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Schlafapnoe optimal behandeln

5. November 2021, 8:48 Uhr | Dr. Claus Ziegenbein (ResMed)
Eine Unterkieferprotrusionsschiene kann zur Therapie des primären Schnarchens und der obstruktiven Schlafapnoe ergänzend oder alternativ eingesetzt werden.
© ResMed

Von der PAP-Therapie bis zur Unterkieferprotrusionsschiene

Fast ein Drittel der Deutschen (31,32%) leidet an obstruktiver Schlafapnoe (OSA), also Atemaussetzern im Schlaf [1]. Doch von den 26 Millionen betroffenen Bundesbürgern sind nur etwa eine Million Deutsche deshalb in Behandlung [1,2] . Tatsächlich wird bei drei von zehn Schnarchern und jeder fünften Schnarcherin OSA diagnostiziert [3] . Die hohe Dunkelziffer liegt vor allem daran, dass die Symptome mitunter schwer zuordenbar sind. Die typischen Atemaussetzer, die mehrmals pro Stunde auftauchen und mehrere Sekunden bis Minuten andauern können, bemerkt meist nur ein Bettnachbar, wenn das Schnarchgeräusch plötzlich aussetzt. Weitere Symptome sind starke Tagesmüdigkeit bis hin zu Sekundenschlaf, Konzentrationsschwäche und fehlende Leistungsfähigkeit. Auch Libido und Potenz können sich verringern. Zudem sind morgendliche Kopfschmerzen oder ein trockener Mund und Halsschmerzen nach dem Aufwachen Symptome für Schnarchen oder Schlafapnoe. 

Wenn die Schlafapnoe unbehandelt bleibt, steigt die Wahrscheinlichkeit für arteriellen Bluthochdruck als Folgeerkrankung um das Dreifache [4]. Kardiologische Folgeerkrankungen wie Herzschwäche sind bei unbehandelter Schlafapnoe fünf Mal so hoch wie bei Patienten, die ihre Schlafapnoe behandeln [5]. Kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt, Schlaganfall bis hin zum plötzlichen Herztod sind drei Mal so wahrscheinlich [6]. Auch die Unfallgefahr durch die Tagesmüdigkeit steigt auf das Dreifache [7]. Insgesamt ist die Sterblichkeitsrate bei unbehandelten Schlafapnoikern 25 Prozent höher als bei therapierten Schlafapnoe-Patienten [1].

Therapiemöglichkeiten der obstruktiven Schlafapnoe

Global gesehen sind etwa 17 Prozent der Weltbevölkerung von Schlafapnoe betroffen [1]. Doch auch für starke Schnarcher lohnt sich bereits die Untersuchung beim Schlafmediziner. Dieser führt eine Schlafmessung – entweder Zuhause oder im Schlaflabor – durch und testet verschiedene Parameter, die Aussagen über die Schlafqualität und Schlafstörungen ermöglichen. Bei leichten Formen kann es schon ausreichen, ein paar Pfund abzunehmen sowie auf Alkohol, Rauchen und Schlaftabletten zu verzichten. Auch Geräte, die eine Rückenlage im Schlaf verhindern oder eine höhere Lagerung des Oberkörpers im Bett können bei entsprechender Indikation helfen. 

Darüber hinaus gibt es noch die Möglichkeit der Atmungstherapie. Sie ist das Mittel zum Zweck für leichte bis schwere Fälle der obstruktiven Schlafapnoe. Dazu bekommt der Patient ein Atemtherapiegerät mit Atemmaske, die er während des Schlafes trägt. Über die Maske wird die Raumluft mit einem gewissen Überdruck in Nase und zum Teil auch Mund zugeführt. Dadurch können die Atemwege nicht mehr kollabieren und die Luftzufuhr wird gewährleistet. Dabei unterscheidet man zum einen zwischen CPAP (continuous positive airway pressure, also kontinuierlicher Überdruck), BiPAP (bilevel positive airway pressure, also an Ein- und Ausatmung angepasster Druck) und APAP (auto PAP, also die automatische Zufuhr des Luftdrucks nach jedem Atemzug und je nach Zustand des Atemweges). Das Atemtherapiegerät kann mit einer Nasenmaske, Nasenpolstermaske oder Full Face Maske genutzt werden – die passende Maske wird je nach Gesichtsform, medizinischen Erfordernissen und persönlichen Vorlieben ausgewählt.

