Schilling Engineering installiert 600 qm großen Reinraum bei Medartis
Bei Osteosynthese-Operationen werden Teile eines gebrochenen oder verletzten Knochens wieder an die richtige Stelle gebracht und stabilisiert. Medartis gehört in diesem Bereich zu den weltweit führenden Firmen. Das Unternehmen aus der Schweiz entwickelt in enger Zusammenarbeit mit Chirurgen und Universitäten Technologien für Titanimplantate, die in dieser Form einzigartig sind. Die Titanschrauben und - platten sind an individuelle anatomische Anforderungen angepasst, besitzen abgerundete und glatte Oberflächen und lassen sich dank einer Schwenkungsmöglichkeit der Schrauben noch während des chirurgischen Eingriffs optimal positionieren.
»Unsere anatomisch exakt angepassten Titanplatten und Titanschrauben werden bei chirurgischen Eingriffen zur Fixierung der Knochen eingesetzt«, erklärt Andy Schwammberger, Head Packaging and Labeling bei Medartis. Insbesondere bei Hand- und Fußbrüchen erleichtere die frei schwenkbare und feinjustierbare Positionierung der Schrauben die Mobilität und Regeneration der Patienten. Im Produktionsvorgang der sensiblen Produkte ist Schwammberger für die Endverpackung zuständig. Die Implantate werden in Reinräumen versiegelt und belabelt, damit eine fehlerfreie und vor allem sichere Auslieferung an die Hospitäler und Ärzte zu jedem Zeitpunkt gewährleistet ist. Denn ein Produkt, das direkt im Körper eingesetzt wird, muss alle hygienischen Standards lückenlos einhalten. Das schreibt nicht zuletzt die neue EU Medical Device Regulation (MDR) vor, deren Geltungsbeginn zwar verschoben, aber nicht aufgehoben ist.
Nur die Verpackung unter kontrollierten Reinraumbedingungen kann garantieren, dass die Titanimplantate ohne jede Kontamination durch Keime oder störende Partikel das Werk verlassen. Im Zuge des Wachstums wurde am Standort Basel jetzt in einen neuen 600 qm großen Reinraum »CleanMediCell« von der Firma Schilling Engineering investiert, der die Vorgaben bis zu der Reinraumklasse ISO 7 nach DIN EN ISO 14644-1 erfüllt. Die Wahl fiel auf den baden-württembergischen Reinraumanbieter, da dieser seinen Firmensitz nahe der Schweizer Grenze hat und eine Tochterfirma auf Schweizer Gebiet betreibt.
Doch nicht nur die Nähe war der ausschlaggebende Punkt für diese Entscheidung. Vor allem die modulare und flexible Bauweise des Reinraumsystems überzeugte. »Wir haben räumlich bedingt keine einfache Situation für den Standort des neuen Reinraums, der quasi um das bestehende Treppenhaus herumgebaut werden musste«, so Schwammberger. Auch verschiedene Deckenhöhen mussten berücksichtigt werden. »Die Ingenieure von Schilling haben uns da wirklich genau angepasste und funktionale Konzepte erarbeitet.«
Um die beengten Platzverhältnisse optimal nutzen zu können, wurden eine bestehende Außenwand mit Fensterfront in eine Reinraumzone der Klasse ISO 8 integriert. Hierzu wurden die Fenster speziell abgedichtet und verschraubt, um die erforderliche Dichtheit zu erreichen. Auch bestehende Elektrokanäle wurden hinsichtlich der Reinraumtauglichkeit – glatt und gut zu reinigen – an den tragenden Säulen zwischen den Fenstern montiert. Der Bestandsbau konnte so äußerst platzsparend ausgenutzt werden.
Die Titanimplantate werden außerhalb des Reinraums gefertigt und über zwei Materialschleusen, eine davon mit Rolltoren ausgestattet, eingeschleust. Die Materialübergabe zwischen den Reinräumen erfolgt über zwei Waschanlagen und 1m³ große Materialdurchreichen. Der Zustand der Schleusen wird über LED- Lichtanzeige im Glas farblich visualisiert. So gelangen die medizinischen Platten und Schrauben kontaminationsfrei in den Reinraum.
Dort erfolgt die Einzelverpackung in einer Reinraumzone der Klasse ISO 7 und später die Etikettierung in einer Reinraumzone der Klasse ISO 8, bevor die Produkte sicher über Materialschleusen ausgeschleust werden und das Werk verlassen. Drei Personalschleusen sorgen für eine funktionale und sichere Einschleusung der Mitarbeiter in die unterschiedlichen Reinraumzonen. Auf Wunsch des Kunden wurden reinraumgerechte Wasserspender in zwei Schleusen integriert, damit die Mitarbeiter sich für die Auffüllung ihrer Getränke nicht vollständig ausschleusen müssen.
In der Reinraumanlage wurden 78 Filter-Fan-Units mit ULPA15 Hochleistungsfiltern verbaut, über 60 Luftwechsel pro Stunde stellen die Versorgung der reinen Bereiche und Arbeitsplätze mit Reinstluft sicher. Das Reinraumsystem kann dank eines silikonfreien GMP-Dicht-Clip-Systems flexibel erweitert und umgebaut werden (GMP = good manufacturing practice).
Die gesamte Reinraumanlage ist in Temperatur und Luftfeuchtigkeit geregelt. Um die hohen Energiekosten, die der Betrieb eines Reinraums verursacht, zu reduzieren, wird das System mit einem besonderen Umluftverfahren betrieben, in der die bereits gekühlte Luft mehrfach zirkuliert. Eine individuell geregelte dezentrale Kühlung fördert die Kälte punktuell an die Stellen, an denen verstärkt Wärme auftritt.
Eine Besonderheit des Reinraumsystems ist das integrierte GMP-konforme Monitoring. Medartis hat sich zu diesem Extra an Sicherheit entschlossen und hier nicht nur die EN ISO 14644-1 Vorgaben, sondern die strengeren pharmazeutischen GMP-Vorlagen erfüllt. So werden Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftdruck permanent überwacht und für das erforderliche Monitoring aufgezeichnet.
Als Kontrollsystem für den Reinraum und die Klimatechnik dient das »CR Control«, mit dem alle Sollwerte inklusive der Klimatechnik geregelt und überwacht werden und dessen Steuerung über ein zentrales Touch-Display erfolgt. Das Kontrollsystem ist mit einer App angebunden, sodass die Verantwortlichen den Zustand der Anlage jederzeit auf dem Smart Phone aufrufen können. Die Qualifizierungen wurden ebenso nach GMP-Vorgaben durchgeführt und erfüllen alle gestellten Anforderungen.
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