DDS-Standard

Roboter, vernetzt euch

25. Juli 2019, 15:00 Uhr | David Niewolny und Reiner Duwe (RTI)
Schon heute gehören Roboter in vielen OP-Räumen zum Standard. Im Idealfall arbeiten sie sowohl mit dem Menschen als auch mit anderen Geräten nahtlos zusammen.
© schutterstock.com/Master Video

Im gesamten Bereich der Medizin kommen Roboter bereits zum Einsatz. Geräte-Entwickler müssen hier jedoch komplexe und strenge Designvorgaben erfüllen. Gleichzeitig steigen die Anforderungen hinsichtlich Interoperabilität, Latenz und Datendurchsatz.

Ob für Operationen, in der Rehabilitation, in nichtinvasiven, in allgemeinen Krankenhaus- und Pharmazie-Anwendungen – medizinische Fachleute setzen Roboter bereits vielseitig ein. Und dieser Trend wird weiter fortschreiten. Der Markt für medizinische Robotik hat sich seit 2012 fast versiebenfacht, und bis 2022 wird ein jährliches Wachstum von über 20 Prozent erwartet. Allein für die minimalinvasive Chirurgie sind 70 Prozent der medizinischen Robotik-Anwendungen bestimmt, die einige der schwierigsten Design-Herausforderungen mit sich bringen.

In einer Anwendung mit medizinischen Robotern kommunizieren und interoperieren viele Subsysteme miteinander. Einige dieser Subsysteme müssen bis hin zu sehr genauen Spezifikationen exakt arbeiten. Werden die Module zusammengefügt, muss zudem das gesamte System mit derselben Genauigkeit funktionieren. Ob diese systemübergreifende Genauigkeit erreicht wird, hängt davon ab, wie die Subsysteme kommunizieren. Bestehen beispielsweise Latenzanforderungen für haptische Rückkopplungsschleifen zwischen 1 und 4 kHz, müssen die Kommunikationsprotokolle zwischen allen Subsystemen schnell genug sein, damit das gesamte System die Latenzanforderungen erfüllen kann. Die Augen des Chirurgen sind jetzt hochauflösende Kameras. Je höher die Bildauflösung ist, desto eher kann der Mediziner Krankheitsbilder erkennen und die chirurgische Präzision verbessern. Gleichzeitig setzen die hochauflösenden Kameras neue Maßstäbe in Bezug auf die Anforderungen für Latenz und Datendurchsatz.

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Bild 1. DDS ist ein Datenverteilungssystem, das eine Abstraktion von Daten überall ermöglicht.
© RTI

Interoperabilität medizinischer Systeme

Ein wichtiger Faktor für die medizinische Robotik ist die Verbesserung der Behandlungsergebnisse. Da Fehler jeglicher Art inakzeptabel sind, muss das System absolut zuverlässige Vorkehrungen treffen. Solch eine Vorsorgemaßnahme umfasst den Aufbau von Redundanzen für Steuerungssysteme, die sich auf mehreren Komponenten des Systems befinden. Aus diesem Grund muss die medizinische Robotik für die minimalinvasive Chirurgie als missionskritisches System eingestuft werden.

Das Robotersystem ist mit anderen Geräten sowie klinischen Informations- und Unternehmenssystemen verbunden, weshalb ein höheres Risiko für Verstöße gegen die Sicherheit besteht. Dies kann Patientendaten und möglicherweise das Leben der Patienten gefährden. Deshalb ist es erforderlich, dass die Applikationen die aktuellen gesetzlichen Anforderungen erfüllen – oder gar übertreffen.

Die mangelnde Interoperabilität medizinischer Systeme kostet jährlich über 30 Milliarden US-Dollar. Ein modulares System benötigt einen Architektur-Ansatz für die Kommunikation und Konnektivität, der Skalierbarkeit ermöglicht und eine ausbaufähige Basis für die Verbindung zur Unternehmens-IT und dem IoT-System im Gesundheitswesen bietet. Diese Anwendung erfordert, das robotergestützte chirurgische Gerät mit anderen medizinischen Geräten wie Infusionspumpen und Patientenmonitoren zu verbinden. Zusätzlich zur Sicherheit wollen Designer auch Plug-and-Play-Verbindungen zu anderen Systemen herstellen. Wenn alle Geräte miteinander kommunizieren, lässt sich ein Teil der Kosten reduzieren, die aufgrund mangelnder Interoperabilität entstehen. Mithilfe der Produktskalierbarkeit lassen sich neue Komponenten für den medizinischen Roboter entwerfen und nahtlos einfügen. Das heißt, der Rest des Systems kann das neue Subsystem einfach erkennen.

Eine datenzentrierte Kommunikationsarchitektur basiert auf einem Software-Datenbus, ein gemeinsamer Raum für Anwendungen, in dem sich alle Daten befinden. Mithilfe des Datenbusses lassen sich Echtzeitdaten sehr gut verteilen und verwalten. Er ermöglicht das Zusammenspiel von Anwendungen und Geräten als ein integriertes System und ist für besonders komplexe Systeme wie Roboter in der minimalinvasiven Chirurgie ausgelegt. Zudem bietet er die Grundlage für die Anbindung an größere Systeme wie die Krankenhaus-IT oder speziell an das IoT im Gesundheitswesen.