Schlafschiene gegen Schlafapnoe und starkes Schnarchen

Das Schlafen mit Atemtherapiegerät ist erstmal ungewohnt und manche Schlafapnoiker kommen auch nach Wochen oder Monaten mit dem Gerät oder der Gesichtsmaske nur schwer zurecht. Seit Februar 2021 wird deshalb auch die Unterkieferprotrusionsschiene (UKPS) als Therapie-Alternative kassenärztlich (grundsätzlich) erstattet. Diese kann eingesetzt werden, wenn die obstruktive Schlafapnoe noch nicht so stark ausgeprägt ist – man spricht von einer leichten bis mittelschweren OSA – oder der Patient lediglich ein starker Schnarcher mit entsprechender Tagessymptomatik ist. Außerdem muss der Patient für eine kassenärztliche Erstattung der UKPS zuvor eine PAP-Therapie getestet haben. Wer nicht mit Maske im Gesicht schlafen kann, hat die Möglichkeit eine individuell angepasste Schlafschiene als Therapie-Alternative zu nutzen. Für Betroffene von zentraler Schlafapnoe, Minderjährige und Patienten mit schwerwiegenden Atemwegserkrankungen ist die Schlafschiene allerdings aus verschiedenen Gründen nicht empfehlenswert. 

Die UKPS verlagert den Unterkiefer leicht nach vorne (Protrusion), sodass die Atemwege im Schlaf mechanisch freigehalten und Atemaussetzer verhindert werden. Der Unterkiefer wird dabei um oft bis zu 60 Prozent seiner maximalen Vorschubmöglichkeit vorverlagert. Was sich vielleicht viel anhört, ist für den Körper aber bereits nach ein paar Nächten Normalität. Mit der UKPS kann man leichte bis mittelstarke Schlafapnoe also einfach und ohne chirurgischen Eingriff unter Kontrolle bringen und eine Verschlechterung der obstruktiven Schlafapnoe in vielen Fällen verhindern.

Fertigung der Unterkieferprotrusionsschiene früher und heute

Von der Diagnose bis hin zur fertigen Schlafschiene sind mehrere Stationen nötig. Zuerst muss der Schlafmediziner die Schlafapnoe und die Möglichkeit, eine UKPS nutzen zu können, bestätigen. Anschließend überprüft der Zahnarzt, ob der Zustand der Zähne, Zahnprothesen oder die Anzahl der vorhandenen Zähne und Prothetik eine ausreichende Stabilität der Schiene gewährleistet. Danach wird ein Abdruck vom Gebiss angefertigt. Früher wurden dafür analoge, konventionelle Abformungen getätigt, inzwischen kann das auch ein Intraoralscanner.

Analog und Digitale Gebissabformung 

Analoge Abformungen werden zunächst digitalisiert und anschließend in einem computergestützten Verfahren (CAD) zur Schiene konstruiert. Eine digitale Abformung mittels Intraoralscanner kann hingegen in kürzester Zeit online an die Fertigungsunternehmen übermittelt werden. Dort wird sie direkt analysiert und designt, was die Lieferzeit des Endprodukts immens verkürzt. Außerdem ist die digitale Abformung für Zahnärzte komfortabler und Ungenauigkeiten wie bei der analogen Abformung (zum Beispiel Luftblasen oder Durchdrücken der Zähne bis zum Löffelgrund) können vermieden werden.

Schlafschiene aus dem 3D-Drucker

Die Konstruktionsdaten und das Design werden direkt an einen 3D-Drucker übertragen. In diesem wird Nylon-Schicht für Nylon-Schicht miteinander verschmolzen und die Unterkieferprotrusionsschiene in einem selektiven Laser-Melting-Verfahren aufgebaut. Im Anschluss daran findet nach dem finalen Polieren der Schiene eine Qualitätskontrolle statt. Danach wird sie verschickt.

