofftechnik gewinnt der Silikonkautschuk immer mehr an Bedeutung, da er aufgrund seiner Eigenschaften für eine Vielzahl an Anwendungen geeignet ist. In der Medizintechnik wird Silikonkautschuk unter anderem wegen seiner guten Verarbeitbarkeit und physiologischen Unbedenklichkeit anderen Kunststoffen vorgezogen. Anwendungen sind unter anderem:

  • Verbrauchsartikel für die Intensivmedizin: Beatmungsmasken oder Beatmungsschläuche sowie Schläuche und Tracheostomiekanülen
     
  • Labor- und Sterilisationszubehör: Dichtungen für Steril-Container oder Tray-Systeme für die maschinelle Instrumentenaufbereitung
     
  • OP-Geräte und Zubehör: Sterile Dichtungssysteme oder auch Dichtungen für chirurgische Geräte, Monitore oder Bedienpanels
     
  • Babycare-Artikel: Ventile, Schläuche und Schlauchsysteme sowie Dichtungen und Duckbills

 

 

So funktioniert der neue Helm

Die zum Patent angemeldete Technologie ist ein Split-Shell-Design, das aus je einer äußeren Ober- und Unterschale und einem inneren Schalenaufhängungssystem besteht. Die äußeren Ober- und Unterschalen sind durch stoßdämpfende Streben miteinander verbunden. Beim Aufprall kann sich die Oberschale unabhängig vom Kopf bewegen und so direkte Aufprallkräfte aufnehmen und verteilen, bevor die Energie auf den Kopf übertragen wird.

Die Oberschale absorbiert sowohl lineare als auch schräge Stöße, bevor sie in ihre Ausgangsposition zurückkehrt. Das Innenschalenaufhängungssystem ist mit stoßdämpfenden Materialien an der äußeren Unterschale verankert. Der Kopf des Spielers befindet sich in der Innenschale, die von einem Luftporenraum umgeben ist und somit unabhängig von der direkten Aufprallenergie auf die Oberschale ist.

Wacker auf der Compamed 2019

Auf der diesjährigen Compamed in Düsseldorf präsentierte Wacker gebrauchsfertige elektroaktive Siliconlaminate für die Medizintechnik. Nexipal besteht aus mehreren ultradünnen Präzisionsfolien aus Silicon, die vor dem Laminieren mit elektrisch leitfähigem Material beschichtet werden. Auf diese Weise entsteht ein Aktuator, der Bewegungen ausführen kann, wenn elektrische Spannung anliegt. Der Werkstoff kann außerdem mechanische Verformungen messen und folglich auch als Sensor eingesetzt werden. Die Siliconlaminate sind verschleißfrei, platz- und energiesparend. Damit ausgestattete berührungsempfindliche Messgeräte können beispielsweise durch Vibrationen und haptische Signale Tasten simulieren, die ohne Blickkontakt bedient werden können.

 

Schlagworte: 3D-Druck, Silicon, Football, CTE, Sportmedizin

Genannte Firmen: NFL, Baytech, Helmet Comp, Wacker (Aceo)

Oberhalb der beweiglen Gesichtsmaske wurde ein zusätzlicher Dämpfer aus Siliconkautschuk eingebaut.
Oberhalb der beweiglen Gesichtsmaske (roter Kreis) wurde ein zusätzlicher Dämpfer aus Siliconkautschuk eingebaut.
© Helmet Comp

Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu elektroniknet