Medizinelektronik

Personalisierung der Körpertemperatur

10. November 2021, 7:30 Uhr | Daniel Mar (Texas Instruments)
Thermometer mit der »normalen« Körpertemperatur 37°C (Symbolbild)
© AdobeStock/Hanna Haradzetska

Temperatursensoren geben Einblicke in menschliche Temperaturzyklen

Von den vier Vitalparametern ist die Körpertemperatur derjenige, der von einer Person zur anderen und über die Zeit den geringsten Schwankungen unterliegt. Wie wir alle gelernt haben, beträgt die normale Körpertemperatur 37 °C. Den meisten von uns ist bewusst, dass es sich hierbei um einen Durchschnittswert handelt. Man geht davon aus, dass dies auch über die Population hinweg ein Mittelwert ist. Für viele dürfte es jedoch überraschend sein, dass diese Temperatur auch in zeitlicher Hinsicht einen Durchschnittswert darstellt, denn unsere Körpertemperatur verändert sich ständig – beeinflusst, unter anderem durch: 

  • körperlicher Aktivität
  • Biorhythmus
  • hormonellen Veränderungen 
  • Körpergewicht 
  • Alter

Nicht zuletzt wegen der Corona-Pandemie besteht ein stark gestiegenes Interesse an Temperatursensoren, die die betreffenden Personen im Krankheits- oder Infektionsfall schnell warnen können, damit sie sich in Selbstisolation begeben und die weitere Ausbreitung einer Krankheit eindämmen können – im Idealfall als tragbare Lösung. 

Mit solchen Wearable-Temperatursensoren sind auch erstmals tiefe Einblicke in die Temperaturzyklen einer Person möglich. Mit geeigneten Algorithmen lassen sich dann die Normalwerte für die betreffende Person individuell anpassen, sodass noch vor Erreichen des Grenzwerts für leichtes Fieber (38 °C) Veränderungen detektiert werden können, die möglicherweise auf eine Krankheit hindeuten. 

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Wir Menschen werden kälter

Bluetooth-fähiges Design für ein Temperaturüberwachungs-Pflaster
Bluetooth-fähiges Design für ein Temperaturüberwachungs-Pflaster
© TI

Bevor wir uns genauer mit der Wearable-Technik befassen, ist es wichtig zu wissen, wie der Referenzwert von 37 °C eigentlich zustande kam. Im Jahr 1851 analysierte der deutsche Arzt Carl Reinhold August Wunderlich die in der Achselhöhle gemessenen Körpertemperaturen von 25.000 Patienten und Patientinnen. Unter Berücksichtigung der oben erwähnten Variabilität schlug er für gesunde Erwachsene einen Normaltemperaturbereich von 36,2 bis 37,5 °C vor, der bis heute der gültige De-facto-Standard ist. 

Eine kürzlich vorgelegte Studie der Stanford University stellt jedoch in Frage, ob 37 °C nach wie vor ein gültiges Maß für die normale Körpertemperatur ist. Bei der Auswertung von Aufzeichnungen, die bis in das Jahr 1860 zurückgehen, konnten die Forschenden nachweisen, dass die Körpertemperatur im Laufe der Zeit stetig gesunken ist, nämlich um 0,03 °C pro Geburtsjahrzehnt (bereinigt um die Einflüsse von Faktoren wie Geschlecht, Alter, Körpergröße und Körpergewicht). So gesehen, sind heutige Menschen tatsächlich »cooler« als ihre Eltern. 

Betrachten wir nun die Auswirkungen dieser Variabilität am Beispiel eines 80 Jahre alten Mannes. Aufgrund seines Alters wäre eine Körpertemperatur von 36,2 °C für ihn einigermaßen normal. Wenn er nach dem Erwachen um 6 Uhr früh seine Temperatur misst, kann es jedoch sein, dass diese bedingt durch seinen Biorhythmus um 0,5 °C niedriger liegt und nur 35,6 °C beträgt. Damit dieser Mann den standardmäßigen Grenzwert für leichtes Fieber von 38 °C erreicht, müsste seine Körpertemperatur also um 2,4 °C ansteigen, was eine erhebliche Zunahme bedeuten würde. Medizinisches Fachpersonal wüsste zwar, dass bei ihm ein niedrigerer Grenzwert anzusetzen ist, aber die Lage könnte sich auch durchaus noch verkomplizieren, zum Beispiel wenn der Mann ein Schilddrüsenleiden hätte, durch das sich seine Temperatur erhöht oder verringert. 

Mit Medizinelektronik zum individuellen Temperaturmaßstab

Beispielanwendung: Auch eine Anwendung als medizinische Hearable ist denkbar
Beispielanwendung: Auch eine Anwendung als medizinische Hearable ist denkbar
© TI

Tragbare Temperatursensoren helfen bei der Umsetzung der Vorstellung von einem quantifizierten Ich, und das mit ihnen mögliche kontinuierliche Tracking könnte tatsächlich ein neues Zeitalter einer personalisierten Medizin einläuten. Damit wäre es möglich, Abweichungen vom Normalen schneller zu erkennen, um Anzeichen für potenzielle Infektionen, hormonelle Veränderungen oder Krankheiten zu finden. 

Technologische Fortschritte, zum Beispiel die Temperatursensor-Familie TMP117 von Texas Instruments, erlauben die Realisierung kompakter, wenig Strom verbrauchender Wearables für den persönlichen Gebrauch oder den klinischen Einsatz. Der eigens für medizinische Anwendungen konzipierte Sensor TMP117M erreicht zwischen 30 °C und 45 °C eine Genauigkeit von ±0,1 °C und erfüllt damit in vollem Umfang die Spezifikationen des ASTM-Standards E1112 und der europäischen Norm (EN) 80601 für elektronische Patiententhermometer. 

Die medizinelektronische Komponente wird in einem 1 x 1,5 mm großen Gehäuse angeboten und besitzt daher eine geringe thermische Masse, sodass sie schnell auf Temperaturänderungen reagieren kann. Außerdem ermöglicht der Sensor damit eine kompakte Formgestaltung im Interesse von mehr Komfort für den Anwender. Der Nutzererfahrung kommt ebenfalls die minimale Leistungsaufnahme von unter 7 µW zugute, die die Verwendung kleinerer Batterien gestattet, um den Komfort und die Kosten zu optimieren. 

Mit Konnektivitäts-Optionen wie Bluetooth Low Energy kommen die Fähigkeiten eines Wearable-Temperatursensors erst richtig zur Geltung. Für Eltern eines Kindes, dessen Körpertemperatur im Krankheitsfall häufig auf über 40 °C ansteigt, wäre es eine große Erleichterung, wenn sie auf dem Smartphone eine Nachricht über die nachlassende Wirkung des fiebersenkenden Mittels erhalten würden, bevor die Temperatur auf gefährliche Werte ansteigt. 

Auch im klinischen Einsatz wäre eine solche Bluetooth-fähige Temperatursensor-Lösung von Vorteil. Patienten und Patientinnen könnten sich damit frei bewegen, ohne mit den Monitoren in ihrem Zimmer verkabelt zu sein. Das Pflegepersonal würde von den manuellen Temperaturmessungen entlastet und auch die Selektierung in überfüllten Wartezimmern wäre einfacher. 

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