Die digitalen Fertigungsschritte und der 3D-Druck verringern den Bedarf an Nacharbeiten und ermöglichen ein äußerst dünnes und diskretes, aber dennoch stabiles, metallfreies Produkt. Es hält auch starken externen Kräften wie Zähneknirschen stand. Das verwendete Nylon (Polyamid 12) ist zudem biokompatibel, wodurch es auch im direkten Kontakt mit Körpergewebe keinen negativen Einfluss auf den Stoffwechsel hat.

Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt, Schlafmediziner und Fertigungsstätt

Ergänzend ermöglicht eine Online-Plattform wie zum Beispiel Narval Easy von ResMed den Austausch zwischen Zahnarzt und Schlafmediziner. Alle Beteiligten können sich über die Plattform vernetzen und die Therapie sowie die Behandlung lückenlos dokumentieren. So halten sie sich gegenseitig über sensible Patientendaten, behandlungsrelevante Informationen und Befunde immer auf dem aktuellen Stand. Außerdem kann die digitale Gebissabformung direkt über die Plattform an die Fertigungsstätte übermittelt werden, was die Erstellung der UKPS zusätzlich beschleunigt. Der Datenschutz steht dabei natürlich im Vordergrund.

Schlafschienen-Nachsorge zur optimalen Gesundheitsversorgung

Nach dem Einstellen der UKPS ist eine regelmäßige Nachsorge nötig, um Nebenwirkungen der Schiene auszuschließen und veränderte oder sogar verbesserte Symptome abzufragen. Je nachdem kann der Zahnmediziner die Schiene entsprechend anpassen. Durch den Austausch der Verbindungsstege in der Schiene kann eine Titration in 0,5-Millimeter-Schritten durchgeführt werden. Abschließend findet eine erneute Schlafmessung oder Untersuchung beim Schlafmediziner statt, um die Atmungsparameter zu messen. Eine jährliche Kontrolle der Wirksamkeit der Schnarchschiene durch Schlaf- und Zahnmediziner ist ratsam, um eine dauerhaft optimale Schlafapnoetherapie mit der Unterkieferprotrusionsschiene gewährleisten zu können. 

Quellen & Links

[1] Benjafield AV, Ayas NT, Eastwood PR, Heinzer R, Ip MSM, Morrell MJ, Nunez CM, Patel SR, Penzel T, Pépin JL, Peppard PE, Sinha S, Tufik S, Valentine K, Malhotra A. Estimation of the global prevalence and burden of obstructive sleep apnoea: a literature-based analysis. Lancet Respir Med. 2019 Aug;7(8):687-698. doi: 10.1016/S2213-2600(19)30198-5. Epub 2019 Jul 9. PMID: 31300334; PMCID: PMC7007763.

[2] Woehrle, H., Schoebel, C., Oldenburg, O. et al. Low long-term mortality in patients with sleep apnoea and positive airway pressure therapy: analysis of a large German healthcare database. Somnologie 24, 151–158 (2020). https://doi.org/10.1007/s11818-020-00259-4.

[3] Young T et al. The occurrence of sleep-disordered breathing among middle-aged adults. N Engl J Med 1993; 328(17):1230-5.

[4] Peepard T. Prospective study of the association between sleep-disordered breathing and hypertension. N Engl J Med 342 (2000), pp. 1378-1384.

[5] Peker Y, Carlson J, Hedner J. Increased incidence of coronary artery disease in sleep apnoea: a long-term follow-up. Eur Respir J. 2006 Sep;28(3):596-602.

[6] Marin JM, Carrizo SJ, Vincente E, Agusti AG. Long-term cardiovascular outcomes in men with obstructive sleep apnoea-hypopnoea with or without treatment with continuous positive airway pressure: an observational study. Lancet 2005; 365:1046-53.

[7] Ellen et al. Systematic review of motor vehicle crash risk in persons with sleep apnea. J C lin Sleep Med. 2006 Apr 15; 2(2):193-200.

Mehr Informationen zur Unterkieferprotrusionsschiene von ResMed finden Sie hier


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