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Bild 2. Der Software-Datenbus ist hoch-skalierbar und bildet die Grundlage, um eine größere Gruppe von Systemen einschließlich klinischer Geräte, Informations- und Unternehmenssysteme sowie Datenbanken zu verbinden.
© RTI

Anders gesagt, abstrahiert der Datenbus Daten überall (Bild 1). Die Subsysteme von medizinischen Robotern verfügen über Daten, die sie senden müssen. Jedes Datenelement, genannt Topic, lässt sich individuell auf Attribute wie Quality of Service (QoS) und Sicherheitseinstellungen abstimmen. Geräte im System können dann diese Daten abonnieren. Es gibt Geräte, die fortlaufend Daten mit einer bestimmten Geschwindigkeit veröffentlichen (publish), und es gibt Geräte, die diese Daten abonnieren (subscribe). Folglich erhalten alle Geräte in diesem gemeinsamen globalen Datenraum die Daten, wann immer sie diese benötigen.

Den Software-Datenbus via DDS definieren

Mit DDS (Data Distribution Service) steht ein offener Middleware-Konnektivitätsstandard für komplexe, missionskritische und verteilte Computer-Anwendungen bereit. Die DDS-Spezifikation liefert die technischen Voraussetzungen und definiert den Software-Datenbus. Der Standard wurde von mehreren Gruppierungen einschließlich des Industrial Internet Consortiums (IIC), Autosar sowie ROS2 übernommen.

Der DDS-Standard umfasst eine Plug-in-Security-Architektur, die eine Verbindung zur DDS-Bibliothek herstellt. Sie ist über jede Standard-API anpassbar, läuft über jeden Transport und bietet vollständigen Schutz. Als Peer-to-Peer-Architektur funktioniert DDS ohne Message-Broker. Entwickelt wurde der Standard für Anwendungen, die eine geringe Latenzzeit fordern. DDS ist also von Grund auf für die Echtzeitsteuerung eines cyber-physischen Systems über ein Netzwerk konstruiert.

Mit DDS können Entwickler den Netzwerkverkehr gestalten, indem sie den Durchsatz für verschiedene Datentypen ausgleichen. Dadurch kann das System die Bandbreite effizienter nutzen. Beispielsweise lässt sich der Datenverkehr durch Datenfilterung und QoS lediglich auf notwendige oder kritische Daten beschränken. Darüber hinaus werden die Daten im gesamten System verteilt. Im Wesentlichen erstellt DDS Bausteine, die den Aufbau redundanter Systeme und Pfade mit Failover im gesamten System erleichtern.

Das Wire-Protokoll des DDS-Standards bietet syntaktische Interoperabilität, die ein gemeinsames Kommunikationsprotokoll für alle Subsysteme bereitstellt. In Kombination mit einem konsistenten Datenmodell, das semantische Interoperabilität ermöglicht, bildet es die Grundlage für eine modulare Plug-and-Play-Architektur. Systemarchitekten erlaubt es, ein modulares Design zu entwickeln, das für medizinische Robotersysteme von entscheidender Bedeutung ist. Ohne Aufwand für die Applikationsebene kann der Datenaustausch zwischen den Geräten in verschiedenen Programmiersprachen erfolgen, was die Codezeilen auf Applikationsebene erheblich reduziert.

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Bild 3. Drei Miro-Lab-Roboter, koordiniert durch die RTI-Connext-DDS-Software
© Bild mit freundlicher Genehmigung des DLR

Die Entkopplung der Software erfolgt über den Software-Datenbus. Die entkoppelten Subsysteme arbeiten unabhängig voneinander, während die datenzentrische Aufteilung es ihnen erlaubt, als ein System zu funktionieren. Dieselbe Entkopplung erleichtert es dem medizinischen Gerät, zukünftige Komponenten hinzuzufügen. Außerdem vereinfacht ein Software-Datenbus die Integration des Geräts in andere IIoT-Geräte und Unternehmenssysteme (Bild 2).

Operation am offenen Herzen

Eines der bekanntesten Systeme ist der MicroSurge vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) (Bild 3). Er kommt unter anderem bei Operationen am offenen Herzen zum Einsatz. Damit das funktioniert, darf das Herz augenscheinlich nicht schlagen. Folglich muss sich das robotergestützte chirurgische Gerät synchron mit dem schlagenden Herzen bewegen, sodass es während der Operation so wirkt, als würde das Herz stillstehen.

DDS (RTI Connext) stellt hier die Kommunikationsinfrastruktur zwischen den drei Miro-Robotern, dem Endoskop, den Robotersteuerungen des Chirurgen und den Benutzeroberflächen des Chirurgen und des Technikers bereit, um die Synchronisation und Koordination zwischen ihnen zu erleichtern. Mithilfe des Standard-Konnektivitäts-Frameworks für medizinische Anwendungen war es möglich, eine deterministische Lösung zu implementieren, die zwischen 1 und 3 kHz arbeitet und so die Entwicklung von verteilten haptischen geschlossenen Regelkreisen ermöglicht.

Zuerst gesehen

Dieser Beitrag stammt aus der Medizin+elektronik Nr. 4 vom 18.06.2019.

Hier geht’s zur vollständigen Ausgabe.

 


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